Stop-Motion-Film von Wes Anderson: Ein Fuchs in der Midlife-Crisis

Der amerikanische Regisseur Wes Anderson verfilmt Roald Dahls Kinderbuch "Der fantastische Mr. Fox" als Animationsfilm und macht daraus ein komplexes Beziehungsdrama.

George Clooney und Meryl Streep. Ähm, natürlich nur deren Stimmen. Bild: ap

In den letzten Jahren erinnerte Wes Anderson immer mehr an eine Figur aus seinen Filmen. Wie die Söhne und Töchter des titelgebenden Familienoberhaupts aus "Die Royal Tenenbaums" schien er auf die Rolle des ehemaligen Junggenies festgelegt, das die hohen Erwartungen nie ganz erfüllen konnte.

Gerade mal Ende 20 war der gebürtige Texaner, als sein zweiter Langfilm "Rushmore" (1998) anlief und er als große Entdeckung des US-Kinos gefeiert wurde, mit "Die Royal Tenenbaums" (2001) kam der Erfolg an den Kinokassen hinzu. Doch seitdem stießen seine Filme auf abnehmendes Interesse bei Kritik und Publikum. Mit "Der fantastische Mr. Fox" hat sich der mittlerweile 41-Jährige jetzt ein gutes Stück aus der Karriere-Sackgasse befreit.

Das Mittel dazu ist so nahe liegend, dass sich die Frage aufdrängt, warum er nicht schon früher darauf gekommen ist: Anderson ist vom Real- zum Animationsfilm gewechselt - dem perfekten Genre für Regisseure mit Hang zum Kontrollzwang und Weltschöpfungswahn. Anderson hat schon immer völlig eigene Mikrokosmen erschaffen und minutiös kontrolliert. Seine Sets wirken wie kostbare Dioramen untergegangener Welten und Zeiten, bewohnt von sonderlichen Kreaturen und Charakteren, deren Exzentrik nur noch von ihrem milden Weltschmerz übertroffen wird. Nirgendwo lässt sich dieser überbordende Anti-Realismus besser verwirklichen als im Animationsfilm - dem von der äußeren Realität unabhängigsten aller Filmgenres.

Dass der passionierte Cordanzug-Träger für seinen Trickfilm keine Armada von Computeranimateuren benötigt, dürfte jeder ahnen, der jemals einen seiner Filme gesehen hat. Stattdessen greift er auf das nur scheinbar altmodische Mittel der Stop-Motion-Puppenanimation zurück. Im Musikvideo hat diese früher auch in Realfilmen für Tricksequenzen verwendete Technik in den letzten Jahren ein Revival erfahren, an dem der Do-it-yourself-Illusionist Michel Gondry einen großen Anteil hatte. Bei den diesjährigen Oscar-Nominierungen in der Sparte Animationsfilm basierten gleich zwei der fünf Filme auf Stop-Motion-Technik, neben "Der fantastische Mr. Fox" noch "Coraline" von Henry Selick. In Letzterem sehen die Bewegungen der Puppen allerdings so flüssig aus, dass man kaum glauben mag, der Computer habe nicht nachgeholfen, während Andersons Figuren so eckig stolzieren und gestikulieren, wie man es von den Monstern des Altmeisters der Stop-Motion-Animation Ray Harryhausen kennt.

Gerade durch diese "fehlerhaften" Bewegungen kommen nie Zweifel daran auf, dass man einem Puppenspiel zuschaut. Das verleiht dem Stop-Motion-Film eine physische Präsenz, die anderen Formen des Animationsfilms fehlt. Werden Andersons Filme sonst häufig als zu kontrolliert und damit leblos kritisiert, läuft dieser Vorwurf hier zwangsläufig ins Leere: Improvisiert werden kann bei dieser Technik sowieso nicht, der Lebendigkeit sind natürliche Grenzen gesetzt.

Der bessere Tiertrainer

Roald Dahls Kinderbuch "Der fantastische Mr. Fox" ließe sich auch gar nicht anders ins Kino bringen als in Form eines Trickfilms. Das Figurenpersonal des Buchs - Füchse, Dachse und eine ganze Schar verschiedener Nager - könnte auch der talentierteste Tiertrainer nicht bändigen und zusammen agieren lassen. Als lustigen Kumpel des Titelhelden erfindet Anderson und sein Ko-Drehbuchautor Noah Baumbach noch ein Opossum hinzu, das eigentlich in der britischen Fauna nichts zu suchen hat. Eine typische Idee des Regisseurs: Es gehört zu seinen Markenzeichen, dass sich Ort und Zeit in seinen Werken nicht genau bestimmen lassen - sie spielen immer zur Anderson-Zeit in der Anderson-Welt.

Trotz erweitertem Figurenkreis ist die Geschichte in den Grundzügen die gleiche geblieben: Es geht um den schlauen Mr. Fox, der den Großbauern Boggis, Bean und Bunce ein ums andere Mal das Federvieh aus den Ställen stibitzt, bis es ihnen zu bunt wird. Mit schweren Maschinen rücken die bösen Zweibeiner aus, um gleich der ganzen Fuchs-Familie den Garaus zu machen. Doch die buddelt sich geschwind immer tiefer in die Erde und kann dabei auf die Solidarität der anderen Tiere zählen.

Das Problem, vor dem Anderson und Baumbach standen, ähnelt dem von Spike Jonze bei seiner Adaption von "Wo die wilden Kerle wohnen": Ein bekanntes und beliebtes, aber recht schmales Kinderbuch musste auf Spielfilmlänge gestreckt werden. Ihre Lösung ist ähnlich ausgefallen: Am Handlungsgerüst wurde wenig geändert, aber die Figuren und ihre Beziehungen komplexer ausgestaltet.

Anders als bei Dahl muss Familie Fox nicht nur die Bauern austricksen, sondern auch innerfamiliäre Spannungen bewältigen. Mr. Fox hat in der Filmversion nicht mehr vier Kinder, sondern nur einen etwas exzentrischen Sohn, Ash, der um die Anerkennung seines Vaters kämpft. Im Wege steht ihm dabei sein ungefähr gleichaltriger Cousin Kristofferson, der alles besser zu können scheint und schnell den Respekt des Familienpatriarchen erlangt. Die Eheleute Fox müssen währenddessen ihre eigene Krise durchstehen, da Mr. Fox sein Versprechen gebrochen hat, kein Federvieh mehr bei den Bauern zu rauben - was jetzt die ganze Familie und alle Nachbarn in Gefahr bringt.

Väter und Füchse

So richtig übel nehmen kann ihm allerdings niemand etwas, dafür ist er zu charmant und charismatisch (George Clooney spricht ihn im Original - die perfekte Wahl). Mr. Fox reiht sich nahtlos in eine Reihe mit Royal Tenenbaum und Steve Zizou ein, den anderen ebenso unverantwortlichen wie liebenswerten Vaterfiguren in Andersons Werk. Und wie seine beiden menschlichen Entsprechungen leidet auch Mr. Fox unter deutlichen Symptomen einer Midlife-Crisis. Mit dem ruhigen Leben als gesitteter Familienmensch mag er sich ganz abfinden.

"Wer bin ich? Warum ein Fuchs? Kann ein Fuchs jemals glücklich sein ohne ein Huhn zwischen den Zähnen", sinniert er in einer Szene. Das ist die Hauptfrage, die Anderson an dieser Fabel interessiert: Kann man aus seiner Haut? Nicht wirklich, sagt der Film.

Der Amerikaner ist allerdings weniger ehrlich als der Brite darin, zu veranschaulichen, was das heißt. Während Dahl über Mr. Fox schreibt "mit einer geschickten Bewegung seines Kiefers tötete er die Hühner auf der Stelle", schaut Andersons Kamera verschämt weg, wenn der Titelheld seinem tödlichen Naturtrieb folgt. Wild wird Mr. Fox stattdessen am fein gedeckten heimischen Esstisch beim Verzehr der morgendlichen Pancakes.

Die Übereinstimmungen beim Plot überdecken, wie sehr sich die Filmversion vom Buch unterscheidet. Steckt hinter Dahls Kinderbuch eine geradezu klassenkämpferische Haltung (stehlt bei den Reichen, gebt es den Armen), hat Anderson es geschafft, die Geschichte komplett in seinen eigenen Kosmos zu übertragen, in dem es weniger um Ideologie als um die Neurosen der Hauptfiguren geht. Das mag man als Eskapismus kritisieren, unbestreitbar ist aber, dass in Hollywood kein anderer Regisseur derart augenfällig seine ganz persönliche Vision durchzusetzen weiß.

"Der fantastische Mr. Fox". Regie: Wes Anderson. USA 2009, 87 Min.

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