US-Gerichtsurteil zu Restitution: Träges Museum, Schatzstück weg

Die Erben eines Holocaust-Opfers dürfen ein 3200 Jahre altes Exponat des Vorderasiatischen Museums in Berlin behalten. 1945 verschwand es und wurde nie als vermisst gemeldet.

Zwar kein Goldtäfelchen, aber immerhin Teile der babylonischen Prozessionsstraße (6.Jh.v.Chr.) sind im Vorderasiatischen Museum in Berlin zu bewundern. Bild: dpa

Zu nachlässig – jedenfalls für New Yorker Verhältnisse – war das Vorderasiatische Museum in Berlin bei seinen Bemühungen, ein 3200 Jahre altes Goldtäfelchen mit einem Keilschrifttext zurückzuerhalten. Ein Richter auf Long Island sprach deswegen das Kleinod aus Mesopotamien, ab 1926 im Besitz des Museums, den Erben eines Holocaust-Überlebenden zu. Das Täfelchen mit Angaben über Bauten in Assur soll einen Marktwert von zehn Millionen US-Dollar haben, steht aber nach Angaben der Erben nicht zum Verkauf.

Die drei Kinder von Riven Flamenbaum hatten das Museumsstück im Nachlass ihres Vaters entdeckt, der 2003 im Alter von 92 Jahren gestorben war. Rivenbaum, ein polnischer Jude, hatte das KZ Auschwitz überlebt und war 1949 in die USA emigriert. Seinen Erzählungen zufolge hatte er das Täfelchen auf dem Schwarzmarkt erworben, möglicherweise im Tausch gegen Zigaretten. 2006 wandte sich Flamenbaums Sohn Israel an das Vorderasiatische Museum, das nach einiger Verzögerung die Rückgabe verlangte.

Doch Museumsleiterin Beate Salje gelang es nicht, Richter John B. Riordan davon zu überzeugen, dass sich ihr Haus – es gehört organisatorisch zum Pergamon-Museum – mit der Restitution genug Mühe gegeben hat. Weder war der Verlust des Täfelchens je öffentlich gemacht noch in eines der internationalen Register verlorenen Kulturguts eingetragen worden, und zwar weder zu DDR-Zeiten noch ab 1990, als auf der Museumsinsel wieder offen über Diebstähle durch sowjetische Soldaten gesprochen werden konnte. Einen „unerklärlichen Fehler“ nannte Richter Riordan diese Passivität in seinem Urteil, das das New York Law Journal am Montag veröffentlichte.

Flamenbaums Familie wies darauf hin, dass das Museum nicht einmal aktiv geworden war, als ein Professor der Universität Chicago von dem Goldtäfelchen berichtete. Nach New Yorker Recht muss die Rückgabe gestohlenen Eigentums unverzüglich und aktiv eingefordert werden, unabhängig von gesetzlichen Fristen. Das Schweigen des Museums führe dazu, dass das Eigentumsrecht Rivenbaums über 60 Jahre lang nicht beschädigt worden sei – und dabei bleibt es.

Da half es auch nichts, das Salje bei einem Gerichtstermin im letzten Jahr auf die Haager Konvention und andere Bestimmungen gegen die Plünderung von Kulturgut verwies. Für ihre Behauptung, das Täfelchen sei von einem Rotarmisten gestohlen worden, gebe es nur Vermutungen, aber keinerlei Beweise, konterte Riordan. Tatsächlich konnte Salje nicht einmal Schriftstücke vorlegen, aus der eine Plünderung hervorging.

Das Täfelchen, etwa neun Gramm schwer und wenige Quadratzentimeter groß, stammt aus einer deutschen Grabung von 1914 im heutigen Nordirak und gelangte mit mehrjähriger Verzögerung nach Berlin, wo es von 1934 bis 1939 ausgestellt war. Um Kriegsschäden zu verhindern, wurde es mit den materiell wertvollsten anderen Objekten der Sammlung in einer Kiste verpackt, die 1945 komplett verschwand. Die Archäologin Evelyn Klengel-Brandt, seit 1951 im Museum und Direktorin von 1990 bis 1997, sagte der taz, es sei nie festzustellen gewesen, wohin die Kiste verschwunden ist. Dass das Museum nach 1990 nicht alle seine seit Kriegsende fehlenden Objekte als vermisst gemeldet habe, sei möglicherweise ein Versäumnis gewesen – „wir sind dazu aber auch nicht aufgefordert worden.“

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