die wahrheit: Aktenzeichen XY Reloaded

Oft kommt man zurück und ist überrascht, dass sich eigentlich nichts geändert hat. Die Betonung liegt auf "eigentlich", denn zunächst einmal sieht es ja meist ganz anders aus …

... Jeder kennt das vom Heimaturlaub: Wie ein Spätheimkehrer aus russischer Kriegsgefangenschaft irrt man durch die Straßen der Kindheit und wundert sich über Zerstörung und Wiederaufbau: Über potthässliche Multiplexe zum Beispiel, manchmal über komplett neu angelegte Stadtviertel. Aber irgendwann kommt man immer an die eine Parkbank, erinnert sich an hakelige Zahnklammerküsse und ist verwundert, dass die Bank immer noch existiert. Und dann wird man ruhig.

Ähnlich geht es mir auch mit Phänomenen wie "Aktenzeichen XY … ungelöst", das ich mir kürzlich nach 30 Jahren Abstinenz mal wieder anschaute. Schon als Kind rezipierte ich die Sendung als reines Humorprodukt: Der XY-Mastermind Eduard Zimmermann sah aus wie der Schwippschwager von Heinz Erhardt und sprach wie ein hastig zusammengelöteter Roboter.

Ich kenne allerdings Menschen, denen die nachgespielten Totmachszenen wochenlang Angst einjagten. Schon ein Einstieg wie "2. Juli 1974, ein Montag. In Altenritte, einem kleinen Ort bei Baunatal, sitzt die Familie Warnke wie jeden Morgen beim Frühstück. Doch etwas ist anders an diesem Tag" beschrieb eine von einer grauen Wolke verdunkelte Normalität, die manch einem das Blut in den Adern gefrieren ließ. Mir nicht.

Ich wartete auf den ersten schlecht nachgemachten Dialekt und freute mich über Sätze wie "Vermutlich hat der Täter sein Aussehen inzwischen verändert und sieht jetzt so aus" und das dann folgende Foto, auf dem man einen Mann mit fetten Koteletten sah, der eine verblüffende Ähnlichkeit mit meinem Cousin Walter hatte. Und genau so ein Foto bereitete mir auch beim Anschauen des neuen "Aktenzeichen XY" wieder große Freude. Zwar ist jetzt alles Sonstige anders: Ede heißt nun Rudi Cerne, das Studio ist groß und bunt, aber die Fotos …

In diesem Fall zeigte man zwei Bilder des Tresorknackers Dietmar Linke. Eins von 1996 und dann das gleiche Foto, das - so der LKA-Beamte - mithilfe einer aufwendigen "Aging"-Computersoftware bearbeitet worden wäre. Damit könne man den Alterungsprozess simulieren und darstellen, wie Linke wohl heute aussehe. Die einzige Differenz zwischen beiden Bildern war allerdings, dass Linke auf dem neuen Foto leicht graue Haare hatte. Für die hätte man jedoch kein Computerprogramm gebraucht - da hätte es auch ein Filzstift getan.

Das fiel dann auch Herrn Cerne auf, der grummelte, dass da ja kein großer Unterschied zu sehen sei, um schnell zum nächsten Punkt überzuleiten: Dietmar Linkes Lache. Die sei nämlich so auffällig, dass man ihn gut daran erkennen könne. Und dann wurde sie eingespielt: Mindestens eine Minute hysterisches Gewieher. Der Kriminaler versuchte ernst zu kucken, und Rudi Cerne tat so, als sei er ein seriöser Moderator. Und ich lachte mit. Wie eigentlich immer schon bei "XY". Alles hatte seine Ordnung.

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kari

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