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Rechte Demo in LeipzigKein Bier für Nazis

Ein breites Bündnis von Bürgern und Parteien verhindern in Leipzig spontane Demos und blockieren die Kundgebung der Neonazis. Die Rechten sprechen sich trotzdem Mut zu.

Unter strenger Aufsicht: der Leipziger Hauptbahnhof. Bild: dpa

LEIPZIG taz | Der einzige "Erfolg", den Neonazis am Sonnabend in Leipzig verbuchen konnten, war eine zweistündige Absperrung des Hauptbahnhofes. Die Polizei wollte damit den Rücktransport eines Häufleins von etwa 200 schwarzen Gestalten sichern, die zwischen den zahlreichen Polizeiautos kaum auszumachen waren.

Die Polizei hatte im Vorfeld 1.500 Nazis erwartet. Auf den isolierten Platz an der Ostseite des Bahnhofs hatte die Stadt die ursprünglich vier angemeldeten Aufmärsche beschränkt. Spontane Nazi-Demos bei der Anreise oder in Randbezirken Leipzigs wurden von rund 3.000 Polizisten schon im Ansatz aufgelöst oder von tausenden Leipzigern verhindert.

Bei diesen Bürgern bedankte sich Polizeipräsident Horst Wawrzynski am Sonntag. Zuvor hatte schon Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) das "wunderbare Ergebnis der Zusammenarbeit von Stadt, Polizei und bürgerschaftlichem Widerstand" gelobt. Durch die vom Bundesverfassungsgericht vorläufig bestätigten Auflagen der Stadt sei man in der komfortablen Lage gewesen, formal das Versammlungsrecht bei der stationären Nazi-Kundgebung zu gewährleisten, alle anderen Spontanaufzüge aber unterbinden zu können.

Im Netz feierten die Nazis diese geplante dezentrale Taktik dennoch als Erfolg und sprachen auf groteske Weise von einer "großen Abschlusskundgebung" am Hauptbahnhof. Ursprünglich hatten sie unter dem skurrilen Motto "Recht auf Zukunft" vier Sternmärsche ins Zentrum geplant. Dem gegenüber stand in der Praxis eine logistische Meisterleistung des breiten Bündnisses "Leipzig nimmt Platz". Über Info-Punkte und mobile Vernetzung konnten vorwiegend jugendliche Gegendemonstranten an Orte dirigiert werden, an denen spontan Rechte auftauchten. Auch der freie Bürgerfunk "Radio Blau" sendete permanent Informationen.

Die größte dieser Blockaden gab es am Nachmittag vor einem NPD-Büro im Stadtteil Lindenau. Am Hauptbahnhof fand über Stunden eine Gegendemo statt. Teilnehmer verhinderten später einen Rücktransport der Nazis über die Straße. Nicht einmal ein Biertransport war zu den Nazis durchgekommen. "Unser Konzept ging auf", so die Bündnis-SprecherInnen Juliane Nagel und Gunnar Georgi.

Unklar blieb am Sonntag, ob die Kabelbrände an Signalanlagen der S-Bahn zwischen Halle und Leipzig gelegt wurden, um die Anreise von Nazis zu verhindern. Die Polizei sprach rückblickend lediglich von "zwei Sachbeschädigungen an der Elektronik". Ein Bahnsprecher sagte, solche Anschläge gehörten mittlerweile zu einem Ritual im Vorfeld von Demos von Rechtsextremen. Der S-Bahnverkehr zwischen Halle und Leipzig war jedenfalls mehrere Stunden gestört, die Anreise wurde den Nazis erschwert.

Was die Veranstalter der "Jungen Nationaldemokraten" (JN) als Generalprobe für das Dresden-Gedenken im Februar planten, geriet auf andere Weise zu einem Beispiel für die Landeshauptstadt. Sogar FDP und CDU waren über ihre Schatten gesprungen und einer gemeinsamen "Leipziger Erklärung" aller Demokraten beigetreten. Linke und CDU-Landtagsabgeordnete sah man gemeinsam unter einem Regenschirm. "Die Dresdner sollten ruhig von Leipzig lernen", meinte unter anderem der evangelische Superintendent Martin Henker.

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21 Kommentare

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  • C
    Claudi

    @Dresdnerin

    Auch wenn ich Dieter Nuhr ("Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen.") grundsätzlich recht gebe, kann ich die daraus gezogene Schlussfolgerung nicht verstehen. Eine gesunde Demokratie muss natürlich jede auch noch so abscheuliche Meinungsäußerung zulassen und sollte das auch verkraften können. Wo kämen wir denn hin, wenn mehr oder weniger prominente Persönlichkeiten aus Film, Fernsehen oder Politik darüber entscheiden, was als Meinung gilt, die man äußern darf und was nicht. Das könnte auch leicht mal nach hinten losgehen und plötzlich wird uns selbst der Mund verboten, weil irgendjemand meint, dass das was wir sagen wollen, nicht akzeptabel sei. Ich denke, eine ausreichend große Gegendemo, die dem braunen Gesindel zeigt, was von ihm zu halten ist, ist viel wirksamer als denen den Mund zu verbieten damit die sich weiter in ihrer Opferrolle gefallen können.

    @Berliner

    Kann die Einschätzung voll und ganz Teilen. War früher selbst in Leipzig bei ähnlichen Aktionen und habe mich als jemand, der keinerlei "Szene" angehört, nicht unwohl gefühlt. Seit ich in Berlin lebe, ist es für mich undenkbar als "Normalo" an Antifademos teilzunehmen.

  • P
    pawlow

    Auch wenn ich Deine Meinung verachte werde ich Dein Recht verteidigen diese frei zu äußern...

     

    Für wen ist der Rechtsstatt noch gültig? Wessen Meinung darf zu recht unterdrückt werden?

     

    Nur Fragen eines Menschen, der zuhnemend den Kopf schüttelt und darüber nachdenkt, wann es mal wieder Zeit wird, aus Deutschland zu flüchten...

     

    Immer druff, alles Feinde, egal ob Nazis, Türken, Linke, Migranten u.s.w., alles tolle Feindbilder die man pauschalisiert ablehnen darf. Und die natürlich kein Recht auf Rechtsstaat haben...

     

    Braun kann auch sein, wer sich grün kleidet...

     

    Gruß,

    pawlow

  • D
    Dresdnerin

    Ich glaube kaum, dass rechtes, degeneriertes Gedankengut etwas mit Demokratie zu tun hat! Wie sagte Dieter Nuhr einst? "Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen." Daher kann ich es immer wieder begrüßen, wenn es Menschen gelingt, diesen braunen Spuk zu verhindern!

     

    Als Dresdnerin hätte ich mir auch ein Dankeschön seitens der "Obrigkeit" im Rathaus gewünscht. Doch wurde unsere Blockade kriminalisiert und, automatisch gehört man zu den "Chaoten".

     

    Eine Menschenkette in Dresden zum stillen Gedenken am 13.Februar ist mit Sicherheit die friedlichere Lösung. Aber es wäre doch paradox, wenn sich auf der Altstädter Seite Menschen friedlich zu einer Menschenkette einreihen, während man auf Neustädter Seite rechte Parolen skandiert? Wo ist da die Relation?

     

    Und solange wie es den Nazis ermöglicht wird, sich zu einer Demonstration und/oder Kundgebung zusammenzurotten, solange wird man sich dagegen wehren. Oder soll man sagen: "Ich habe die Nazis erfolgreich ignoriert?" Ignorieren, bis es Normalität geworden ist, dass diese braunen Kasper ihren Nonsens verbreiten? Nein, danke.

  • H
    Holkan

    @Berliner: Ich gehe aus Prinzip nicht mehr auf Berliner Antifa-Demos. Erinnert mich zu sehr an SA und SS.

  • S
    Sarah

    Hallo!

     

    Nur am Rande. Soweit ich weiss haben die Freien Kräfte als sie im NPD Büro festsaßen einen Pizzadienst "Fresh Pizza" bestellt. Der Pizzalieferant fuhr mit seinem Auto bis zur Polizeikette, die Polizei wollte jedoch nicht, dass er die Nazis beliefert und so musste er wieder abdampfen. Tja kein Trinkgeld bekommen.

    Der Tag war ganz erfolgreich. Drei Punkte für die Antifa und Null für die Rechten. Danke an alle Auswärtigen, die nach Leipzig gekommen sind.

     

    Grüße aus LE!

  • HB
    hans boekhorst

    hallo mit zunehmender beunruhigung sehe ich die entwicklung alle sogenannte neonazidemonstrationen mittels blockaden und aehnlichem zu verhindern ich kann verstaendnis dafuer aufbringen wenn man in dresden sagt wir moechten das am 13 februar nicht oder in berlin durch das brandenburger tor moechten wir nicht aber wirklich jede derartige demonstration zu verhindern wird sich in das gegenteil von dem gewuenschten verkehren wir koennen darauf warten dass ein halbwegs gebildeter neonazi dieses recht einklagen wird und ich kann mir kaum vorstellen dass wir wollen dass die eu deutschland dazu zwingt diese art von demos moeglich zu machen die eu hat gerade das offensichtlich homophobe serbien dazu gebracht anhaengern der gleichgeschlechtige liebe ihr recht auf demonstrationsfreiheit durchzusetzen wollen wir wirklich sehen wie mehrere zehntausend polizisten zum beispiel in dresden am 13 februar 2011 unter einsatz von massiver staatsgewalt dieses recht fuer ein paar tausend rechtsradikale durchsetzt oder sind wir bereit ihnen ausser an bestimmten historisch bedingten orten und daten ihnen dieses recht das wir fuer uns in anspruch nehmen auch zu gewaehren und mittels gegendemonstrationen friedliche gegendemonstrationen unseren unmut ueber diese menschenverachtende politische ueberzeugung kundzutun einen schoenen tag noch

  • H
    Heiner

    Man darf doch Demonstrationen nicht blockieren, JEDER hat das Recht zu demonstrieren.

     

    Das war wieder ein schlechtes Beispiel für Demokratie.

  • B
    Berliner

    Ich sehe jedes Jahr bewundernd, wie in Leipzig bürgerlicher, friedlicher Protest gegen Rechts hervorragend funktioniert, wie Menschen aus allen gesellschaftlichen Richtungen zusammenkommen.

     

    Hier in Berlin hat der schwarz vermummte Mob das Monopol auf den Kampf gegen den braunen Mob für sich gepachtet. Ungeliebte Antifaschisten werden da gerne auch mal mit körperlicher Gewalt aus Demonstrationszügen entfernt (siehe Angriffe auf CDU Politikerin Lengsfeld bei einer Antifademo in Friedrichshain im letzten Jahr) oder trauen sich garnicht erst hinzugehen. Ganz nebenbei werden dann regelmäßig noch ein paar Autos und die örtliche Sparkasse angezündet und mangels ausreichend vorhandener rechter Gegner die Polizisten angegriffen.

     

    Hoffentlich wird Berlin eines Tages den Zivilisationsgrad von Leipzig erreichen.

  • DT
    Daniel Tschernatsch

    Ach, das waren Nazis? Ich dachte, es wäre wieder Gothic-Treffen in LE.

     

    Wenn jetzt jeder Karnevalsverein mit 200 Dorftrotteln so ein Polizeiaufgebot zugesprochen bekommt, ist Leipzig bald pleite.

  • EL
    Ein Leser

    Na also, es geht doch!

  • V
    vic

    Gut gemacht, Leipziger Antifaschisten.

    Ihr könnt stolz auf euch sein.

  • M
    Martin

    Klar, Nazis mögen wa nicht!

     

    Aber "Kein Bier für ..." erinnert doch sehr stark an "Deutsche, kauft nicht bei ..."! Das hatten wa schon mal, und dat wollen wa ooch nicht wieder haben!

     

    Zumal sich die Definition, was Nazi ist, von den Antifa-Gruppen gelegentlich ändert. Jetzt ist z.B. Seehofer, der eigentlich immer dem linken Flügel der CSU zuzuordnen war, so einer.

     

    Und wenn die braune Pest ruft, und es kommen nur 200 Leute, dann scheint die "Gefahr" von rechts längst gebannt zu sein. Da waren ja mehr Polizisten als Rechtsextreme. Was das wohl wieder gekostet hat...

  • M
    Manuela

    Und nirgendswo wird das Bündnis "Roter Oktober" erwähnt, ob die Kabelbrände von linker Seite kamen weiß die taz auch nicht und Kaputte Naziautos / der kaputte Nazibuss aus Dortmund bleiben auch für den TAZ-Leser unbekannt. DIe taz wird echt immer.... rechter?!

  • AS
    A. Steinmeier

    Nazis und NPD müssen gestoppt werden

    DKP Berlin mit ihrer sog. Bürgerbewegung "Rechtspopulismus stoppen" muss gestoppt werden

    Der Islam muss gestoppt werden.

     

    Warum?

     

    Gemeinsam ist ihnen der Feldzug gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung des Grundgesetzes.

     

    Die Freiheit der TAZ ist die Freiheit jeden einzelnen Bürgers. Sie darf nicht durch terroristische Ideologien aufgehoben werden.

  • RH
    Reiner Hohn

    11 mal das Wort Nazi ins so nem kleinen Text man kanns auch übertreiben XD

  • J
    Juli

    Ich lachte sehr, als ich den kleinen Tippfehler im letzten Abschnitt las: "Was die Veranstalter der "Jungen Nationaldemokraten" (JU)..." - oder war das Absicht? Gelungener Scherz!!! :)

  • D
    DerPestbeamte

    "Jungen Nationaldemokraten" (JU) öhm ist das nicht er die JN und die JU die Junge Union?

     

    Naja kann man ja leicht mal verwechseln die beiden Vereine

  • K
    Kommentator

    Von den Nazis in Lindenau hat man nichts gesehen. Man geht davon aus das sich um die 100 von denen hinter ihren Mauern versteckt hielten und sich nicht auf die Straße trauten.

    Lächerlich war die Aktion, als eine Reichsfahne für 30 Sekunden über der 3 Meter hohen Mauer geschwenkt wurde. Im Anschluss daran wurde ein Überwachungswagen der Polizei herrangefahren der das Geschehen hinter der Mauer genau beobachten konnte.

     

    Die Stimmung in der Stadt war zu jedem Zeitpunkt ausgelassen und friedlich. Die Polizei war nach meiner Auffassung sehr entspannt und freundlich.

     

    Danke an alle Gegendemonstranten die mit uns im Regen standen und den Nazis keinen Raum zum "faschieren" ließen. Danke an die Organisatoren, auch wegen dem leckeren Eintopf! ;-)

  • S
    saalbert

    "Ein breites Bündnis von Bürgern und Parteien verhindern in Leipzig spontane Demos..." - So, so, "Bündnis" ist also neuerdings ein Plural.

  • D
    Dennis

    Die Junge Union (JU) steckt also hinter all den Nazis, interessant, interessant.

  • G
    godehart

    Hi,

     

    der Ordnungsbürgermeister von Leipzig heisst "Heiko Rosenthal" (Die Linke), B. Jung (ist der OB). Die Zusammenarbeit zwischen Rosenthal und Wawrzynski funktioniert schon seit langem sehr gut. So ist zumindest mein pers. Eindruck.

     

    Vgl: http://www.mdr.de/nachrichten/7771352.html

     

    Gruß

    Hein