PIRATEN UND GESCHÄFTSLEUTE: Waffen für den Süd-Sudan

Warum fuhr die „Beluga Endurance“ voller Waffen aus der Ukraine Richtung ins Kriegsgebiet? Wer sind die Hintermänner? Der Bremer Journalist Rainer Kahrs ist dieser Frage nachgegangen – Ergebnis ist ein Hörfunk-Feature über die internationale Waffenszene.

Auch die "Beluga Endurance" hatte im Herbst 2008 Waffen geladen. Bild: Radio Bremen

Wenn irgendwo in der Welt nebulöse Waffengeschäfte gemacht werden, macht sich der Bremer Journalist Rainer Kahrs auf die Spur. Er scheut keine Reise, um Hintermänner und Umstände zu erkunden. Am Sonntag sendet Nordwest-Radio sein Feature über Waffenlieferungen in den Süd-Sudan: Fünf Schiffe vollgeladen mit Panzern, Raketenwerfern und anderen Waffen, die aus der Ukraine in den Hafen Mombasa (Kenia) fuhren.

Eines von ihnen war die "Beluga Endurance", ein Schiff, das unter der Flagge der Karibikinseln Antigua und Barbuda fährt. Der Bremer Schwergut-Reeder Nils Stolberg hat es für fünf Jahre von der Hamburger Reederei Heino Winter gechartert. Nur deswegen trägt es den Schmucknamen "Beluga".

Rund um die Welt ging die Geschichte, weil eines der fünf Schiffe mit Namen "Faina" im Herbst 2008 vor Somalia gekapert wurde. Die Piraten forderten Lösegeld, zunächst angesichts der heißen Fracht mehr als 30 Millionen Dollar - aber für die wollte niemand verantwortlich sein. Die Firma Tomex aus Odessa liefert "Fahrzeuge und Kraftwerksteile" an "GOSS", so stand es in den Papieren. Sollte "GOSS" stehen für Government of South Sudan"?

Dass das Schiff Militärgerät geladen hatte, erfuhr die Öffentlichkeit von den entnervten Piraten selbst - die meldeten sich über den somalischen Rundfunk und drohten, das Schiff mit der an Bord gefundenen Munition zu sprengen, wenn niemand zahlen würde.

Geradezu gespenstisch muss die Szene gewesen sein vor dem somalischen Küstenort Hobyo, wo auf dem Festland der islamistische Präsident Abdullahi Yusuf herrscht und auf der Wasserseite des Schiffes mehrere US-amerikanische Fregatten aufgefahren waren. Die US-Dienste filmten über Monate jede Bewegung auf dem gekaperten Frachter, ein amerikanischer Arzt untersuchte sogar die Seeleute der Faina.

Die Piraten inszenierten Schein-Erschießungen auf Deck für die amerikanischen Geheimdienst-Kameras und winkten von ihren Schnellbooten zu den Kriegsschiffen hinauf, wenn sie tagsüber Nahrung und Wasser zur Faina brachten. Wenn die Schnellboote nachts die leichteren Waffen abtransportierten, ließen die Militärs sie ungestört passieren. Auch zwei von 42 Luftabwehrraketen gingen ungehindert von Bord. Wer hat mit ihnen ausgehandelt, dass sie 40 an Bord ließen?

Am Ende bekamen die Piraten zusätzlich zu den geklauten Waffen noch 3,3 Millionen Dollar aus der Ukraine - die US-Schiffe eskortierten die Faina bis in den Hafen von Mombasa. Als die Besatzung dort an Land ging, wurde sie vom ukrainischen Geheimdienstchef per Lautsprecher begrüßt. Kahrs ist bis nach Odessa gereist, um die Hintermänner dieses abenteuerlichen Waffen-Deals zu treffen. Er hat mit Seeleuten der Faina gesprochen. Schon zwei Stunden nach dem Überfall wäre das erste US-Schiff da gewesen, haben die erzählt. Die hätten sich offenbar vor allem dafür interessiert, dass mit den Waffen nichts passiert. Der US-Geheimdienst scheint eingeweiht gewesen zu sein.

Die offiziellen Stellen in Odessa reagierten mit Unschuldsmine auf die Nachfragen des Bremer Journalisten, auch der damalige ukrainische Verteidigungsminister behauptet, er wisse nichts. Kahrs bekommt schließlich doch einen Hinweis auf den Besitzer der Faina, einen Geschäftsmann Vadim Alperrin mit israelischem Pass. Faina, Ethel und Soja heißen seine drei Töchter, und so hießen auch drei der fünf Schiffe, die die Waffen transportierten.

Satellitenbilder zeigen die Panzer später in Juba, der Hauptstadt der südsudanesischen Rebellen. Die sind für den Westen so etwas wie ein Joker gegen den islamischen Nord-Sudan, und der Süden ist reich durch seine Erdöl-Vorkommen. Wenn die Rebellen die Panzer - insgesamt dürften die fünf Schiffsladungen 150 Millionen Dollar gekostet haben - per Kredit bezahlt haben, dann kann nur das Öl als Sicherheit angeboten worden sein. Die Idee eines pro-westlichen Süd-Sudan, reich an Öl-Vorräten, das hält Kahrs für die wahrscheinlichste Erklärung der Waffentransporte.

Und die "Beluga Endurance"? Auch Nils Stolberg hat gegenüber dem Reporter seine Hände in Unschuld gewaschen. Nein, mit Waffentransport hat er nichts zu tun. Im Dezember 2007 sei die "Beluga Endurance" für einen Monat an die britische ACE Shipping weiterverchartert worden. Mit der Befrachtung des Schiffes habe man in dieser Zeit nichts zu tun gehabt, so eine Beluga-Sprecherin. Der Hamburger Reeder Winter betont, Waffentransporte seien in den Charterverträgen ausgeschlossen.

Rainer Kahrs: Das Geheimnis des Waffenschiffes Faina, Nordwestradio, 23. 6., 9.05 Uhr

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