SPD: "Quittung für gute Politik"

Einen "Erdrutsch-Sieg" erwartet die Bremer SPD nicht bei den Wahlen, sagt Andreas Bovenschulte, der SPD-Landeschef. Aber Angst vor CDU und FDP muss er nicht haben

"Es wäre vermessen zu glauben, dass die absolute Mehrheit in Bremen ein realistisches Wahlziel wäre": SPD-Landeschef Andreas Bovenschulte Bild: DPA

Die Hamburger SPD hatte nur 30 und 34 Prozent bei den letzten Wahlen. Jetzt hat sie die absolute Mehrheit. Wie macht man das, Herr Bovenschulte?

Andreas Bovenschulte: Die alte Landesregierung war gescheitert. Die Menschen hatten das Gefühl, dass ihre Interessen und Auffassungen nicht gut aufgehoben waren, auch ihr Wertegefühl war verletzt. So haben manche, die vielleicht eher konservativ eingestellt sind, Olaf Scholz gewählt. Ole von Beust hat sein Amt einfach hingeschmissen, das verunsichert die eigenen Wähler.

Olaf Scholz kennen die Hamburger noch als Juso-Schreck.

Andreas Bovenschulte, 45, ist Landesvorsitzender der SPD in Bremen und Erster Gemeinderat in der Gemeinde Weyhe

Aber nur die Leute mit einem ganz langen Gedächtnis. Mehr ist er in Erinnerung als einer, der weitgehend die Politik von Gerhard Schröder unterstützt hat, nach der Wahlniederlage bei der Bundestagswahl war er aber auch eine treibende Kraft für eine differenzierte Aufarbeitung. Man sieht an ihm, wie schnell sich die Stimmung ändern kann: Er ist früher als hölzern verspottet worden, als zu ernsthaft. Ein paar Jahre später ist es gerade das, was ihm als Seriosität und Berechenbarkeit ausgelegt wird.

Das bedeutet: Bei den zehn Prozent, die zwischen 38 und 48 liegen, geht es nicht um Inhalte, sondern um Glaubwürdigkeit, um atmosphärische Werte.

Grundlage für den Wahlerfolg ist das inhaltliche Programm. Nun behauptet niemand, dass die SPD in Hamburg strukturell eine absolute Mehrheit hat. Die Prozente, die Olaf Scholz zusätzlich gewonnen hat, haben mit der besonderen Situation zu tun.

Was lernen wir für Bremen daraus? Die CDU-Spitzenkandidatin sagt: Die derzeitige Regierung hat abgewirtschaftet.

Das sehen die Bremerinnen und Bremer ganz anders. Danach hat der Senat und insbesondere der Bürgermeister gute Noten. Abgewirtschaftet hat die Opposition, der man nichts zutraut. Die Umfragen haben gezeigt, dass uns im Vergleich mit anderen Parteien deutlich größere Lösungskompetenz zugeschrieben wird.

Böhrnsen hat wie Olaf Scholz eine hohe Glaubwürdigkeit. Aber Begeisterung bewirkt er nicht.

Die Zustimmung zu unserem Bürgermeister ist mit 62 Prozent riesengroß. CDU und FDP kommen nach den Umfragen in Bremen zusammen auf weniger Stimmen als in Hamburg. Natürlich haben die Grünen in Hamburg unter ihrem Bündnis mit der CDU gelitten.

Von Olaf Scholz wird gern der Satz zitiert: "Wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie" - undenkbar aus dem Mund von Jens Böhrnsen.

Scholz hat das zu seinen Genossen gesagt - in einer Situation, in der die Hamburger SPD von verschiedenen internen Grabenkämpfen durchzogen war. Er hat Geschlossenheit eingeklagt.

Aber Scholz demonstriert Stärke nach außen.

Jens Böhrnsen muss das nicht extra betonen. Die SPD steht mit 100 Prozent hinter ihm.

Die Bremer SPD liegt nach den Umfragen bei 38 Prozent. Um auf 48 zu kommen, müsste Böhrnsen Wähler ansprechen, die zur CDU tendieren. Ist das die Wahlkampfstrategie?

Die Wahlkampfstrategie ist, die gelungene Verbindung von moderner Wirtschaftspolitik, Innovation und sozialer Gerechtigkeit herauszustellen. Wir sehen uns darin durch das Hamburger Ergebnis bestätigt.

Das bedeutet, die Bremer SPD ist mit 38 Prozent zufrieden?

Nein, wir kämpfen um jede Stimme. Aber es wäre vermessen zu glauben, dass die absolute Mehrheit in Bremen ein realistisches Wahlziel wäre.

Fehlt Böhrnsen das Charisma für mehr Erfolg?

Die SPD lag zuletzt bundesweit bei 23 Prozent. Da kann niemand sagen, ein Bürgermeister, der 38 Prozent oder etwas mehr mit seiner Partei bekommt, hat keine Ausstrahlung. Natürlich ist das die Quittung auch für gute Politik. Ohne besondere Rahmenbedingungen ist ein Erdrutsch-Sieg wie in Hamburg nicht realistisch. Ebenso wichtig wie charismatische Spitzenpersönlichkeiten ist für die demokratische Weiterentwicklung, dass die Parteien lebendige Organisationen sind, die politische Debatten und Meinungsbildung ermöglichen. Das macht letztendlich die demokratische Qualität aus.

Hat sich das neue Wahlrecht bewährt in Hamburg?

Es hat Licht und Schatten gezeigt. Bei den Persönlichkeitsstimmen ist der Abstand zwischen den Spitzenkandidaten und den anderen extrem groß - es sieht so aus, als hätten viele, die bei dem Spitzenkandidaten ihr Kreuz gemacht haben, die Liste gemeint. Es hat auch verrückte Effekte gegeben - wer in dem Wahlheft rechts oben auf einer Seite steht, bekam auffallend mehr Stimmen. Die Zahl der ungültigen Stimmen ist angestiegen. Ob das der Demokratie zuträglich ist, bezweifle ich. Insgesamt ist es aber sicher gut, wenn man einzelnen Kandidatinnen oder Kandidaten gezielt seine Stimme geben kann.

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