Schüler-Mobbing im Netz: Share dich zum Teufel
Lästereien und Diffamierungen: Die Website iShareGossip.com ist längst ins Blickfeld von Anti-Mobbing-Initiativen geraten. Auch die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Was unscheinbar aussieht, muss noch lange nicht unscheinbar sein: isharegossip.com. Bild: screenshot isharegossip.com
Hart, härter, iShareGossip.com: In diesem Messageboard können Jugendliche ihre "Neuigkeiten, Gerüchte und Lästereien" posten und diskutieren lassen. Die Seite wirbt damit, ihre Nutzer absolut anonym zu behandeln. Die Botschaft lautet: hier könnt ihr ruhig die Sau rauslassen. Und so ist es dann auch: "wer hat den geilsten arsch der schule?!", fragt ein User, oder: "hübschestes/hässlichstes mädchen?"
"Etwas Vergleichbares hat es im deutschen Internet bisher noch nicht gegeben", sagt Margit Ricarda Rolf von der Mobbing-Zentrale in Hamburg. "Vor allem die Dreistigkeit, mit der hier vorgegangen wird, ist einmalig." Ins Blickfeld der Mobbingexperten geriet iShareGossip schnell: Immer wieder, beinahe täglich, tauchen Diffamierungen eindeutig identifizierbarer Personen auf, manchmal auch mit vollem Namen. Die Staatsanwaltschaft in Frankfurt am Main ermittelt.
Dann kann in den ersten Google-Ergebnissen zum Namen neben dem Facebook-Profil auch die Festellung stehen, der Betreffende sei "ein Opfer" und sehe aus "wie ein stück scheße". Die Seite ist auch eine Dokumentation über die Beschimpfungspraxis deutscher Teenager: momentan sind "Opfer" und "Knecht" als Herabwürdigungen sehr verbreitet – und "Jude".
Viele Schüler wollen bei solch übler Nachrede nicht tatenlos zusehen. Häufig versuchen Nutzer, mäßigend in die Diskussion einzugreifen und die Mobber zu Fairness und Mäßigung zu überreden - mit geringem Erfolg. Die Zahl der diffamierenden und verletzenden Posts hat die letzten Wochen eher zu- als abgenommen. Bisweilen melden sich auch die Beleidigten zu Wort, oft aber trauen sie sich nicht.
"Es ist gut, die Beiträge zu dokumentieren", sagt Stefanie Kutscher von klicksafe.de, der EU-Initiative für mehr Sicherheit im Netz, zum Beispiel durch Screenshots. Wichtig sei auch, die Schule zu benachrichtigen, damit sie sich mit dem Thema auseinandersetzt. Und vor allem sollen Mobbing-Opfer darüber reden, mit den Eltern, mit Lehrern, mit Hilfsangeboten wie der Nummer gegen Kummer.
Es gab einige Versuche, die Seite vom Netz zu nehmen: den Ermittlungsbehörden liegen Anzeigen vor wegen Beihilfe zur Beleidigung, übler Nachrede oder auch Bedrohung. Allerdings ist die Seite in Schweden gehostet: die Behörden hoffen auf Amtshilfe ihrer Kollegen vor Ort. Das Familienministerium hat bereits einen Indizierungsantrag gestellt, damit die Seite zumindest über deutsche Suchmaschinen nicht mehr auffindbar ist.
Einen anderen Weg will Margit Ricarda Rolf einschlagen. "Wir versuchen zivilrechtlich vorzugehen." Sollte sich ein konkretes Opfer finden, das bereit wäre, Schadensersatzansprüche geltend zu machen, wäre es möglich, die Seite pfänden zu lassen. Dann würden die Betreiber ohnehin bekannt werden. Bis dahin seien vor allem die Schulen gefordert, über das Thema zu sprechen und die Schüler zu sensibilisieren.
Wann die Gegenmaßnahmen Erfolg haben, ist nicht abzusehen. Inzwischen organisiert sich auch bei den Nutzern der Seite der Widerstand: vor zwei Wochen hatten sich einige kritische Moderatoren verabredet, massenhaft Spambeiträge freizuschalten. Sie wurden alle ihrer Pflichten enthoben. Bis heute überschwemmen Kritiker die Seite so oft es geht mit unsinnigen Beiträgen.
Die Betreiber der Seite äußern sich normalerweise nicht zu den Vorwürfen. Alexander Liepa, laut Impressum Verantwortlicher, reagiert auch nicht auf die taz-Anfrage. Nur dem Stadmagazin Journal Frankfurt gab einer der Betreiber ein Interview. Der Erfolg der Seite käme in erster Linie dadurch zustande, dass sie die Rachegefühle und die Feigheit der Nutzer bediene. Auf die Frage, was er tun würde, wenn jemand wegen iShareGossip von der Brücke springt, wusste er kaum etwas zu sagen: "Eine Katastrophe wäre das, absolut katastrophal. Aber so spontan kann ich dazu nichts sagen. Da müsste ich ausführlicher drüber nachdenken."
Sollten Staatsanwaltschaft oder die Mobbing-Zentrale in Hamburg Erfolg haben, hätte das einen angenehmen Nebeneffekt: die Macher hätten etwas Zeit, sich auch mal Gedanken zu machen
Leser*innenkommentare
Max
Gast
Was Mobbing bei Schülern auslöst und welche Konsequenzen das später bis in das Erwachsenenleben hat, zeigt dieser krasser Erfahrungsbericht.
http://ichboykottiereisharegossip.wordpress.com/2011/03/02/eigentlich-ist-es-ja-auch-meine-schuld/
Es ist erschreckend zu sehen, wie naiv Kinder und Jugendliche mit den neuen Medien umgehen. nur die wenigstens sind sich darüber bewusst, was mit solchen Beiträgen auf isharegossip.com in ein paar Jahren geschieht, wenn die jetzigen 9-Klässler ins Berufsleben einsteigen wollen.
Arne Babenhauserheide
Gast
Wenn es in Schweden legal ist, geht halt gegen die .com Domain vor.
Aber erstmal prüft doch, ob die Aussagen in Schweden strafbare Beleidigungen sind.
Vor allem, da es in Schweden Gesetze gegen Mobbing gibt, die Seite also recht wahrscheinlich in Schweden eben nicht legal ist.
Frédéric Valin
Gast
@DiversityAndEquality Sie haben Recht. Wenn ich schon explizit werde bei den Beschimpfungen, darf ich das nicht außen vor lassen. Das ist ein Versäumnis meinerseits. Vielen Dank für den Hinweis.
DiversityAndEquality
Gast
Es ist bezeichnend, dass auch die taz die Tatsache ausblendet, dass sich die allermeisten Beschimpfungen auf der genannten Seite auf Homosexualität beziehen. Warum blendet ihr das aus???
"Schwul" als Schimpfwort, "Schwuchtel", "Drecksschwuchtel" und weitere Steigerungen sind an der Tagesordnung. Und gerade diese Art von verbaler und psychischer Gewalt in DEM sensibelsten Bereich der Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen führt bekanntermaßen zu den schwersten emotionalen Verletzungen bis hin zu einem vielfach höheren Suizidrisiko der betroffenen Jugendlichen.
Aber wie stellte das zuständige Ministerium der BananenRepublik Deutschland, in der sogar offener Betrug des schwarz-braun-gelben Kartells folgenlos bleibt, neulich in Reaktion auf letztgenannte Tatsache fest: "Kein Handlungsbedarf."
O.Q.
Gast
Der Server-Provider, bei dem die Seite liegt, wirbt:
"PRQ is globally known for:
Refugee hosting
Our boundless commitment to free speech has been tested and proven over and over again. If it is legal in Sweden, we will host it, and will keep it up regardless of any pressure to take it down."
"Free speech" ist manchmal ein zweischneidiges Schwert.
Tobias Claren
Gast
Um die Seite "pfänden zu lassen", müssten die Schweden erst mal mitspielen.
Diesbezüglich begrüße ich diese Seite sehr. Sie zeigt auf was im Ausland möglich ist, und könnte Nachahmer animieren eigene Seiten zu eröffnen. Keine einfachen Kopien, es gibt ja auch noch die Nachbarn, Beamten, Arbeitsamt/Jobcenter-Beamten, Polizisten, Staatsanwälte, Richter.
Im Gegensatz zu dem belanglosen Tratsch auf iSG hätten diese Seiten einen echten Wert für die Gesellschaft als Pranger für Staatsdiener.
Ich könnte eine Suizidanleitende und verherrlichende Webseite unter de-Domain online stellen, und man könnte mir absolut nichts (evtl. mache ich es...). AUch wenn es nachweislich "erfolgreiche Besucher" gäbe.
iSG ist harmlos.
McMuffin
Gast
Genau wegen solcher Auswüchse braucht es dringend eine Sperrmöglichkeit für Internetseiten.
Malte
Gast
Was für eine eklige Seite...
peter schnorchel
Gast
setzt doch nicht auch noch einen Link auf die Seite.so wird das Googleranking der Seite nur noch besser.
Ich finde es gibt fälle da kann man leserinnen zumuten selbst hand anzulegen und die eigene adresszeile mal zu nutzen, das wäre so einer
p.s. die kommentarfunktion ist auch ganz schön nervig, könnte vielleicht etwas brauchbarer gemacht werden, bespielsweise keine großbuchstaben im captcha die man nicht als solche erkennt...