Reaktionen auf Finanzhilfen: Von lieben Iren und bösen Griechen

Als Griechenland mit EU-Geldern gerettet werden musste, war die deutsche Empörung groß. Nun ist Irland pleite - und alle haben Mitleid. Warum eigentlich?

Nach Irland schicken ihn die Deutschen lieber als nach Griechenland: Den Euro. Bild: dpa

Als die Griechen pleitegingen, schlug ihnen aus den deutschen Medien eine Welle des Hohns und Hasses entgegen: "Verkauft doch eure Inseln, ihr Pleitegriechen", riet man ihnen. Andere fragten sarkastisch: "Wie gehts den Griechen mit unseren Milliarden?" Und eine Zeitung wollte wissen: "Wer hat die Griechen in den Euro gelassen?" Die Bild-Zeitung wollte den Griechen am liebsten ihre Drachmen zurückgeben.

Ganz anders die Töne beim irischen Staatsbankrott. "Europa zittert um Irland", bangte Bild und schrieb von der "Iren-Tragödie": "Die Schlange der Menschen, die in Dublin Hunger haben, ist oft so lang, dass eine Straße allein zum Anstehen dafür nicht mehr reicht."

Liegt es daran, dass die Griechen sich nicht in ihr Schicksal fügen wollten und Straßenschlachten anzettelten, während sich die Iren für ihre Bettelei schämen? In fast jeder deutschen Zeitung war in diesen Tagen zu lesen, wie peinlich dem Durchschnittsiren seine Regierung ist, die nicht mal in der Lage wäre, eine Skatkasse ordentlich zu verwalten - und wie dankbar man der Europäischen Union und dem Internationalen Währungsfonds sei, dass sie dem in Not geratenen Inselvolk aus der Patsche helfen.

Die deutschen Medien zeigen viel Verständnis dafür, dass die Iren, als sie nach Jahrhunderten der Armut plötzlich zu Geld gekommen waren, eine 15 Jahre lange Party feierten und ihr Geld verschleuderten. Das ganze Land, so der Eindruck, habe sich verhalten wie George Best, der geniale Fußballer aus Belfast, der verarmt als Alkoholiker starb. "Ich habe viel von meinem Geld für Alkohol, Weiber und schnelle Autos ausgegeben", hatte Best einmal gesagt. "Den Rest habe ich einfach verprasst."

Der barmherzige deutsche Blick auf Irland hat historische Gründe. Nicht erst seit Heinrich Bölls "Irischem Tagebuch", in dem er das Inselvolk als kauzig, aber liebenswürdig darstellt, haben die Deutschen die Iren ins Herz geschlossen. Jakob Venedey, eine Leitfigur der deutschen Linken, schrieb schon 1843:

"Ich glaube nicht, dass es ein gastfreundlicheres Volk als die Irländer in der Welt gibt. Ich möchte es von den Dächern ausrufen: Kommt nach Irland, ihr alle, die ihr ein gesundes Herz habt, das von den Schlägen des Geschickes wund ward; kommt her, hier könnt ihr es pflegen und heilen."

Und nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Deutschen in Irland durchaus willkommen, allerdings aus den falschen Gründen: Wer gegen England gekämpft hat, kann nicht von Grund auf schlecht sein. Die Iren traten nach dem Krieg als eine der ersten Mannschaften im Fußball gegen Deutschland an, als niemand sonst mit den Deutschen spielen wollte. In Irland hält sich die Mär, dass die deutschen Fußballer seitdem aus lauter Dankbarkeit bei Auswärtsspielen oft grüne Trikots tragen.

Und dann ist da auch noch das feuchte Wetter, mit dem sich die Iren herumplagen müssen. Sollte man nicht schon deshalb Mitleid mit ihnen haben? Man darf die Iren aber nicht unterschätzen. Natürlich wissen sie, dass die irische Dreifaltigkeit aus Politik, Banken und Bauindustrie ihnen die Sache eingebrockt hat, aber sie wissen auch, dass IWF und Europäische Zentralbank daran interessiert sind, dass die deutschen, britischen und französischen Gläubigerbanken ihr Geld zurückbekommen und die Kosten auf die irischen Steuerzahler abgewälzt werden. Vielleicht ist die morgige Großdemo in Dublin ja der Auftakt für Proteste auf griechische Art.

Die Bild-Leser sehen die irische Misere übrigens weniger wohlwollend als ihre Zeitung. Bei einer Umfrage fanden 81 Prozent: "Die Iren haben über ihre Verhältnisse gelebt. Das sollten sie selber ausbaden."

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