Geochemiker zu Bohrinsel-Unfall: "Die Ausbeutung der Meere nimmt zu"

Der Geochemiker Lorenz Schwark sagt: Die Sicherheitsstandars für Bohrinseln sind strikt genug. Doch in Zukunft muss man immer tiefer tauchen. Da ist es dunkel – Lecks zu beheben wird komplizierter.

Maunsell Sea Forts: Erbaut im Zweiten Weltkrieg, um Großbritannien zu verteidigen. Bild: Phil Hollman – Lizenz: CC-BY

taz: Herr Schwark, 159 Tonnen Rohöl laufen derzeit täglich in den Golf von Mexiko. Ist das eine gefährliche Menge?

Lorenz Schwark: Nein, glücklicherweise ist das bis jetzt sehr wenig. Das Öl wird sich wohl im Golf verteilen und teils an der Meeresoberfläche verdampfen, teils auf dem Meeresboden abgebaut. Allerdings war die bislang schlimmste Katastrophe der maritimen Ölförderung 1979 ganz ähnlich gelagert. Damals waren im Golf von Mexiko 500.000 Tonnen Öl ins Meer gelaufen, nachdem die Plattform Ixtoc-1 sank. Das Leck konnte zehn Monate lang nicht gestopft werden. Das hatte schwerwiegende ökologische Folgen, Muschelbänke, Schildkröten, Vögel und Fische haben massiv gelitten. Das könnte natürlich auch hier drohen.

Experten gehen davon aus, das Loch monatelang nicht schließen zu können. Lässt sich eine Katastrophe verhindern?

48, ist Erdöl- und Geochemiker an der Uni Kiel. Dort erforscht er, wie sich Erdöl bildet und im Untergrund bewegt. Außerdem befasst er sich mit Umwelt-Geochemie, insbesondere der Luftqualität.

Neben Entlastungsbohrungen, die den Druck abschwächen und es ermöglichen, das Bohrloch mit Zement zu füllen, könnte eine Metallglocke über den Bereich gesenkt und das austretende Öl abgesaugt werden.

Sind die Sicherheitsstandards zu niedrig?

Nein, die Sicherheitsmaßnahmen sind strikt. Das resultiert auch aus der Tatsache, dass die Investitionssummen für Ölplattformen sehr hoch sind, ab 500 Millionen Dollar aufwärts. Keine Leasingfirma würde das finanzieren, wenn die Risiken nicht so niedrig wie möglich gehalten würden.

Wer legt die Sicherheitsstandards fest?

Zum einen haben die Betreiberfirmen wie Transocean eigene Standards. Außerdem greifen nach internationalem Seerecht innerhalb von 370 Kilometern die Bestimmungen der Länder, vor deren Küsten Öl gefördert wird. Außerhalb dieser Zonen ist das Wasser meist so tief, das es kaum Aktivitäten gibt. Problematisch sind allerdings weniger mangelhafte Bestimmungen als ihre Überwachung. Die funktioniert in den USA gut, in anderen Staaten hingegen nicht so. Im Einzelfall lassen sich fehlende Kontrollen allerdings schwer nachweisen.

Ist die Förderung oder der Schiffstransport von Öl gefährlicher?

Die Förderung, weil größere Mengen austreten können, wenn Sie einmal ein Loch in den Meeresboden gebohrt und eine Lagerstätte erreicht haben. Zwar sind Schiffe gefährdeter, doch können Sie immer nur begrenzte Mengen freisetzen.

Es wird immer mehr Öl im Meer gefördert. Wie gefährlich ist das?

Gigantische Lagerstätten werden derzeit vor allem in der Tiefsee gefunden, ab 2.000 Metern. Dort nimmt die Ausbeutung dramatisch zu, vor allem vor den Küsten Brasiliens und Westafrikas. Zugleich birgt sie große technische Herausforderungen: Dort können Sie nur mit Robotern arbeiten, so tief kann kein Mensch tauchen. Außerdem ist es dort dunkel - Lecks können nur schwer behoben werden. Das ist ein massives Problem.

Erwarten Sie dort größere Unfälle?

Statistisch ist das einfach: Je mehr Aktivitäten es gibt, desto größer ist auch die Zahl der möglichen Unfälle.

Das heißt?

Die Umweltprobleme, die die Erdölforderung an Land etwa in Russland verursacht, sind viel größer. Dort gehen rund 20 Prozent des geförderten Öls aufgrund von Unfällen und Sabotage verloren. Und etwa 30 Prozent der Gase, die bei der Förderung als Nebenprodukt austreten, werden einfach abgefackelt. Meist ist das äußerst klimaschädliches Methan. Das sind Mengen, die umfassen nahezu die Pkw-Flotte Westeuropas. Das sollte man mit dem Unfall im Golf von Mexiko ins Verhältnis setzen.

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