: Fast wie bei Lidl
UNTERNEHMEN Die Arbeitsbedingungen mehrerer Onlinehändler sind im Visier. Liegt’s an der Branche? Nein, sagen Experten. Aber die Konkurrenz im Internet könne Probleme verschärfen
BORIS RADKE, ZALANDO
VON SVENJA BERGT
BERLIN taz | Es ist die zweite Kündigung innerhalb weniger Tage, sie kam selbstkritisch daher: Es sei „eindeutig nicht gelungen“, die hohen Unternehmensstandards „auch durch den Dienstleister zu gewährleisten“, der für Unterbringung, Transport und den Einsatz der Sicherheitskräfte bei unseren Zeitarbeitskräften verantwortlich war, teilte der Onlinehändler Amazon am Montagabend mit. Daher habe das Unternehmen die Zusammenarbeit mit dem Sicherheitsdienst beendet, ebenso wie schon zuvor mit einer weiteren Sicherheitsfirma.
Vorangegangen war Kritik an den Arbeitsbedingungen bei dem Konzern sowie an teils menschenunwürdigen Zuständen für Leiharbeiter. Ein ARD-Bericht hatte die Missstände einer breiten Öffentlichkeit deutlich gemacht. Ob die Kündigung ab sofort gilt und wie die wegfallenden Leistungen ersetzt werden, ließ das Unternehmen auf Anfrage der taz offen.
Branchenbeobachter hatten die Vorwürfe gegen den Versand-Riesen nicht überrascht: „Amazon ist schließlich schon 2011 aufgefallen, als sie von der Arbeitsagentur vermittelte Praktikanten als Arbeiter eingesetzt haben“, sagt Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Christiane Scheller von Ver.di sieht es ähnlich: „Es gibt seit einiger Zeit erste Betriebsräte bei Amazon, was immer ein Zeichen dafür ist, dass Leute unzufrieden sind.“
Und das bei großer Marktmacht: Amazon ist in Deutschland mit 6,8 Milliarden Euro Umsatz im vergangenen Jahr der führende Onlinehändler. Der Analyse eines Suchmaschinenoptimierers zufolge ist er der am häufigsten oben erscheinende Händler bei einer Google-Suche.
Und die Branche wächst: Der Umsatz im Onlinehandel mit Waren ist laut dem Bundesverband des Deutschen Versandhandels im vergangenen Jahr um 5,9 Milliarden Euro gestiegen. Das entspreche einem Plus von 27 Prozent. Vor allem gefragt: Kleidung, Elektronik und Bücher.
„Der Preiskampf im Onlinehandel ist wesentlich stärker“, sagt Schneider. Verbraucher hätten einfach mehr Möglichkeiten, Angebote und Preise zu vergleichen als im Laden – was grundsätzlich nicht schlecht sein müsse. „Aber es verleitet die Unternehmen eben auch dazu, günstige Kostenstrukturen zu schaffen.“ Zum Beispiel durch niedrige Löhne. An den Strukturen des Handels liege es nicht: Eingeführte Versandhändler wie etwa Otto zeigten, dass man auch mit vertretbaren Arbeitsbedingungen am Markt bestehen könne.
Ver.di hat das nächste Unternehmen schon im Visier: Der Kleidungsversand Zalando. Der Gewerkschaft liegen mehrere Beschwerden von Beschäftigten vor, die über Leistungsdruck klagten. Das Unternehmen selbst kündigte an, die Einhaltung von Sozialstandards durch externe Prüfer kontrollieren zu lassen. „Unternehmen, die erst mal ankündigen, die Standards überprüfen zu lassen, zeigen, dass sie keine Ahnung haben, was bei ihnen im Betrieb passiert“, sagt Schneider dazu.
„Natürlich entwickelt man nur dann Sozialstandards, wenn man weiß, dass etwas nicht perfekt ist“, räumt Zalando-Sprecher Boris Radke ein. In der Logistik-Branche sei Leistungsdruck immer ein Thema, weil es darum gehe, manuelle Prozesse innerhalb eines bestimmten Zeitraums abzuwickeln. Wolle man das Wachstum halten, könne man dabei nicht auf externe Dienstleister verzichten. Zalando hatte 2012 erstmals mehr als eine Milliarde Euro umgesetzt.
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