Kelche formen

PERFORMANCE In verträglicher Dosis: Das Künstlerduo Wilhelm Groener untersucht in den Uferstudios die Versprechen der „Heilung“

Die rituelle Würde beginnt zu bröckeln; an der Oberfläche der Ernsthaftigkeit, die die Performer an den Tag legen, erscheint ein hauchdünnes Krakelee an Komik

Mit dem Titel „Heilung“ wirft das Künstlerduo Wilhelm Groener für seine neueste Produktion die Assoziationsmaschine an. Vom Plakat grüßt eine kitschig im Abendrot glühende Landschaft mit Wasserfall, ironiegetränkt verkündet der Begleittext, dass wir uns schon bald alle vollkommener Gesundheit erfreuen, noch im reifsten Alter flotte Tänze tanzen und uns mit der Quelle des Lebens direkt austauschen werden.

Die derart justierte Erwartungshaltung fangen die drei Performer zu Beginn der Vorstellung in den Uferstudios mit einer meditativ anmutenden Sequenz auf: Sanft schwingen die Arme zum Klang von projizierten Meereswellen. Dann beginnt ein minimalistisches Kammerspiel, dessen Sound allein die Akteure produzieren.

Anna Melnikova, Günther Wilhelm und Ulrich Huhn legen gemessenen Schrittes ihre Wege durch den Raum zurück, mal diagonal, mal in gerader Linie zum Publikum. Ein roter Faden zieht sich durch alle bisherigen Arbeiten von Wilhelm Groener, die spielerische Verbindung von Abstraktion und Ambivalenz. So breiten die Akteure ein Vokabular der Andeutungen aus: In stummer Konzentriertheit kreuzen Arme vor dem Oberkörper, mal werden Hände eifrig gerieben oder zu Kelchen geformt, dann wieder wird ein Kopf behutsam von den anderen getragen. Das Trio stimmt mantrische Gesänge an und lässt sie alsbald wieder verstummen.

„Heilung“ schöpft mit diesen Bildern aus einem bunten Reigen von tanztherapeutischen Ansätzen und Körpererfahrungstechniken, ohne konkret an der einen oder anderen Methode anzudocken. Bewegung präsentiert sich als universelle Beschwörungsformel, der Schlüssel zur Katharsis scheint gefunden. So weit, so gut.

Doch unmerklich wird in die Performance eingewoben, was dem Erlösungswunsch entgegensteht. Die rituelle Würde beginnt zu bröckeln; an der Oberfläche der Ernsthaftigkeit, die die Performer an den Tag legen, erscheint ein hauchdünnes Krakelee an Komik, wenn urplötzlich die Tänzer Wilhelm und Huhn unter lautem Zischen an Kung-Fu erinnernde Einlagen zum Besten geben oder die Tänzerin Melnikova mit ekstatischem Armeinsatz Windgeräusche imitiert.

Nicht linear, eher collagenhaft zu arbeiten, das sei ihr Ansatz, so Mariola Groener. Den Spagat zwischen Erlebtem und Präsentation sieht das Kreativgespann immer wieder als spannenden künstlerischen Prozess. Günther Wilhelm, Tänzerchoreograf und langjähriges Mitglied von VA Wölfls „Neuer Tanz“ in Düsseldorf, und die bildende Künstlerin Mariola Groener taten sich im Jahr 2001 zusammen. Bisher sind fünfzehn Stücke entstanden, die anfangs vor allem das Verhältnis von Körper und Raum erforschten und später immer mehr die Verquickung mit gesellschaftlich relevanten Themen suchten. In „Hotel Hassler“ (2008) etwa ging es um Szenarien der Sinnleere, „Am Anfang war das Ende“ (2009) tastete Glaubensrituale ab und „exercitatio et labor: JOY“ (2011) war als Treffen von Künstlern angelegt, die Fragen der individuellen Verantwortung und des gemeinsamen Handeln reflektieren. In der neuesten Produktion öffnet sich wieder ein weiter Interpretationsraum, in dem augenzwinkernd Heilung von Krankheiten und Disbalancen im weiteren Sinn als Conditio Humana verhandelt werden.

Am Ende der 55 Minuten ist eine Bergquelle in Großaufnahme zu sehen, der Quell des Lebens vom Anfang lässt grüßen. Die Performer haben da schon Passagen hinter sich, in denen sie lachend und zuckend am Boden liegen. Von der Erlösung sind sie so weit entfernt wie am Anfang. Ein Finale als ironischer Kurzschluss.

Man muss sich einlassen können auf das Tempo und die subtil verpackten Botschaften. Wer in fein nuanciertem Minimalismus eine wohltuende Erfahrung sieht, ist bei Wilhelm Groener gut aufgehoben. ANNETTE JAENSCH

■ Heilung, 24. Februar, Uferstudios/Studio 1, Uferstr. 8, 20.30 Uhr