: Angebot an die irakischen Sunniten
Am Rande einer Versöhnungskonferenz in Kairo kommt es zu ersten Kontakten zwischen der Regierung in Bagdad und den Aufständischen. Die sunnitischen Teilnehmer des Treffens fordern die Anerkennung des Kampfes gegen die Besatzung
AUS KAIRO KARIM EL-GAWHARY
Mit einem Gesprächsangebot des irakischen Präsidenten Dschalal Talabani an die irakischen Aufständischen ist gestern eine dreitägige Irakversöhnungskonferenz in Kairo zu Ende gegangen. „Wenn jene, die sich selbst als irakischen Widerstand bezeichnen, mich kontaktieren wollen, sind sie willkommen“, sagte Talabani. „Ich werde ihnen zuhören, selbst wenn sie Verbrecher sind“, fügte der Kurde hinzu.
Nach einem Bericht der arabischen Tageszeitung al-Hayat soll Talabani inoffiziell zugestimmt haben, sich in Bagdad oder in der Kurdenstadt Suleimania mit Vertretern der Guerilla zu treffen. Am Rande der von der Arabischen Liga unterstützten Konferenz sollen ihm bereits konkrete Vorschläge einzelner Guerillagruppen zugespielt worden sein. Deren Bedingungen für ein Ende der Gewalt würden derzeit in Kairo von Mitarbeitern des Pentagons und anderen US-Vertretern überprüft, heißt es in dem Zeitungsbericht. Talabani wollte sich dazu nicht äußern
In einem Abschlussdokument einigten sich die Delegierten darauf, bis Ende Februar eine weitere Versöhnungskonferenz in größerem Rahmen abzuhalten. Dort soll ein Zeitplan für den Abzug der ausländischen Truppen ausgehandelt werden. Alle irakischen Gruppen könnten daran teilnehmen, heißt es in dem Dokument – vorausgesetzt, sie legen die Waffen nieder.
Das Kairoer Treffen war ein erneuter Versuch, sunnitische Gruppen in den politischen Prozess des Landes einzubinden, um der hauptsächlich von Sunniten gespeisten Guerilla den Boden zu entziehen. Doch selbst die sunnitischen Vertreter in Kairo waren nicht bereit, sich vollständig von der Guerilla zu distanzieren. Im Gegenteil: Sie forderten von den anderen Teilnehmern, dass zumindest ein Teil der Aufständischen als politische Kraft anerkannt wird.
„Der wahre Widerstand, der gegen die Besatzer kämpft, sollte von allen Irakern anerkannt werden. Er sollte in den politischen Prozess eingebunden werden und nach seiner Meinung befragt werden, so dass wir am Ende einen Konsens bekommen, wie wir die Besatzung am besten loswerden können“, forderte Mohsen Abdel Hamid, der Chef der irakischen Islampartei, der größten politischen sunnitischen Organisation, gegenüber der taz in Kairo. „Alle Waffen, die sich gegen irakische Zivilisten und die Infrastruktur richten, gelten als Terrorismus oder Sabotage. Aber alle Waffen, die auf die Besatzung gerichtet sind, sollten gutgeheißen werden“, führte Abdel Hamid aus.
Bei der Einbindung in den politischen Prozess geht es vor allem um die Parlamentswahlen am 15. Dezember. Die letzten Wahlen im Januar waren von den sunnitischen Parteien boykottiert worden. Die sunnitischen Teilnehmer der Versöhnungskonferenz sprachen sich dafür aus, den bevorstehenden Urnengang nicht zu boykottieren. Die sunnitische Wahlbeteiligung gilt als Schlüssel für den Erfolg der Wahlen und für die Legitimität der zukünftigen irakischen Volkskammer.
Salah Mutlaq war einer der wenigen sunnitischen Unterhändler, die an der Ausarbeitung der Verfassung mitgearbeitet hatten, bevor er sich aus den Verhandlungen zurückzog, weil die sunnitischen Vorstellungen seiner Meinung nach nicht berücksichtigt worden waren. In Kairo gibt er sich gegenüber der taz im Hinblick auf die kommenden Wahlen skeptisch, wenngleich er zur Teilnahme aufruft. „Wir geben uns alle Mühe, die Leute zu mobilisieren“, sagt er. Doch er fürchtet, dass es zu Wahlbetrug kommen wird. Wie alle Sunniten auf der Kairoer Konferenz zweifelt auch er das Ergebnis des Verfassungsreferendums vom letzten Oktober an, bei dem der Entwurf trotz massiver Nein-Stimmen der Sunniten knapp angenommen worden war. Er habe Angst, dass sich derartiges wiederholen wird. Denn dann, prognostiziert Mutlaq, „werden alle, die heute noch an den politischen Prozess glauben, über Nacht zu den Waffen greifen“.