piwik no script img

Debatte ElfenbeinküsteDie Nacht der Hyänen

Wie kann es sein, dass einstige Kämpfer für Demokratie heute die Diktatur Laurent Gbagbos unterstützen? Ein Brandbrief eines ivorischen Intellektuellen an Gbagbos Sprecherin Jacqueline Oble.

Trat als unabhängige Kandidatin an, jetzt ist sie Gbagbos Sprecherin: Jacqueline Lohoues Oble. Bild: reuters

Die Nacht ist gefallen. Und ich höre das fiese Gelächter der Hyänen, übelriechend, herumstreunend, die Zähne gebleckt, auf der Suche nach Aas.

Die Nacht ist über die Elfenbeinküste gefallen. Laurent Gbagbo hat seine liberianischen und angolanischen Killer von der Leine gelassen. Nichts zieht sie so an wie der Geruch von Blut und das Versprechen von Beute, von Vergewaltigung, von Plünderung. Und ich höre seine Wachhunde, wie sie gegen die gesamte Welt bellen und alle verdammen, die nicht auf ihrer Seite stehen. "Gott ist mit uns", stoßen sie hervor. Gott? Oder der Teufel?

Die Nacht ist über unsere Elfenbeinküste gefallen. Die Nacht der langen Messer? Oder die Nacht des befreienden Opfers? Die Hyänen streunen herum. Aber die Jäger sind auf der Pirsch. Hören sie sie kommen? Es kümmert sie nicht. Sie brauchen Aas. Sie wissen, dass Menschen gefallen sind. Zu feige, um sich lebende Ziele zu suchen, bevorzugen sie Leichen. Zu beschäftigt mit dem Zerreißen des Fleisches, dem Zerknacken der Knochen, hören sie nicht, wie die Jäger sich nähern.

Laurent Gbagbo hat seine Milizen und Söldner von der Leine gelassen. Hörst du sie nicht, Jacqueline? Jacqueline Lohoues Oble, hörst du nicht die Schüsse, die durch unsere Nächte peitschen, das Wimmern der verwundeten Körper, die sich auf der Erde wälzen, das hysterische Schreien der Mütter, die ihre toten Kinder beweinen? Nein, Jacqueline, du bist Laurent Gbagbos Sprecherin, aber du hast nichts gehört. Du hast nichts gesehen. Die jungen Leute, die in Abobo und Adjamé getötet wurden, die in Bassam von der Polizei verschleppt wurden; die Frauen aus dieser Stadt, von der Soldateska verprügelt und nackt ausgezogen. Jacqueline, welchen Pakt hast du mit Laurent Gbagbo besiegelt, um auf diese kranke Rolle reduziert zu werden?

Du warst die erste Juraprofessorin in ganz Afrika südlich der Sahara, Jacqueline. Du warst die Doyenne der juristischen Fakultät von Abidjan. Du warst Justizministerin zu den Zeiten von Houphouet-Boigny. Nun lässt du dich herab, in eine Phantomregierung einzutreten, gemeinsam mit einem Blé Goudé, der sein Diplom erschwindelt hat und von der UNO wegen Mordes und Vergewaltigung mit Sanktionen belegt wurde?

Bild: privat

Vénance Konan, geb. 1958, ist Journalist und Schriftsteller aus der Elfenbeinküste. 2003 veröffentlichte er den Bestsellerroman "Les prisonniers de la haine". Im Januar 2011 veröffentlicht er im Verlag Marcel Favre (Schweiz) sein neues Buch "Chroniques afro-sarcastiques: 50 ans d'indépendance, tu parles!"

Was ist mit dir passiert, Jacqueline? Sag mir bloß nicht, dass du Laurent Gbagbo bewunderst. Laurent Gbagbo, der Prahlerei zur Staatskunst erhoben hat, der seine Studentengewerkschaftler das Schulsystem hat zerstören lassen, der auf Demonstrationen der Bevölkerung immer mit scharfer Munition antwortet, der die Korruption Besitz von der gesamten Gesellschaft hat ergreifen lassen. Nein, Jacqueline, sag mir bloß nicht, du seist stolz darauf, was Laurent Gbagbo aus unserem Land gemacht hat!

Wir haben dich einst bewundert, zum Beispiel als du 1998 von deinem Mandat in der Nationalversammlung zurücktratest, oder als du zur Präsidentschaftswahl kandidiertest. Wir haben dich unterstützt, als die alten rückschrittlichen Machos aus deiner Heimat dir sagten, die Präsidentschaft sei nichts für eine Frau. Wir waren von deinen Reden begeistert. Und nun redest du für den Totengräber der Demokratie? Jacqueline!

Du bist Juristin. Du sagst, das Verfassungsgericht habe das letzte Wort bei unseren Wahlen, und da er Laurent Gbagbo zum Wahlsieger erklärt hat, muß man ihn als solchen anerkennen. Aber wenn das Verfassungsgericht das letzte Wort hat, dann um Recht zu sprechen, nicht um es zu beugen. Was sagst du denn zu Artikel 64 des ivorischen Wahlgesetzes, wonach im Falle der Feststellung schwerer Unregelmäßigkeiten, die die Regelmäßigkeit des Wahlgangs beeinflussen und das Gesamtergebnis in Frage stellen, die Wahl annulliert werden muss und die Regierung auf Vorschlag der Wahlkommission einen neuen Wahltermin innerhalb von 45 Tagen ansetzen muss?

Wenn Verfassungsgerichtspräsident Yao-Ndré, wie er behauptet, schwere Unregelmäßigkeiten in sieben Departements feststellt, und dass diese das Gesamtergebnis verfälscht hätten, warum hat er nicht das Recht angewandt und die Wahl insgesamt annulliert, wie es das Gesetz vorschreibt? Und warum hat Gbagbo akzeptiert, dass die Wahl in letzter Instanz von der UNO gebilligt werden muss, wenn ihm das Wort Yao-Ndrés genügt?

Wieso duldest du diese Schmierenkomödie, Jacqueline? Um einen Ministerposten in einer Regierung zu ergattern, die die Mehrheit der Ivorer ablehnt, die im Ausland niemand anerkennt, die die Presse knebelt, die liberianische und angolanische Söldner ins Land holt, um jeden Tag und jede Nacht Ivorer zu töten und unsere Frauen zu vergewaltigen? Du, Jacqueline, bittest nun die UNO und die Franzosen, ihre Truppen abzuziehen, um die Bevölkerung schutzlos den Zähnen der Hyänen zu überlassen. Und du wirst wahrscheinlich die Hymne der gebeutelten Souveränität und des internationalen Komplotts gegen dein Land ertönen lassen. Was für eine Schande!

Du siehst nicht, dass die Nacht über die Elfenbeinküste gefallen ist. Du siehst nicht, dass man dabei ist, die Demokratie zu töten, und dass sie um Hilfe ruft. Du siehst nicht, dass in unserem Land die schlimmste aller Diktaturen im Begriff ist, sich zu installieren. Kannst du wirklich ruhig schlafen? Nein, ich glaube das nicht. Man zwingt dich zu singen, Jacqueline. Sag es uns. Sag uns, dass du es nicht freiwillig machst. Gib bitte nicht jenen recht, die sagen, Afrikas Unglück seien seine Intellektuellen, die das Füllen ihres eigenen Bauchs über die Interessen ihrer Länder stellen. Es ist noch Zeit, dass du dich eines Besseren besinnst und dich den Kämpfern für Demokratie anschließt.

Denn der Tag wird kommen, das weißt du. Die gefräßigen Hyänen, denen das Blut von den Zähnen tropft, verstecken sich vor dem Tageslicht. Werden sie dafür Zeit haben? Ich bezweifle es. Sie hören nicht, wie die Jäger kommen, während sie sich ihrem Festschmaus hingeben. Die Jäger des Internationalen Strafgerichtshofs werden die stinkenden Hyänen bis in ihre dreckigen Höhlen verfolgen. Du weißt das, Jacqueline. Du bist Juristin. Wo wirst du sein, wenn die Jäger kommen? - (Übersetzt von Dominic Johnson)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • N
    Neocons

    Das ist ein Skandal.

    Die ganze westliche Medienwelt hat sich von der Propaganda von Herrn Choi, den US und den französischen Botschafter in cote d'ivoire einspannen lassen.

    Dass klingt unglaublich aber es ist wahr.

    Keiner macht sich die Mühe die Argumente von Herrn Gbagbo zu überprüfen. Alle glauben den UN-Entsandter.

    Aber die Wahrheit ist dass in über 2000 Wahllokalen im Norden es mehr abgegebene Stimmen als registrierte Wähler gab. In über 500 Wahllokale im Norden hat Gbagbo keine einzige Stimme bekommen obwohl er mindestens 2 Representanten in jedem Wahllokal hatte. Wer soll glauben dass seine eigenen Leute für ihn nicht gewählt haben?

  • JM
    Jörg Moje

    Kenne mich schon ein wenig aus in CiV, lange dort gelebt, gearbeitet und meine Frau kommt aus der Elfenbeinküste.

    Unsere Informationen sind da schon auf neuestem Stand.

    Quattara ist auf jeden Fall der bessere Präsident, weil gewählt, wobei Neuwahlen (siehe Verfassung CiV)besser gewesen wären.

    Gbagbo seine Leute haben die Wähler ebenfalls an der Wahl gehindert, nur perfider.

    Die Massengräber befinden sich in Abidjan und Umgebung und nicht erst seit der Wahl.

    Die "Ivoirite" hat Gbagbo perfektioniert und auch den Preis für die "Carte de Sejour" in unglaubliche Höhe getrieben.

    Dafür geben die Ivoirer aus Gbagbo seinem Dunstkreis mal eben 2000 € am Abend in der Disco in Paris aus.

    Fürs Volk hat er aber noch nichts getan, nur für seine Tasche und für die Hurra-Schreier seiner Politik (Ble'Goude').

    Ein wenig Demokratie in Afrika ist nicht schlecht, ansonsten machen diese Diktatoren, Despoten und "Präsidenten" auf Lebenszeit weiter,

    plündern ihre Länder aus und es ändert sich nichts.

    Beispiele dafür gibt es genug.

  • 1
    1-Gaou

    @Jörg, keine Ahnung wie du daruaf kommst, dass ich die Elfenbeinküste nicht kenne? Machen wir Ratespiele? Ist das ein Argument? Soll umgekehrt nun selbes von dir behaupten? Ich halte mich lieber an Tatsachen und Fakten: ich weiß - scheinbar im Gegensatz zu dir - z.B. dass die "Carte de Sejour" (die Ausländeraufenthaltsbescheinigung) von Outtara unter Diktator Boigny eingeführt wurde! Ich weiß auch, dass der Begriff "Ivoirité", den man dauernd Gbagbo anhängen will, von Bedié stammt! Ich weiß auch, das Ouattara in seinem Wahlkampf versprochen hat, dass die Partei Bedié's (zur Erinnerung: er war 3. der ersten Wahl) den Premierministerposten bekommen wird, um dessen Wähler an sich zu binden - was hat er gemacht: er hat stattdessen den Rebellenführer Soro zum Ministerpräsidenten nominiert! Ouattara hat bestritten, für den Militärputsch durch die Rebellen verantwortlich zu sein, jetzt wohnt er mit ihnen im Golf-Hotel und von dort aus haben seine Rebellen letzte Woche Donnerstag einen weiteren Putschversuch unternommen. Ich weiß von 95 getötenten Polizisten samt deren Familien allein in Bouaké. Ich weiß vom Sprecher der Afrikanischen Wahlbeobachter Kogou Koffigoh (ex-Premierminister von Togo), dass es schwerwiegende Gewaltanwendungen während der Wahl gab, insbesondere Morde und Körperverletzung. Das kann man auch alles recherchieren (falls man es nicht schon weiß).

    Und woher hast du deine Informationen?

    Hast du das Dossier der Cooperation US, Sarkozy und EU auf wikileaks gelesen, wenn du schon mein Gerede über Neokolonialismus als "sinnlos" bezeichnest? ich hoffe, der mitgelieferte link zu wikileaks wird mitveröffentlicht, wenn nicht du findest diesen und alle weiteren links zu all diesen Aussagen auf Ivoir Leaks http://wikileaks.harvo.de/cable/2008/08/08PARIS1501.html besonders interessant zum Thema §21

  • GS
    Gunnar Sturm

    @Jörg Moje

     

    Vielleicht haben wir es auf beiden Seiten mit "Mörderbanden" zu tun?

     

    Sehen Sie sich doch die Gräultaten an, die durch Rebellenhand geschahen, und lesen Sie mal in der FAZ den Bericht von Thomas Scheen:

    Bouake=Hinrichtung von 60Polizisten und Teile Ihrer Familien

    Abschlachten ganzer Dörfer, incl. aller Perversionen

     

    So toll finde ich Gbagbo auch nicht, z.B. neigt er dazu sich nicht an Versprechen zu halten.

     

    Ich habe große Angst: Wenn die Rebellen über Abidjan herfallen, ich befürchte Säuberungsaktionen.

    Wenn Sie einen gangbaren Vorschlag für eine Lösung des Konfliktes anbieten könnten? Ich würde Sie dann gerne unterstützen.

  • GS
    Gunnar Sturm

    In diesem Punkt hat er recht:

    Gbagbo hätte sich nicht zum Wahlsieger ausrufen lassen dürfen. Richtig wäre eine Annulation der Wahl gewesen!

     

    Ich vermute er hat sich wegen der Parteilichkeit der UNOCI, den Versuch Ouattara als Präsidenten einzusetzen dazu genötigt gesehen.

     

    In einem Punkt aber meine Gegenrede:

     

    Zitat Präsidentin Sirleaf:

    "Des milices libériennes, envoyées par le président Charles Taylor, avaient

    soutenu la rébellion qui essayait d`évincer Laurent Gbagbo."

     

    Und auch Wikileaks kann man entnehmen das die Söldner auf der Seite der Rebellen (Ouattara/Soro) kämpften. Diese Art von Söldnern würde nie gegen einen stärkeren Gegner (Licorne) antreten.

  • S
    someone

    Wow, sehr schöner Text!

  • JM
    Jörg Moje

    Endlich mal klare Worte, die der Wahrheit entsprechen.

    Frage mich wo die Kommentare der Leute bleiben, die vor kurzen noch für Gbagbo und seine Mörder-Clique geschrieben haben, bzw. die nichts wissen über Cote d' Ivoire, aber sich zu Wort melden mit sinnlosen Gerede über Neokolonialismus etc.