Unternehmen profitieren vom Aufschwung: Armes Portugal, reiches Deutschland

Die hiesigen Unternehmen profitieren mehr vom Aufschwung als die in jedem anderen Euroland. Aber auch für sie sind radikale Sparprogramme riskant.

Portugals Regierung unter Premier Sócrates (l.) stürzte über die Finanz- und Wirtschaftskrise. Merkels Deutschland profitierte. Bild: dpa

BERLIN taz | Deutschland lässt die Wirtschaftskrise schneller hinter sich, als Experten erwartet haben. Führende Ökonomen erhöhten am Donnerstag die Wachstumsaussichten für Europas größte Volkswirtschaft kräftig: 2,8 Prozent soll die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr wachsen, im kommenden 2 Prozent. Das geht aus dem Frühjahrsgutachten der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute hervor, die am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde.

Die Gemeinschaftsprognose wird derzeit zweimal im Jahr von Konjunkturforschern des IWH aus Halle, des ifo Instituts München, des Kieler IfW sowie des RWI aus Essen im Auftrag der Bundesregierung erarbeitet.

"Der Aufschwung wird von der Nachfrage aus dem Ausland und der Binnenkonjunktur getragen", sagte IfW-Experte Joachim Scheide. Der Welthandel werde 2011 um 9 Prozent und 2012 um 7 Prozent expandieren. Die Deutsche Industrie profitiert davon: Allein im Februar konnte sie 20,1 Prozent mehr Aufträge verbuchen als ein Jahr zuvor. Für den Arbeitsmarkt erwarten die Forscher 430.000 zusätzliche Erwerbstätige in diesem sowie 275.000 im nächsten Jahr. Die Arbeitslosenquote soll 2011 im Durchschnitt auf 6,9 Prozent und 2012 auf 6,5 Prozent sinken.

Die Inlandsnachfrage werde aufgrund der steigenden Beschäftigung und höherer Lohneinkommen mit unverändertem Tempo zulegen, heißt es im Gutachten. Durch höhere Steuereinnahmen sinke auch die staatliche Neuverschuldung: Das öffentliche Defizit werde sich in diesem Jahr beinahe halbieren. Statt 3,3 Prozent des Bruttoinlandprodukts wie 2010, soll es 2011 nur 1,7 betragen. 2012 sollen es dann noch 0,9 Prozent sein.

Zweite Prognose von internationaler Forschergruppe

Parallel zum Frühjahrsgutachten stellte auch eine internationale Forschergemeinschaft ihre Prognose vor. Sie bescheinigt der deutschen Wirtschaft ebenfalls gute Wachstumsaussichten - aber mit einem rascheren Abflauen des Booms. An dem sogenannten Makrokonsortium beteiligen sich das gewerkschaftsnahe IMK aus Düsseldorf und Berlin, das Forschungsinstitut OFCE aus Paris sowie das Wiener Wifo.

"Die Sparpolitik in Deutschland und Europa, aber auch voraussichtlich steigende Sozialabgaben und steigende Rohölpreise dürften die wirtschaftliche Entwicklung dämpfen", erläuterte Gustav Horn die gedämpften Aussichten für 2012. Der Ökonom leitet als wissenschaftlicher Direktor das IMK.

Risiko Eurozonen-Krise

Das größte Risiko berge jedoch die Krise der Eurozone. Horn warnte vor einer wirtschaftlichen Zweiteilung in Europa: Während Deutschland und die Länder nördlich der Alpen zum Teil kräftig wachsen, werde die Wirtschaft in Griechenland, Irland und Portugal weiter schrumpfen, die spanische weiter stagnieren. "Eine Strategie, die den Krisenstaaten undifferenziert Sparprogramme verordnet und sie zwingt, die einseitige deutsche Exportorientierung zu kopieren, wird die Eurozone weiter schwächen", warnte Horn. Würden die Euroländer ihre Staatsausgaben bis 2015 jährlich um 1 Prozent senken, verlören sie bis 2015 kumuliert 3,3 Prozent Wachstum.

Die Autoren des Frühjahrsgutachtens forderten angesichts der Eurokrise, Gläubiger von notleidenden Staatshaushalten an den Kosten zu beteiligen, "damit die Märkte Risiken adäquat bewerten". Für überschuldete Staaten sei es zudem erforderlich, ein geordnetes Insolvenzverfahren zu etablieren.

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