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Archiv-Artikel

Neuer Straßenbeton auf der Castor-Strecke

Rekord vermasselt: Vier Ankettaktionen verzögern den Atommüll-Transport nach Gorleben doch noch erheblich. Niedersachsen will Castor-Auszeit

AUS GORLEBEN JÜRGEN VOGES

Teilerfolg für die wendländischen AKW-Gegner: Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann hat gestern nach dem neunten Transport von hochradioaktivem Müll in das Zwischenlager Gorleben eine Castor-Auszeit für seine Polizei gefordert. Dem wendländischen Atomkraftgegnern gelang es zuvor durch vier spektakuläre Ankettaktionen, die Lieferung um 12 Stunden zu verzögern.

Schünemann sagte in seiner Bilanz des Großeinsatzes: „Die Polizei ist an die Grenzen geraten.“ Mit Blick auf die Belastungen der Ordnungskräfte durch die Fußballweltmeisterschaft forderte der CDU-Politiker, 2006 auf einen Castor-Transport zu verzichten. Nach Angaben Schünemanns kostet der diesjährige neunte Gorleben-Transport Niedersachsen 20 Millionen Euro. Zum Schutz waren bundesweit 15.896 Polizisten im Einsatz, davon allein 9.400 auf den letzten 20 Kilometern, also auf den Straßen zwischen Dannenberg und Gorleben.

Der diesjährige Castor war vergangenen Samstag um 17.20 Uhr in der Normandie gestartet. Gestern Morgen erreichte er das Zwischenlager im Wald bei Gorleben um exakt 5.55 Uhr – nach 60 Stunden und 35 Minuten.

Lange Zeit hatte es so ausgesehen, als ob dieser Castor der schnellste aller Zeiten würde. Doch dann kamen die letzten zehn Kilometer: In der Nacht zum Dienstag waren bei klirrender Kälte über tausend Castor-Gegner unterwegs, denen immer wieder Sitzblockaden gelangen.

Vor allem aber entwickelten vier Ankettaktionen enorme Verzögerungen. Zwei Dutzend AKW-Gegner nutzen Beton zu kaum überwindbaren Hindernissen für die Polizei. Statt auf den Schienen agierten die Castor-Gegner diesmal auf der Straße – jeweils Kubikmeter große Betonbrocken waren mit zwei Traktoren fest verbunden. Die Polizei musste erst die Traktoren zerlegen, bevor sie die Castor-Gegner aus den Betonblöcken schneiden konnte. Ähnlich verhielt es sich mit zwei Leichenwagen: In deren Fahrboden waren Löcher gefräßt, in diesen Löchern waren die Betonklötze – an der Straße angeschraubt – und in den Betonklötzen steckten die Demonstranten. Die Polizei brauchte Stunden. Die BI sieht den Protest als Erfolg, hält sich vor allem zugute, die Debatte über den zum Endlager ungeeigneten Gorlebener Salzstock neu entfacht zu haben. Der Transport dauerte eine halbe Stunde länger als die Atommülllieferung des letzten Jahres.

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