Beschluss des Bundesverfassungsgerichts: Geschiedene Frauen finanziell gestärkt

Heiratet ein geschiedener Mann noch einmal, muss seine Frau aus erster Ehe nicht mehr auf Unterhalt verzichten. Ein entsprechendes Urteil des Bundesgerichtshofs wurde korrigiert.

Eine Scheidung ist teuer, da hilft's auch nicht, nochmal zu heiraten. Bild: dpa

BERLIN taz | Viele geschiedene Ehefrauen können mit mehr Geld von ihrem Exmann rechnen. Dessen neue Familie wird dagegen weniger Geld zur Verfügung haben. Das sind die Folgen einer am Freitag veröffentlichten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Es kassierte dabei ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2008. Der BGH habe eine unzulässige Rechtsfortbildung vorgenommen, heißt es.

Bis 2008 galt nach einer Scheidung und Neuheirat folgende Regel: Vom Einkommen des unterhaltspflichtigen Exgatten (meist des Mannes) wurden zunächst die Ansprüche der Kinder abgezogen, dann wurde das verfügbare Einkommen halbiert. Die eine Hälfte ging an die geschiedene Exfrau, soweit sie unterhaltsbedürftig war. Die andere Hälfte stand dem neuen Ehepaar zur Verfügung. Eine Neuheirat konnte die Unterhaltsansprüche der Exfrau also nicht schmälern.

Im Juli 2008 änderte der BGH jedoch die Regeln. Das nach Abzug des Kindesunterhalts verfügbare Einkommen des Mannes wird nun nicht mehr halbiert, sondern gedrittelt, entschied der BGH. Nun stand also beiden Frauen und dem Mann je ein Drittel des Resteinkommens zu. Die neue Familie hatte zusammengezählt zwei Drittel der Einkünfte des Mannes zur Verfügung statt wie bisher nur die Hälfte. Die Exfrau bekam nur noch ein Drittel.

Im konkreten Fall hatte eine Frau geklagt, die von 1978 bis 2002 verheiratet war. Wie schon in den letzten zehn Ehejahren arbeitete sie auch nach der Scheidung ganztägig. Sie erhielt daher nur Aufstockungsunterhalt zur Aufrechterhaltung der ehelichen Lebensverhältnisse. 618 Euro monatlich musste ihr Exmann zahlen. Als dieser 2008 neu heiratete, verlangte er - unter Berufung auf die Drittelungsmethode des BGH - eine Neuberechnung des Unterhalts. Das Gericht folgte dem BGH und senkte die Zahlungspflicht auf 488 Euro pro Monat.

Die Klage der Exfrau hatte nun Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht erklärte das Grundsatzurteil des BGH für verfassungswidrig. Das oberste Zivilgericht habe sich über den eindeutigen Wortlaut des Gesetzes hinweggesetzt und damit die "wirtschaftliche Handlungsfähigkeit" der Frau und das Rechtsstaatsprinzip verletzt. Im Bürgerlichen Gesetzbuch stehe eindeutig, dass sich der Scheidungsunterhalt nach den "ehelichen Lebensverhältnissen" bemesse. Mit keiner Auslegungsmethode könne man zu dem Ergebnis kommen, dass eine neue Heirat die Unterhaltspflicht reduziere, kritisierten die Verfassungsrichter. Der BGH habe unbefugt einen "Systemwechsel" vorgenommen.

Damit hat Karlsruhe aber nicht die Drittelungsmethode für verfassungswidrig erklärt, sondern nur ihre Einführung durch den Bundesgerichtshof. Der Bundestag könnte die Stärkung der Neufamilien per Gesetz durchaus anordnen. Dies würde auch zur Unterhaltsreform passen, die Anfang 2008 in Kraft getreten ist. Dort wurde auch stärker betont, dass ein Geschiedener seinen Unterhalt grundsätzlich durch eigene Erwerbsarbeit erwirtschaften muss. Außerdem können Unterhaltsansprüche seither leichter befristet und in der Höhe beschränkt werden. Diese gesetzlichen Regelungen bleiben auch nach dem aktuellen Beschluss bestehen. (Az.: 1 BvR 918/10)

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