KONSOLIDIERUNG NICHT SANIERUNG: Bremer Abhängigkeitserklärung

Untergang oder Neuanfang - trotz sperrigem Titel entscheidet die Verwaltungsvereinbarung zur Gewährung von Konsolidierungshilfen Bremens Zukunft.

Bremer Dialektik: Die Abhängigkeit vom Heiligen Willehald und dem weltlichen Herrscher Karl garantiert die Freiheit der Stadt. Bild: Jürgen Howaldt

Die Floskeln vom historischen Dokument, der Zäsur oder dem Einschnitt entfallen. Dabei herrscht Einigkeit darüber, dass die gestern vom Senat beschlossene, in undurchdringlichem administrativen Packpapierdeutsch verfasste "Verwaltungsvereinbarung zum Gesetz zur Gewährung von Konsolidierungshilfen" erhebliche Folgen für Bremen hat.

Nur welche? Gut, Bremen hat sich damit auf Konsolidierung festgelegt. Denn "die gleichzeitige Gewährung der Konsolidierungshilfen und Sanierungshilfen ist ausgeschlossen", steht im Grundgesetz. Das Land zieht deshalb seine Klage vorm Bundesverfassungsgericht zurück, mit der es Sanierungshilfe vom Bund erstreiten wollte - das heißt: Geld, um den allgemeinen Finanzbedarf zu decken.

Stattdessen überweist der Bund jetzt bis 2019 jährlich 300 Millionen Euro an Bremen, "also 2,7 Milliarden", wie Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) umrechnet. Damit muss es seinen Haushalt in Ordnung bringen, also konsolidieren, das heißt: Das Defizit abbauen. Risiko: Tut es das nicht, fällt die Überweisung aus.

Strittig aber ist, was das jetzt bedeutet - Rettung oder Untergang. Die einen sagen: das ist die Road to Perdition. Auf der sehen Bremen sowohl die in der Wählervereinigung B+B versammelten Ex-Staatsräte, die erhebliche Teile der Altschulden aufgehäuft haben, als auch Bremens Die Linke, anders als die mitregierende in Berlin.

Alle anderen behaupten das Gegenteil. Die Grundgesetz-Schuldenbremse als Voraussetzung der ganzen Geschichte war immer auch ein Baby von CDU und FDP. Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) hatte fürs Land die Verhandlungen zu führen und bekennt, sie sei "froh, dass die noch in der Legislatur zum Abschluss gekommen sind". Es sei "der einzige Weg", sagt auch Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD), um "Bremens Handlungsfähigkeit wiederherzustellen".

Er schiebt gleich hinterher, dass das Land die nur "zu verlieren droht", was die Aussage etwas abmildert. Denn, wiederherstellen, das heißt ja: Sie ist schon futsch. Und eigentlich triffts das besser: Über ein paar Promill des Landeshaushalts konnte die Bürgerschaft zuletzt allenfalls noch bestimmen. Spielraum, den die Verwaltungsvereinbarung als "Regelwerk zur Konjunkturbereinigung" und durch exakte Obergrenzen fürs strukturelle Finanzierungsdefizit nahezu beseitigt. Der Stabilitätsrat, also die 15 übrigen Länder, kontrolliert die Einhaltung.

In der oberen Rathaushalle hängt ein Gemälde: Es zeigt einen Renaissance-Gentleman auf der linken, einen Bischof auf der rechten Seite, beide stützen den Dom. Die Herren sind Karl der Große und der Missionar Willehad und das Bild zeigt, wie sie gerade Bremen gründen, Anno Domini 780, in Abhängigkeit von Reich und Rom, von Himmel und Welt - als freie Stadt.

Abhängigkeit, die zur Freiheit führt - diese eigentümliche Bremer Dialektik lebt in dem auf, was man sich von der Verwaltungsvereinbarung erhoffen kann - einen Neuanfang.

Dazu aber fehlt eine Altschuldenlösung, wie Böhrnsen einräumt, "die brauchen wir". Er hofft auf eine neue Föderalismuskommission - die letzte hatte ergebnislos darum gestritten. Auch bedarfs neben Hilfszahlungs-Konstanten günstiger Variablen. Kriselt die Konjunktur, platzt das Projekt. Und, dass sie bloß nicht die Steuern senkt, appellieren Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Bremen und Berlin gemeinsam an die Bundesregierung - sämtliche Empfängerländer, und Koalitionen aller Couleur.

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