Fanrechte: "Repressive Maßnahmen schaden"

Weil beim Spiel gegen Rostock nur 500 Gästekarten ausgegeben wurden, steht der Präsident des FC St. Pauli, Corny Littmann, in der Kritik. Ein Gespräch über Fanrechte und die Verantwortung der Vereine.

Diese Tribüne blieb zunächst leer beim Spiel St.Pauli gegen Rostock: Aus Protest gegen den Ausschluss einiger Rostock-Fans blockierten Ultras die Eingänge. Bild: dpa

taz: Herr Littmann, einige Fangruppen werfen Ihnen vor, sich im Doppelpass mit der Polizei als Totengräber des Fußballs betätigt zu haben, indem Sie die Gästekarten vor dem Spiel gegen Hansa Rostock soweit reduziert haben, dass Rostock schließlich ganz auf deren Ausgabe verzichtet hat.

Corny Littmann: Dieser absurde Vorwurf blendet aus, dass die 500 Karten für Rostock nicht vom Himmel gefallen sind, sondern das Ergebnis einer langen Diskussion zwischen den Fußballverbänden DFL und DFB, den Fangruppen und Vorständen von Hansa Rostock und FC St. Pauli sowie der Polizei waren. Sicherheitsaspekte haben schließlich dazu geführt, das Gästekontingent ausschließlich auf 500 Sitzplatzkarten zu beschränken, was durch eine polizeiliche Verfügung angeordnet wurde.

Die Fangruppe Ultras St. Pauli (USP) hat kritisiert, dass Sie gegen diese Verfügung nicht Widerspruch eingelegt und damit an einem bundesweiten Exempel mitgewirkt haben, Gästefans aus einem Stadion weitgehend auszusperren.

ist Theaterbesitzer und seit 2003 Präsident des FC St.Pauli.

Auch das ist Unsinn. Für uns war die Frage, wie wir Fanrechte wahren und gleichzeitig Sicherheit gewährleisten. So ist das Ergebnis von 500 Gästekarten zustande gekommen. Und es lässt sich nicht wegreden, dass diese Partie die erste gegen Rostock seit zehn Jahren war, bei der es keine gewaltsamen Auseinandersetzungen gegeben hat.

Gerade das aber erhöht die Gefahr eines Präzedenzfalls nach dem Motto: Sperren wir die Gästefans aus, herrscht Ruhe.

Die Polizei hatte bereits eine Verfügung auf dem Tisch liegen, die null Gästefans vorsah. Wäre sie mit dieser Verfügung vor Gericht erfolgreich gewesen, was unsere juristischen Experten für wahrscheinlich gehalten hätten, dann wäre das in der Tat ein Präzedenzfall gewesen, der weite Kreise gezogen hätte. Deshalb war es klüger, sich einvernehmlich zu einigen, um ein solches Exempel zu verhindern.

Apropos Nulllösung: DFL-Geschäftsführer Hieronymus behauptet, Sie hätten darauf gedrängt, dass die DFL den FC St. Pauli anweist, gar keine Karten an Gästefans auszugeben.

Das ist schon deshalb falsch, weil die DFL das gar nicht verfügen kann. Wir haben der DFL und dem DFB vorgeschlagen, die Rostocker sollten doch für ihre Fans die Verantwortung übernehmen.

Wie hilfreich war die DFL in diesem Sicherheitsdiskurs?

Sie hat diesen Diskurs moderiert. Ob das ausreicht, mag jeder selber entscheiden. Ich sehe die Notwendigkeit, dass DFL und DFB gemeinsam mit den Vereinen vor einem Spiel Strategien entwickeln, wie für Sicherheit gesorgt werden kann, statt nur hinterher Sanktionen auszusprechen, wenn es zu Auseinandersetzungen gekommen ist.

Was können die Vereine dabei tun?

Die Frage an uns Vereine ist, wie weit sie dafür verantwortlich sind, was sich außerhalb der Stadien abspielt und wie wir über intensive Fanarbeit und -betreuung hier Einfluss nehmen können. Wenn wir uns auf den Standpunkt stellen, dass allein die Polizei zu regeln hat, was im Umfeld der Stadien abgeht, sind repressive Maßnahmen die Folge, die nicht nur dem Fußball schaden.

Zum Beispiel?

In Mönchengladbach hat die Polizei etwa eine Bannmeile rund um das Stadion verfügt, in der kein Alkohol ausgeschenkt werden durfte. Aufs Millerntor übertragen hieße das, die Reeperbahn und das Schanzenviertel trocken zu legen.

Als Reaktion auf die Kontingentierung hat die USP beim Spiel gegen Rostock Teile der Hamburger Fans daran gehindert, die Südtribüne vor Spielbeginn zu betreten. Sie haben nach dieser Blockade Konsequenzen für die USP angedroht - wie werden diese aussehen?

Die Blockade ist auf heftigen Widerspruch von großen Teilen der Fanszene gestoßen. Wir werten derzeit die Berichte aus und werden als Präsidium heute darüber zusammen mit dem Fanladen und der USP sprechen, die Angelegenheit abschließend beraten und Entscheidungen treffen.

Die USP hat sich teilweise von der Blockade-Aktion distanziert - reicht das?

Da möchte ich den heutigen Gesprächen nicht vorgreifen. Erfreulicherweise ist in dem USP-Papier ja schon mal eine andere Diktion erkennbar.

Mit dem Wissen von heute: Was würden Sie in der Rostock-Debatte anders machen?

Im Rückblick hätten wir noch intensiver mit unseren Fangruppen über die Problematik diskutieren sollen. Die Diskussion um Fanrechte und Sicherheitserwägungen ist jetzt aber angestoßen worden und ich hoffe, dass sie sich konstruktiv weiter entwickelt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.