Neuer Präsident des Zentralrats der Juden: Ein anderes Gesicht
Mit Dieter Graumann wird erstmals ein Vertreter der Nachkriegsgeneration zum Vorsitzenden des Zentralrats der Juden. "Judentum bedeutet nicht nur Verfolgung und Elend", sagt er.
FRANKFURT/MAIN dapd | Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat einen neuen Präsidenten. Das Präsidium wählte am Sonntag in Frankfurt am Main den bisherigen Vizepräsidenten Dieter Graumann an die Spitze der Vertretung von rund 106.000 Menschen jüdischen Glaubens in der Bundesrepublik. Der 60-Jährige folgt Charlotte Knobloch, die nach vierjähriger Amtszeit nicht mehr kandidierte. Als Vizepräsidenten wurden erneut der Frankfurter Architekt Salomon Korn und neu der Würzburger Arzt Josef Schuster gewählt.
Graumann, der in Frankfurt eine Liegenschaftsverwaltung betreibt, ist der erste Vertreter der Nachkriegsgeneration als Präsident des Zentralrats. Er wurde 1950 in Israel geboren, ging aber in Frankfurt zur Schule. Graumann hat Volkswirtschaft studiert und arbeitete vorübergehend bei der Bundesbank. Er gehört seit 1995 dem Vorstand der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt an und wurde 2006 neben Salomon Korn zum Vizepräsidenten des Zentralrats und damit zu einem der beiden Stellvertreter Charlotte Knoblochs gewählt, die sich jetzt im Alter von 78 Jahren zurückzieht.
Damit ist Graumann der siebte Präsident des Zentralrats und damit der offiziellen Vertretung der in Deutschland lebenden Juden. Zu seinen Vorgängern zählten Heinz Galinski, Herbert Lewin, Werner Nachmann, Ignatz Bubis, Paul Spiegel und als erste Frau die in München lebende Knobloch.
Nach seiner Wahl bekräftigte Graumann die Absicht, sich für eine andere Darstellung des Judentums in der Öffentlichkeit einzusetzen. "Judentum bedeutet eben nicht nur immer Verfolgung und Elend und Katastrophen", hatte er bereits in der Frankfurter Paulskirche bei seiner Rede zum Jahrestag der Pogromnacht vom 9. November 1938 gesagt. Statt überkommener Klischees sollten künftig mehr Herzlichkeit, Temperament, Lebenslust und modern ausgelebte Tradition herausgestellt werden.
Entschieden setzt sich Graumann für ein Verbot der rechtsextremistischen NPD ein. Der deutschen Wirtschaft hat er wegen "übereifriger Geschäfte" mit dem Mullah-Regime in Iran schwere Vorwürfe gemacht. Zu den wichtigsten Aufgaben des neuen Zentralsratspräsidenten wird die weitere Integration der Zuwanderer aus Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion in die jüdischen Gemeinden gehören, wo sie bereits bis zu 90 Prozent der Mitglieder ausmachen.
Leser*innenkommentare
gerald
Gast
@Stefan:
Bitte lesen Sie sich das Interview mit Zuckermann durch, bevor Sie solchen Unsinn vom "neuen Antisemitismus" verbreiten: http://www.hintergrund.de/201011251260/feuilleton/zeitfragen/das-boese-der-banalisierung.html
Stefan
Gast
Ein lohnendes Feld wäre auch noch der neue Antisemitismus, der ja im Prinzip nichts gegen Juden hat sondern nur gegen Orthodoxe, Hardliner, Siedler, Nationale, die israelische Armee und Polizei, die israelische Regierung ... egal welche. Auch macht sich von den "wir sind doch keine Antisemiten, sonden nur Antizionisten und Israelkritiker - das ist ja was gaaaanz anderes" niemand darüber gedanken, wer diese Regierungen gewählt hat - und warum.
hartmuk
Gast
"Judentum bedeutet eben nicht nur immer Verfolgung und Elend und Katastrophen", hatte er bereits in der Frankfurter Paulskirche bei seiner Rede zum Jahrestag der Pogromnacht vom 9. November 1938 gesagt. Statt überkommener Klischees sollten künftig mehr Herzlichkeit, Temperament, Lebenslust und modern ausgelebte Tradition herausgestellt werden."
Endlich. Ich wünsche Hern Graumann viel Erfolg bei der Durchsetzung seiner Pläne!
Wir werden erst endgültig über Hitler gesiegt haben, wenn Juden und Judentum ein ganz normaler Bestandteil unserer Gesellschaft geworden sind. Das heisst nicht, den Holocaust zu vergessen. Aber jüdische Mitmenschen nur als Nachkommen der Holocaustopfer und früherer Pogrome zu sehen, macht einen normalen Umgang unmöglich. Broder & Co mögen bei dem Wort "Normalität" aufkreischen, aber genau das ist es, was Juden in unserem Land brauchen. Wenn sich z.B. eine israelische Wissenschaftlerin dazu entscheidet, in Deutschland zu arbeiten, möchte sie als Kollegin akzeptiert werden, wie Leute aus Italien, Australien oder Uganda auch, und nicht als Wundertier angesehen weren, mit dem man nicht normal kommunizieren kann.