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Neue Arbeitsgruppe beim AK VorratAktivisten wollen Volkszählung kippen

Gegen den geplanten Zensus 2011 will der AK Vorrat Verfassungsbeschwerde einreichen. Die Datenerhebung würde Rückschlüsse auf Einzelpersonen zulassen.

Die letzte Volkszählung fand in der Bundesrepublik 1987 statt, damals unter heftigen Protesten. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Datenschutzinitiative Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) bereitet eine Verfassungsbeschwerde gegen die geplante Volkszählung im kommenden Jahr vor. Dafür hat sich eine Arbeitsgruppe gebildet, die in den kommenden Wochen eine juristische Möglichkeiten ausloten und eine Öffentlichkeitskampagne vorbereiten will.

"Da wird eine große Datenbank geschaffen, die auf vielen Seiten Begehrlichkeiten auslösen wird", sagte Suat Kasem, eine Sprecherin des AK Vorrat, der taz. Konkret hat die Arbeitsgruppe Angst, die Daten könnten Hacker-Angriffen, Diebstahl oder gar Missbrauch ausgesetzt werden.

Der Bundestag hatte im vergangenen Sommer das Zensusgesetz beschlossen und damit einer EU-Richtlinie entsprochen. Demnach sollen unter anderem Daten zu Geschlecht, Alter und Familienstand sowie Erwerbsstatus und Arbeitsort erhoben werden. Zusätzlich erfasst der Zensus in Deutschland auch die Religionszugehörigkeit, sowie die Staatsangehörigkeit der Eltern. Der größte Teil der Daten wird öffentlichen Datenbanken entnommen, beispielsweise von Meldeämtern oder der Arbeitsagentur. Zum Abgleich der Ämterzahlen mit der Wirklichkeit werden etwa zehn Prozent der Bevölkerung außerdem zu einer persönlichen Befragung verpflichtet.

Begründet wird der Zensus vor allem mit veralteten Daten, die nun erneuert werden sollen. Die letzte Volkszählung gab es in der Bundesrepublik 1987, damals unter heftigen Protesten, und in der DDR 1981. Laut Bundesamt für Statistik wurden die Daten von damals weiter geführt, allerdings seien sie nun veraltet. Beispielsweise werde davon ausgegangen, dass die Bevölkerungszahl um 1,3 Millionen überschätzt wird.

„Wir sind gegen die Zusammenführung so vieler Einzeldaten", so AK Vorrat-Sprecherin Kasem. Problematisch sei, dass unterschiedliche Daten über Personen durch eine eindeutige Kennziffer zusammengeführt werden sollen. Diese Ziffer ermögliche es, von den Daten wieder auf Personen zu schließen, was dem Volkszählungsurteil von 1983 widerspreche. Überhaupt sei die Nutzung der amtlichen Register fragwürdig, so Kasem: "Die Daten in öffentlichen Registern werden durch die Volkszählung zweckentfremdet." Das verletze das Recht der Bürger auf informationelle Selbstbestimmung.

In den kommenden Tagen und Wochen will die Arbeitsgruppe ihre Pläne weiter konkretisieren und eine Internetseite einrichten. Bis zum 15. Juli kann gegen das Zensusgesetz Beschwerde eingelegt werden. Im März hatte der AK Vorrat mit einer Beschwerde vor Verfassungsgericht bereits das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung gekippt.

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6 Kommentare

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  • A
    Andrea

    @Michael: Besser spät als nie! Ich möchte nicht, dass meine Daten zentral gespeichert werden und das auch noch zu "statistischen Zwecken". Das ist ein quasi öffentliches Register.

     

    Man könnte fast meinen, dass es dich stört, wenn AK Vorrat und CCC nun doch ernst machen.

  • M
    MontiBurns

    immer diese Aufregung ... einfach bei Facebook, Ebay und Payback nachfragen... und wenns etwas ernster sein soll bei Schufa, GEZ und Privatbank... da hat jeder einzelne mehr Daten als der Staat jemals abfragen kann. Und wer was persönliches wissen will, nur mal in Berlin in die U-Bahn setzen und Menschen beim telefonieren zuhören...da weiß man ALLES...immer schön aufregen, wäre ja schade man nicht gegen irgendetwas sein könnte....

  • T
    THO

    Genau die können mich gerne mal Zwingen... Ich muss die noch nichtmal in meine Wohnung lassen... (lesen die eigentlich nie ihr eigenes Grundgesetz wenn sie was beschließen ?) Ich antworte jedenfalls nicht auf deren Fragen!

  • S
    Sauerbraten80

    Nicht genug, dass Angaben zu meiner Person aus verschiedenen Datenbanken zusammen gelegt werden und ich mir nicht wirklich sicher sein kann, wer darauf zugreift und mit welchen Intentionen.

     

    Besonders empört mich aber folgendes:

     

    "Zum Abgleich der Ämterzahlen mit der Wirklichkeit werden etwa zehn Prozent der Bevölkerung außerdem zu einer persönlichen Befragung verpflichtet."

     

    Ja, nee, is klar. Ich lass mich doch nicht unter Strafandrohung dazu zwingen, wildfremden Menschen in einem Gespräch persönliche Dinge offenzulegen. Staatlich erzwungener Seelenstriptease. Ohne mich.

  • B
    BerlinMarcus

    Gute Frage von Michael, wo die Aktivisten gegen die letzte Volkszählung sind... ich würde mal sagen, dass sie dazugelernt haben und wissen was sie damals für einen "Müll" produziert haben! Heutzutage geben die Leute für 3% Bonus mehr Info über sich freiwillig, als die Volkszählung damals wissen wollte!

     

    Das sind wirklich ewig Gestrige die da wieder aktiv werden...! Bitte erst infomieren warum ein Staat ein Volkszählung macht!

  • M
    Michael

    Das wurde ja auch langsam mal Zeit.

     

    Wenn ich mir überlege, wieviel Lärm (ob berechtigt oder nicht) um die letzte Volkszählung gemacht wurde, dann ist es dieses Mal schon sehr erstaunlich, dass sich bisher nichts rührt.

     

    Besonders, da das Zensusgesetz schon lange, lange verabschiedet ist und die Einspruchsfrist im Sommer ausläuft.

     

    Nicht umsonst stellte der CCC auf der SIGINT fest, dass wohl (mal wieder) die "üblichen Verdächtigen" (hier: der CCC) aktiv werden muss. Dass der AK Vorrat erst jetzt auf die Idee kommt, ist eher blamabel.

     

    Noch interessanter: wo sind eigentlich die Aktiven aus der letzten Anti-Volkszählungs-Szene? Alle verstummt?