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Archiv-Artikel

Weniger Umzüge

Sozialressort beugt sich Kritik: Weniger ALG-II-Empfänger sollen umziehen müssen. Mietobergrenzen werden aber nicht erhöht, Heizkosten auch nicht

Bremen taz ■ Das Sozialressort hat eine neue Vorlage in Sachen Zwangsumzüge vorgelegt. Am Donnerstag beraten Sozial- und Baudeputation gemeinsam über das Thema. Die neue Vorlage hat auf einige Argumente in der politischen Diskussion der vergangenen Wochen reagiert, auf andere nicht: Weniger Bedarfsgemeinschaften als bisher geplant werden zum Umzug aufgefordert, aber die Mietobergrenzen werden nicht angehoben, und auch die Heizungspauschale bleibt vorerst unverändert.

Nicht mehr 9.000 so genannte Bedarfsgemeinschaften, sondern 5.500 wohnen nach den neuen Maßgaben aus dem Hause der Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD) zu teuer. Mieten bis zu zehn Prozent über den Mietobergrenzen „werden bis auf weiteres in tatsächlicher Höhe anerkannt“, heißt es in dem Papier. Neu ist auch, dass Schwangere und Alleinerziehende mit mehreren Kindern nicht mehr umziehen müssen, auch der „Verlust sozialer Bezüge im Umfeld“ oder eine Wohndauer von zehn und mehr Jahren gelten als „Ausnahmetatbestand“.

Diejenigen, deren Mieten mehr als zehn Prozent über den Obergrenzen liegen, werden in einem ersten Schritt nicht zum Umzug aufgefordert, „sondern zur Reduzierung ihrer Unterkunftskosten“. Sie sollen, wünscht sich das Ressort, mit ihren Vermietern um eine Mietsenkung verhandeln. Erst ein halbes Jahr später werden solche Haushalte zum Umzug aufgefordert. All das passiert zeitlich gestaffelt, nicht wie befürchtet auf einen Schlag: Haushalte ab zwei Personen, deren Miete 30 Prozent und mehr über den amtlichen Obergrenzen liegt, werden Anfang des Jahres zur „Senkung der Unterkunftskosten“ aufgefordert, bei 20 Prozent und mehr kommt das ein halbes Jahr später, bei zehn Prozent und mehr noch ein weiteres halbes Jahr später, sprich zum 1.1.2007. Und weil es für Single-Haushalte auf dem Wohnungsmarkt besonders eng ist, gilt für sie all das mit einem sechsmonatigen Aufschub.

Auch den Vorwurf der Ghettoisierung hat das Ressort aufgegriffen: In Horn-Lehe, Schwachhausen, Borgfeld und Oberneuland sollen Mieten um bis zu zehn Prozent über den Obergrenzen „als angemessen anerkannt“ und auch sonst „im Einzelfall bei Vorliegen besonderer Umstände“ auf Grundlage des höheren Mietniveaus in diesen Stadtteilen entschieden werden.

SPD und CDU sind mit der neuen Vorlage zufrieden: „Leben“ könne er mit der Vorlage, sagt der sozialpolitische Sprecher der SPD Joachim Schuster, „sehr gut leben“ kann damit sein CDU-Kollege Karl Uwe Oppermann. Beide verweisen auf die gesunkene Fallzahl und die zeitliche Staffelung der Umzugsaufforderungen. An einer Erhöhung der Heizkosten-Pauschale, derzeit trotz erhöhter Energiekosten immer noch mit ein Euro pro Quadratmeter berechnet, werde gearbeitet, weiß Schuster.

Auch die Grüne Opposition sieht die Verbesserungen, doch zwei wichtige Punkte seien unberücksichtigt, kritisiert der sozialpolitische Sprecher Dirk Schmidtmann: zum einen die Heizkostenpauschale. Sie ist genauso niedrig wie zuvor, und selbst wenn sie erhöht werden sollte, würden Heizkosten nur für die jeweils als angemessen zugestandene Quadratmeterzahl bewilligt. Wer also in einer größeren Wohnung wohnt, bleibt auf den Mehrkosten für Heizung sitzen. Zudem hatten die Grünen eine Anhebung der Mietobergrenzen für Single-Haushalte um 20 Prozent gefordert. Die fehlt auch – deshalb, so Schmidtmann, „werden die Grünen der Vorlage nicht zustimmen.“ susanne gieffers