: Corporate Social Responsibility
Ist „gesellschaftlich verantwortliche Unternehmensführung“, „Corporate Social Responsibility“ (CSR), ein Modethema, das seine Hochkonjunktur schon hinter sich hat? Oder ist es eines der großen Zukunftsthemen der Gesellschaftspolitik? Ein entscheidender Vorteil des neuen Verantwortungs-Diskurses liegt darin: Das Unternehmen wird stärker als eine gesamtgesellschaftliche Veranstaltung wahrgenommen, von der die Interessen vieler abhängen. Unternehmerische Entscheidungen haben Folgen nicht nur für die Investoren und Beschäftigten, sondern auch für die Kunden, die Umwelt, die betreffenden Kommunen und Regionen, die Zulieferer.
Aufschlussreich ist eine repräsentative Umfrage des imug-Instituts aus dem Jahr 2003. Darin wurden 1.000 Personen über ihr Kaufverhalten befragt. 34 Prozent der Befragten gaben an, dass sie Produkte verantwortungsvoller Unternehmen immer oder oft bevorzugen. Das klingt zunächst nicht schlecht. Doch 1993 waren es nach einer Umfrage von imug und Emnid noch 58 Prozent der Befragten. Knapp ein Drittel gab 2003 an, Produkte verantwortungsvoller Unternehmen nicht vorzuziehen. 1993 war es nur jeder Neunte.
Daraus resultiert die Frage, ob es sich tatsächlich um eine bewusste Entscheidung der Konsument(inn)en handelt und inwiefern sich sowohl das Bewusstsein als auch das Verhalten inzwischen verändert haben. Es ist bekannt, dass Bewusstsein und Verhalten nicht immer übereinstimmen. Und natürlich stellt sich auch die Frage, weshalb sich die Zahlen so deutlich verändert haben. Sinkende Haushaltseinkommen, unsichere Arbeitsplätze oder Arbeitslosigkeit werden häufig als Gründe genannt, ebenso wie das Gefühl der Macht- und Einflusslosigkeit Einzelner gegenüber den Interessen der Wirtschaft. Letztlich auch die Vorstellung, dass es Aufgabe des Staates ist, bestimmte Standards durchzusetzen und die Bürger(innen) vor gefährlichen Produkten und schlechten Arbeitsbedingungen zu schützen.
Und genau an diesem Punkt hat die CSR-Debatte ihr emanzipatorisches Potenzial. Sie entlässt die staatliche Politik nicht aus ihrer Verantwortung, aber sie verlässt sich nicht auf sie. Bislang warten alle, an der Spitze die Wirtschaft, ob der Staat handelt. Dass die Unternehmen die Chance der Freiwilligkeit einfordern und den Druck des Staates ablehnen, wird von ihren Kritikern gern als Suche nach der leichteren Unterlassungsmöglichkeit gewertet. Aber wie weit wir mit dem Staat als Alleinverantwortlichem gekommen sind, zeigt der Zustand unserer (Um-)Welt. Verantwortung nicht als Schwarzer-Peter-Spiel zu organisieren, sondern, wie es der CSR-Ansatz favorisiert, als öffentliches Anliegen, könnte der bessere Weg sein.
Es geht eben nicht um die Umschichtung von Verantwortung, um den Rückzug des Staates in eine Nachtwächterrolle, sondern um einen Zugewinn an Verantwortung durch mehr zivilgesellschaftliche Aufmerksamkeit. Die wichtigste Erfolgsbedingung ist Transparenz. Belastbare Informationen statt lästiger PR, leicht lesbare Kennzeichnungssysteme und eine überprüfbare Unternehmensberichterstattung.
KATHRIN ANKELE
Kathrin Ankele ist Biologin am Berliner Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW).