Prozess gegen Jörg Tauss: Ein Satz, der für Furore sorgt
Der Ex-Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss steht wegen des Besitzes von Kinderpornos vor Gericht: "Es kamen Bundestagsabgeordnete in mein Büro, um Pornographie zu betrachten."

Will kinderpornografisches Material aus Recherchegründen besessen haben: Der Ex-SPD-Abgeordnete Jörg Tauss steht vor Gericht. Bild: reuters
KARLSRUHE taz | Vor dem Karlsruher Landgericht hat der Prozess gegen den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 56-Jährigen vor, sich unter dem Decknamen "Werner" kinder- und jugendpornographische Bilder und Videos verschafft zu haben und diese in einzelnen Fällen auch an vier weitere Personen versendet zu haben. Auf den Bildern und Videos ist laut Anklage auch Missbrauch zu sehen. Das Alter der Kinder betrage in vielen Fällen sechs bis zehn Jahre, in einem Fall sogar nur ein bis zwei Jahre.
Tauss bestreitet die Vorwürfe nicht. "Ich habe dieses Material besessen, ich habe dieses Material beschafft", sagte er am Dienstag. Er glaubt aber, als Internetexperte der SPD-Fraktion hierzu berechtigt gewesen zu sein. Er und seine Anwälte blieben bei ihrer Verteidigungslinie: Tauss habe in der Szene recherchiert, um mehr über die Vertriebswege von Kinderpornografie herauszufinden. In dem Verfahren werde es nur um eines gehen, sagte Tauss' Anwalt Michael Rosenthal: "Durfte er oder durfte er nicht."
Staatsanwältin Stephanie Egerer-Uhrig nahm sich am Dienstag eineinhalb Stunden Zeit, um den Inhalt der bei Tauss sichergestellten Dateien zu referieren. Es sind hässliche Details, die Egerer-Uhrig vortrug. So fanden sich auf dem Handy des Ex-SPD-Politikers unter anderem Bilder, die Analverkehr zwischen Erwachsenen und sechs bis acht Jahre alten Jungen zeigen. Auf einem anderen Bild ist ein mit Sperma bedeckter Kinderkörper zu sehen. Ein weiteres zeigt eine Frau beim Oralverkehr an einem ein- bis zwei Jahre altem Kind. Der Begrüßungstext auf dem Handy soll laut einer kriminaltechnischen Untersuchung gelautet haben: "Hallo Werner".
Auf drei DVDs, die Fahnder am 5. März 2009 in Tauss' Berliner Wohnung fanden, sind laut Anklage mehrere Stunden an kinder- und jugendpornographischen Videos, darunter auch Analverkehr von Erwachsenen mit Kindern und von Kindern untereinander.
Tauss wirkte zum Prozessauftakt angespannt, aber gefasst. Er argumentierte, sich schon lange als Abgeordneter mit dem Internet und dem Thema Kinderpornografie befasst zu haben. Von der Bundesregierung und dem BKA habe er sich unzureichend informiert gefühlt - und deshalb auf eigene Faust über eine Telefonhotline die Recherche in der Kinderpornoszene aufgenommen. "Ich habe mich immer etwas unorthodox um die Dinge gekümmert", sagte er.
Gleichzeitig räumte Tauss vor Gericht überraschend ein, schon in den 90er-Jahren Kinderpornomaterial besessen zu haben. Es sei bekannt gewesen, dass er sich als Experte mit dem Thema befasse. "Es kamen Bundestagsabgeordnete in mein Büro, um Pornographie zu betrachten", sagte Tauss. Ein Satz, der noch für Furore sorgen könnte.
Tauss' Verteidiger kritisierten erneut das Vorgehen der Staatsanwaltschaft. So habe die Durchsuchung von Tauss' Räumen just an dem Tag stattgefunden, an dem im Bundestag die Internetsperren Thema waren, die Tauss ablehnt. "Die Staatsanwaltschaft hat ihn fertig gemacht", sagte Verteidiger Rosenthal.
Staatsanwältin Egerer-Uhrig wehrte sich. "Herr Tauss ist hier nicht, weil er Abgeordneter war oder irgendeiner politischen Partei angehört", sagte sie. "Herr Tauss ist hier, weil er Kinderpornos versendet, sich verschafft und besessen hat." Im Juni 2009 verließ Tauss die SPD und trat der Piratenpartei bei. Die stellte sich zum Prozessauftakt demonstrativ hinter Tauss. Ein Urteil wird für Ende nächster Woche erwartet.
Leser*innenkommentare
Teatime
Gast
@Tea
"ob ihm dabei noch was abging, wäre mir auch egal"
Wie meinst du das? Das es seriöser ist wenn Untersuchungen zu Kinderpornographie von deren Konsumenten durchgeführt werden?
Nach wie vor ist mir nicht klar ob Tauss wirklich nur "recherchieren" wollte oder die sogenannte Recherche aus Eigenbedarf betrieben hat. Wenn die Absicht seriös war, betone WENN, hat er sich ziemlich blöd angestellt und seiner Sache bloß geschadet.
So oder so finde ich das Urteil angemessen und deinen oben zitierten Satz ziemlich geschmacklos!
Teta
Gast
Ehrlich gesagt, würde ich mir mehr Politiker wie Tauss wünschen, denn von allen mir bekannten zeigt er so ziemlich als einziger genug Rückgrat, zu der Scheisse zu stehen und wer mal seinen Blog gelesen hat, dürfte auch erkennen, das er als einer der ganz wenigen Politiker auch Ahnung von seinem Gebiet hat.
Ich schätze sogar, er hat mehr Ahnung im kleinen Finger von seinem (ehemaligem) Aufgabengebiet als die halbe Regierung zusammengeworfen.
Ob ich ihm seine Version glaube? Ja. Und selbst wenn sie nur teilweise oder nicht stimmt, hat er bewiesen das er Rückgrat hat und fähig ist, und damit würde ich ihn zukünftig für genau seine beschriebene Version seiner Aufgabe anheuern, denn er dürfte mindestens genau so viel entdeckt haben, wie so mancher Profi-Fahnder und er ist sich nicht zu schade, auch ins Drecksloch zu steigen (ob ihm dabei noch was abging, wäre mir auch egal).
Moritz
Gast
Der Herr TAUSS gehört ins Gefängnis.
Pirat321
Gast
So! Warum Tauss auf seinem Handy die Sachen hatte? Warum er nicht da sBKA z.b einbezogen hat?
WEIL er geschrieben hatte das das BKA lügt indem es behauptet Kipo würde haupsächlich über das Inet verbreitet und nur die Netzsperren könnten eine Aufklärung bringen...
Ich denke er unterstellte dem BKA eine Art Druckmittel um das Gesetz durchzudrücken..denn wer freut sich nicht über mehr Maßnahmen um Bürger zu überwachen als...Staatsorgane?! Also da wär ich auch vorsichtig... Ok es war trottelig von ihm kein Tagebuch oder so zu machen..aber ich denke diesen Fehler wird er nie wiede rmachen..selbst bei einem freispruch ist sein Leben sogut wie im "A." . Ausser die Leute können einem naiven Tr. verzeihen...
Die Piratenpartei war die einzige Partei die die Unschuldsvermutung(solange Unschludig bis man verurteilt ist) hochielt während viele sich von ihm abwendeten..Fragen Sie doch mal seine Frau?
Wolf Schmidt
Gast
@ bernd, s. ooker, sebastian niemeyer:
Der letzte Absatz ist durch Kürzung tatsächlich etwas missverständlich geworden. Hier der Absatz in der Fassung, wie er im Text vor dem Prozess stand:
In Folge der Kinderporno-Funde war Tauss von allen seinen Ämtern in der SPD zurückgetreten, darunter das des baden-württembergischen Generalsekretärs. Im Juni 2009 verließ er die SPD und trat der Piratenpartei bei.
http://www.taz.de/1/leben/koepfe/artikel/1/ex-abgeordneter-tauss-vor-gericht/
Tohei
Gast
Dass sich Piraten "bei Prozessauftakt demonstrativ hinter Tauss gestellt" hätten weiss ich nichts, da hätt ich gern mehr Informationen.
Was ich weiss ist, dass Tauss bei den Piraten aufgrund der _Unschuldsvermutung_ entsprechend gleichwertig behandelt wurde wie jeder andere.
Alles andere wird nach dem Prozess entschieden.
Tabberta
Gast
Wie Tauss einräumt besitzt er bereits seit 1990 Kinderporno. Hat denn seine 20jährige Recherche der Vertriebswege zu irgendeinem Ergebnis, zu Ermittlungen bzw. Verhaftungen geführt? Material für Strafanzeigen hat er genug besessen. In seiner Position wäre er verpflichtet gewesen sich schützend vor die Kinder zu stellen! Pfui Tauss! Das Virchow Klinikum bietet Therapien für Pädophile und Onlinesexsüchtige an!
Jens Karbrüggen
Gast
Ich verlange hier von der taz eine eindeutige Quelle zu nennen, wie sie zu der Aussage kommt, die Piratenpartei würde sich zum Prozessauftakt demonstrativ hinter ihn stellen!
Wo hat das die Piratenpartei bei Prozessauftakt gesagt???
Das ist eine absolut krasse Lüge!
Dingenskirchen
Gast
@Piefke
Sie können sich nicht vorstellen, dass Pädophile so moderne Verbreitungsmedien benutzen wie Handies und Smartphones, Bluetooth-Verbindungen, Emails und MMS?
@Thomas Braun
Entlarvend finde ich Ihren Kommentar hinsichtlich des Aspektes, sich über Dinge umfassend zu informieren, über die man spricht. Herrn Tauss traue ich zu, dass er es tut. Bei Ihnen bin ich mir nicht sicher.
@Dietpahls
Jeder hat das Recht auf Dummheit. Die einen leben sie in der Ehe aus, die anderen im Job, und wieder andere gegen zu Hertha BSC...
hto
Gast
Im "freiheitlichen" System der Bildung zu Suppenkaspermentalität auf Sündenbocksuche, steigt die Wahrscheinlichkeit der emotionalen Verkommenheit, je höher der Stand in der Hierarchie von materialistischer "Absicherung" - funktionale Intelligenz, für die "Vernunft wettbewerbsorientiertem Wirtschaftens", hat möglichst kein Bewußtsein!?
Sebastian Niemeyer
Gast
Tauss hat die SPD wegen der Internet Sperren von Ursula verlassen.
Und so weit ich das beurteilen kann war er da schon gegen lange bevor diese Ermittlungen gegen ihn begangen.
Fügen wir noch hinzu das die I-Net sperren ironischer weise der Perfekte Schutz für KiPo sharer gewesen wären, so sieht dieser Zusammenhang nicht mehr ganz so fies aus.
Schlimm genug ist das ganze dennoch...
Claudia Mertens
Gast
Wer kann glauben, dass ein Politiker das alles inoffiziell machen muss? Warum die Daten, wenn es ein offizieller Auftrag ist, auf privaten Datenträgern? Und, gibt es nicht Profis, die in diesen Bereichen recherchieren? Warum kannte keine offizielle Stelle seine Recherchen? Im Zweifel für den Angeklagten? Und wer ist im Zweifel für die Opfer? Ich bin der Meinung, dass, wenn er nicht zweifelsfrei seine Unschuld beweisen kann, er die Konsequenzen tragen muss! Wenn er trotzdem unschuldig ist, hat er Pech, dass er so dumm die Sache angegangen ist! Ich finde, die Kinder brauchen endlich Menschen die sie hemmungslos unterstützen!
Mat
Gast
@ Bernd:
Na klar, wer´s glaubt...
M.E, ist Tauss aus der SPD ausgetreten, weil seine politische Karriere in dieser Partei beendet war.
Und wenn ich mir das Ganze so ansehe, dann kann ich nur sagen: Gott sei Dank ist diese politische Karriere zuende.
Das ausgerechnet die Piraten Tauss noch aufgenommen haben und völlig kritiklos ihm eine Plattform anbieten besagt einiges über diese Partei. Ich persönlich nenne das bestenfalls naiv und dumm. Ich bin gespannt, wie die Piraten mit Tauss umgehen, wenn er verurteilt wird - und das wird er hoffentlich, denn seine Geschichte ist m.E. absolut unglaubwürdig. So wie sie es derzeit halten, werdeen sie über kurz oder lang zum Sammelbecken für Pädophile - aber vielleicht sind sie das ja auch schon längst.
Karin Haertel
Gast
Der Besitz ist strafbar und so soll hier ohne Ansehen der Person Recht gesprochen werden. Und wie glaubhaft sind seine verniedlichten Beteuerungen, wenn man die Filmchen im Schlafzimmer findet und das gleich in unvorstellbaren Mengen.
Anti-Pirat
Gast
Ob Herr Tauss jetzt "durfte" oder nicht, soll das Gericht beurteilen - ich fürchte allerdings, dass dabei so ein "bisschen-schwanger"-Kompromiss, also eine Geld- oder Bewährungsstrafe, herauskommt.
Wenn er aber tatsächlich gedurft haben sollte, stellt sich die Frage (ungeachtet zahlreicher Anschauungsobjekte), wie dämlich ein hoch alimentierter Bundestagsabgeordneter eigentlich sein darf: Wenn ich mich schon als "verdeckter Ermittler" aufspiele, der der Polizei mal so richtig zeigt, wie man Verbrecher fängt, sichere ich mich wenigstens ab, indem ich rechtzeitig für vertrauenswürdige Mitwisser (bzw. bevorzugt -innen, und sei es "nur" die Sekretärin) sorge, die meine gute Absicht bezeugen können.
Glückwunsch also an die SPD, die Koryphäe los zu sein. Den "Piraten", also der Partei, die sich zeitgeistig stolz und infantil nach üblen Kriminellen benennt, gönne ich ihn von Herzen.
boelwerkr
Gast
"Herr Tauss ist hier nicht, weil er Abgeordneter war oder irgendeiner politischen Partei angehört" [...] "Herr Tauss ist hier, weil er Kinderpornos versendet, sich verschafft und besessen hat."
Es ist zu klären ob er als Abgeordneter oder als Privatperson handelte. Das macht aus meiner Sicht einen großen unterschied.
Martin
Gast
Warum hat man zu "Recherchezwecken" Kinderpornographie auf dem Handy?
Piefke
Gast
Wozu muss man Kinderpornos auf sein Handy ziehen? Mit Recherchegründen kann das nichts zu tun haben.
lampe
Gast
@tauss Gegendarstellung fordern bitte. Miese Recherche Leute!
Thomas Braun
Gast
Unter dem Deckmantel eines angeblichen Abgeordnetenauftrages seine Perversitäten pflegen, pfui Teufel, und sich dann noch zum Ermittler aufschwingen wollen, kannte der Herr Abgeordnete a.D. nicht die Gewaltenteilung in unserem Staat? Sehr entlarvend, seine Verteidigungsstrategie!
Bernd
Gast
Tauss hat die SPD nicht in Folge der Pornofunde verlassen, sondern in Folge der Zustimmung seiner damaligen Partei zum Zugangserschwernisgesetzes. Das ist ein dann doch ein bedeutender Unterschied, wie ich meine.
Dietpahls
Gast
Es mag ja so sein, wie Tauss es schildert, aber warum hat er sich dann icht vorab rechtlich abgesichert indem er z.B. einem Rechtsanwalt oder jemanden bei den Strafverfolgungsbehörden eingeweiht hat. Im Nachhinein klingt das so hilflos wie wir es vom Doping im Sport her kennen.
S.Ooker
Gast
"In Folge der Kinderpornofunde verließ Tauss im Juni 2009 die SPD und trat der Piratenpartei bei."
Was? Wegen dem Netzsperrengesetz verließ Tauss mE die SPD, das andere macht keinen Sinn
Anton
Gast
"In Folge der Kinderpornofunde verließ Tauss im Juni 2009 die SPD und trat der Piratenpartei bei."
In Folge der Kinderpornofunde verließ Tauss wohl die SPD, aber trat aus dem gleichen Grund sicher nicht den Piraten bei.
Schlecht platzierte Wörter, wie dieses "und" können einem kleinen Satz einen ganz anderen Inhalt geben.