Krise: Stille im Stadion

Die Fussballer des Hamburger SV lassen sich bei der 2:4-Heimniederlage gegen Leverkusen vorführen. Während Trainer Armin Veh seinen Spielern Angst attestiert, entlädt sich vor dem Stadion der Unmut der Fans.

Die HSV-Profis nach dem 2:4 gegen Leverkusen. Bild: dpa

Gegen 18.18 Uhr, eine Stunde nachdem der Hamburger SV vor 51.200 Zuschauern im eigenen Stadion mit 2:4 (0:1) gegen Bayer 04 Leverkusen verloren hatte, versammelten sich etwa 80 Anhänger des HSV vor dem Eingang zur Haupttribüne und skandierten, was sie schon während des Spiels gebrüllt hatten: "Wir ham die Schnauze voll." Und: "Vorstand raus." Und: "Hoffmann raus." Und wieder: "Wir ham die Schnauze voll." 40 Polizisten in voller Kriegsbemalung drum herum, auch Reiterstaffel. Nur das "Wir wolln euch kämpfn sehn", das beim Stand von 1:4 erklungen war, kam nicht mehr. Das hätte die Polizei als Aufforderung verstehen können.

Als der Bus von Bayer durchs Fanspalier fuhr, wurde geklatscht, die Pferde wieherten und wedelten mit dem Schweif. Für einen Moment wurde es sehr weihnachtlich, dabei herrscht beim HSV keine Besinnlichkeit, sondern Unmut. Ein paar tausend Plätze im Stadion blieben leer und ein paar Tausend von denen, die da waren, gingen früher. Keiner von denen, die gingen, trauten dem HSV zu, das Spiel noch zu drehen. Auch keiner von denen, die dageblieben waren. Beim HSV braut sich was zusammen.

Was die Spieler von Bayer 04 mit dem HSV machten, war demütigend. Ein Klassenunterschied wurde deutlich. Torschütze Sidney Sam, den der HSV vor der Saison für 2,2 Millionen Euro an Bayer verkauft hatte, herzte nach dem 0:1, es fiel nach einer halben Stunde, das Bayer-Emblem auf seinem Trikot und zeigte dreimal auf seine Rückennummer. Sein Verkauf hatte, wie Sportdirektor Bastian Reinhardt sagte, "nicht nur sportliche Gründe", sondern auch mit einem "Verstoß gegen die Hausordnung" des HSV-Internats aus dem Jahr 2006 zu tun. Sam genoss sein Tor, er wollte es einigen beim HSV zeigen. Mit Erfolg.

HSV-Trainer Armin Veh versuchte es mit einer Raute, also einem defensiven Mittefeldspieler - David Jarolím - vor der Viererkette, und einem offensiven Mittelfeldspieler - Piotr Trochowski - hinter zwei Spitzen. Und Veh setzte, wie von Teilen der Hamburger Presse vehement gefordert, auf alte, erfahrene Spieler: Jarolím, 31 Jahre alt, den er in der 76. Minute auswechselte, Zé Roberto, 36 Jahre alt, der angeblich mehrere Angebote aus Brasilien hat, den er in der 67. Minute auswechselte, und den Stürmer Ruud van Nistelrooy, 34 Jahre alt, den er nur nicht auswechselte, weil er den lange verletzten Linksverteidiger Dennis Aogo herausnehmen musste. Das HSV-Durchschnittsalter lag mit knapp unter 30 deutlich zu hoch, um gegen eine Mannschaft wie Bayer bestehen zu können.

Den Ausgleich bekam der HSV per Eigentor von Leverkusens Arturo Vidal (49.) geschenkt, nach einer Ecke von Zé Roberto. Dann traf Vidal aus Leverkusener Sicht ins richtige Tor (61.), außerdem folgten zwei Treffer von Renato Augusto (66., 78.), einer schöner als das andere. Hamburgs Eljero Elia, der bei seiner Einwechslung ausgepfiffen wurde, traf per Abstauber zum Endstand (79.). Auch da Pfiffe. Dann wurde es sehr still im Stadion, als sich die Zuschauer anschauten, wie der HSV vorgeführt wurde.

Veh sagte über seine Mannschaft: "Es ist nicht so, dass die nicht wollen. Die haben Angst." Und er sagte: "Wir stecken in einer Krise. Einer schweren Krise." Seine und die Aufgabe der anderen Trainer sei es nun, "die Mannschaft da rauszuziehen". Da er gerade dabei war, sagte der Trainer auch noch, dass er immer höre, der HSV versinke im Mittelmaß, "dabei müssen wir aufpassen, dass wir nicht unten reinrutschen".

Am Freitag spielt der HSV zum Abschluss der Vorrunde gegen Mönchengladbach, ein Team, das in dieser Saison noch kein Heimspiel gewonnen hat. Kann sein, dass die Hamburger für die Borussia die Gelegenheit sind, diese Serie zu beenden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.