Kommentar Anschläge Russland: Kaukasische Blutspur

Alles deutet darauf hin, dass islamische Terroristinnen aus dem Nordkaukasus für die Anschläge verantwortlich sind. Die Kontrolle über die Region ist dem Kreml längst entglitten.

Anschläge sind in Russland leider keine Seltenheit. Doch jetzt ist der Terror nach sechs Jahren wieder nach Moskau zurückgekehrt, quasi direkt in das Machtzentrum des Landes. Zwei Bombenexplosionen in zwei zentral gelegenen U-Bahn-Stationen am Montagmorgen haben bisher mindestens 38 Menschen das Leben gekostet. Wer aber steckt hinter diesen Attentaten?

Für die russische Staatsanwaltschaft und den Geheimdienst FSB ist klar, dass islamistische Terroristen aus dem Nordkaukasus für die Anschläge verantwortlich zeichnen. Derlei schnelle und einseitige Schuldzuweisungen haben in Russland allerdings Methode. Sie wurden auch schon 1999 verbreitet, als bei Bombenanschlägen in Wohnhäusern in Moskau und Wolgodonsk insgesamt über 100 Menschen starben. Die Frage der Urheberschaft ist jedoch bis heute nicht eindeutig geklärt.

Diesmal gibt es zwar Anzeichen dafür, dass die Spur tatsächlich in den Nordkaukasus führt. So wurden die beiden Anschläge offenbar von Selbstmordattentäterinnen verübt; schon mehrfach sind Witwen getöteter Rebellen in der Vergangenheit auf diese Weise in Erscheinung getreten. Zudem haben russische Sicherheitskräfte unlängst im krisengeschüttelten, instabilen Nordkaukasus Dutzende von Rebellen getötet - ein verzweifelter Versuch, eine Region wieder unter Kontrolle zu bekommen, die dem Kreml ohnehin schon längst entglitten ist.

Und dennoch: Auszuschließen ist es nicht, dass russische Geheimdienste ihre Finger im grausamen Spiel haben. Denn die innenpolitische Lage in Russland selbst ist angespannt. Das zeigen die sich landesweit häufenden Demonstrationen, bei denen die Teilnehmer nicht nur ihren Unmut über die desolate soziale Lage zum Ausdruck bringen, sondern mittlerweile auch lautstark den Rücktritt von Premier Wladimir Putin fordern. Da kommen der Regierung, so zynisch es klingen mag, die Attentate von Moskau durchaus gelegen, um von den eigenen Problemen abzulenken.

Doch wer auch immer für die jüngsten Anschläge verantwortlich ist: Putin und seine Mannschaft werden die Attentate nutzen, um die Repressionen im Innern zu verstärken und dabei erneut Bürgerrechte einzuschränken. Die Ankündigung von Präsident Dmitri Medwedjew, den Kampf gegen den Terrorismus erbarmungslos bis zum Ende zu führen, lässt nichts Gutes erahnen.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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