Interview zu partnerschaftlicher Gewalt: "Extreme Eifersucht ist Gewalt"

Wenn in Partnerschaften Kontrolle ausgeübt wird, handelt es sich um eine geschlechtsunspezifische Form von psychischer Gewalt. Die Betroffenheit ist dennoch unterschiedlich.

Störrisch, kontrollwütig? Wo psychische Gewalt in der Partnerschaft anfängt, lässt sich nicht allgemeingültig festlegen. Bild: photocase / rebealk

taz: Frau Schröttle, wurden Sie heute schon beleidigt?

Monika Schröttle: Nein.

Beleidigen, Herabwürdigen und das Bloßstellen in aller Öffentlichkeit können Formen psychischer Gewalt sein. Studien besagen, dass jede zweite Frau das schon mal erlebt hat.

Monika Schröttle, 44, ist Sozialwissenschaftlerin und Politologin an der Universität Bielefeld. Sie forscht unter anderem zur Gewalt in Paarbeziehungen.

* Der 25. November ist der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen. Es gibt ihn seit 1981, seitdem organisieren Menschenrechtsorganisationen weltweit Veranstaltungen, mit denen sie auf Vergewaltigung, Zwangsprostitution, sexuellen Missbrauch und Sextourismus hinweisen.

* In Deutschland ist jede Vierte von körperlicher, sexueller und psychischer Gewalt betroffen.

* 364 Frauenhäuser gibt es in Deutschland. Dorthin flüchten jedes Jahr rund 20.000 Frauen (mit 20.000 Kindern) vor gewalttätigen Partnern.

* Viele Frauenhäuser erhalten keine oder nur eine geringe staatliche Finanzierung und sind auf private Spenden angewiesen.

Auch schwere Eifersucht, Kontrolle und Bedrohungen gehören dazu. Paarbeziehungen, Familie und der Arbeitsplatz sind beliebte Orte, an denen psychische Gewalt ausgeübt werden kann. Betroffen sind Frauen und Männer.

Bestätigen Sie damit die Studie des Sozialwissenschaftlers Peter Döge, der gerade nachgewiesen hat, dass Männer genauso oft von Gewalt betroffen sind wie Frauen?

Nein, überhaupt nicht. Die Döge-Studie betrachtet Gewalt vollkommen undifferenziert. Sie setzt schwere körperliche Gewalt wie Schlagen und Vergewaltigung mit einmaligen Beleidigungen und Beschimpfen gleich. Ein Mann, der von seiner Partnerin einmal angeschrien wurde, hat deshalb noch keine Gewalt erlebt, auch keine psychische. Dazu gehört schon eine gewisse Härte, Häufigkeit und Systematik.

Was ist psychische Gewalt?

Es ist schwer zu sagen, wo psychische Gewalt genau beginnt. Im Bereich der Paarforschung zählen wir extreme Eifersucht, Kontrolle, regelmäßige und demütigende verbale Übergriffe sowie Gewaltandrohungen und ökonomische Kontrolle dazu.

Menschen streiten sich schon mal. Ist das schon psychische Gewalt?

Es gibt normale Streits im Alltag, bei denen sich Paare anbrüllen und aggressiver gegeneinander sind. Aber dann gibt es auch Fälle, in denen ein Partner den anderen regelmäßig heruntermacht und demütigt, Bedrohungskulissen aufbaut, Psychoterror betreibt, den anderen kontrolliert und eingrenzt.

Wer betreibt das stärker: Frauen oder Männer?

Beide Geschlechter können Opfer und Täter sein. Wie das im Geschlechtervergleich aber genau aussieht, wissen wir noch gar nicht, es gibt keine differenzierten Studien dazu. Nachgewiesen ist aber, dass Frauen in Paarbeziehungen häufiger von schwerer Gewalt betroffen sind als Männer. Das zeigt sich übrigens auch in den Daten, auf die Peter Döge in seiner Studie Bezug nimmt. Männer laufen seltener Gefahr, von einer eifersüchtigen und besitzergreifenden Partnerin schwer verletzt oder gar getötet zu werden, wenn der Mann sich trennen will.

Es gibt Frauen, die sagen, es sei nicht so schlimm, wenn ihr Partner sie als "blöde Kuh" bezeichnet oder sie vor Freunden "Idiotin" nennt.

Dagegen sollten Frauen sich wehren.

Viele Frauen sind von ihren Männern abhängig: finanziell, psychisch, es sind Kinder da. Was können sie tun?

Aus jedem Abhängigkeitsverhältnis kann man sich langfristig lösen. Das ist in einigen Fällen sicher nicht einfach. Betroffene, egal ob Frau oder Mann, sollten sich Hilfe holen. Dafür gibt es professionelle Beratungsstellen.

Experten sagen, psychische Gewalt sei genauso schlimm wie physische.

Zumindest können die langfristigen Folgen von systematischer psychischer Gewalt ebenso schwerwiegend sein wie die bei körperlichen Übergriffen. Die Betroffenen können auch Jahre später, wenn es gar keine akute Bedrohung mehr gibt, Panik- und Angstattacken und Depressionen haben.

Wie üben Frauen an Männern psychische Gewalt aus?

Auf der verbalen Ebene können Frauen durchaus verletzend und beleidigend sein, vor allem wenn Männer nicht die vielfach erwartete Männerrolle erfüllen. Sie werden von Frauen dann beispielsweise als "Schlappschwanz", "Loser" oder "Memme" beleidigt.

Wie empfinden Männer das?

Das kann für sie beschämend, verletzend und demütigend sein. Insofern ist es wichtig, sich mit männlicher "Opferwerdung" geschlechterkritisch zu befassen. Allerdings differenzierter als in Studien, die lediglich konstruieren, dass Frauen und Männer gleich stark betroffen sind, und die die unterschiedlichen Schweregrade von Gewalt ausblenden.

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