Vergrößerung von Helgoland: Pimp das Eiland

Auf Helgoland wird ein einmaliges Projekt diskutiert: Eine Landbrücke zur Nachbarinsel Düne soll mitten in der Nordsee neues Land schaffen. Das letzte Wort hat ein Bürgerentscheid.

Ehrgeiziges Projekt: Zwischen Helgoland und der Düne soll eine Landverbindung entstehen. Bild: BCS

HELGOLAND taz | Auf Helgoland geht es noch basisdemokratisch zu. In einem Bürgerentscheid am 26. Juni soll die wichtigste Zukunftsfrage auf der einzigen deutschen Hochseeinsel geklärt werden: Die Bürger sollen abstimmen, ob eine Landverbindung zwischen der felsigen Hauptinsel und der benachbarten Badeinsel Düne aufgeschüttet werden soll. Das ist das Ergebnis einer Bürgerversammlung am Mittwochabend.

Parallel wird die Umwidmung des seit Jahrzehnten brachliegenden Vorhafens zu einem Zentrum für Offshore-Windkraft vorangetrieben. Helgoland will die Wartungsbasis für drei große Windparks der Betreiber RWE, Eon und Wind-MW in der Deutschen Bucht werden.

Während dieses Vorhaben unter den rund 1.500 HelgoländerInnen unstrittig ist, gibt es über die Aufschüttung einer Landbrücke keinen Konsens: "Das würde den Charakter der Insel verändern", räumt der parteilose Bürgermeister Jörg Singer ein. Ob positiv oder negativ, ist die Frage, welche die InsulanerInnen zu beantworten haben. Etliche Bürger warnten auf der Versammlung aber vor einer Entwicklung zu "Events und Remmidemmi". Helgolands Kapital sei Ruhe, Einsamkeit und frische Luft in unverfälschter Natur - das dürfe nicht aufs Spiel gesetzt werden.

Helgoland ist die einzige deutsche Hochseeinsel. Sie liegt etwa 62 Kilometer nordwestlich der Elbmündung in der Deutschen Bucht.

Die Felseninsel und die benachbarte Sandinsel Düne wurden 1721 durch eine Sturmflut getrennt. Zusammen sind sie 1,7 Quadratkilometer groß.

Mit etwa 1.500 EinwohnerInnen bildet Helgoland eine Gemeinde im schleswig-holsteinischen Kreis Pinneberg.

Das Wahrzeichen der Insel ist die 47 Meter hohe freistehende Felsnadel Lange Anna.

Der Postkartenspruch lautet "Grün ist das Land, rot ist die Kant, weiß ist der Sand: Das sind die Farben von Helgoland."

Den Ruf als "Fuselfelsen" verdankt Helgoland seinem Status als steuerfreie Zone außerhalb des Zollgebiets der EU. Das machte die Insel zum Duty-free-Shop.

Durch die fast 1.000 Meter lange und knapp 300 Meter breite Landbrücke würde Helgoland von rund 1,7 auf gut zwei Quadratkilometer Fläche anwachsen. Die Kosten werden auf knapp 100 Millionen Euro geschätzt, hinzu kämen noch private Investionen. "Das ist finanzierbar", sagt Bürgermeister Singer. Es handele sich um eine "gezielte Investition, die sich wieder bezahlt machen wird".

Sie basiert auf einem von vier Szenarien, die in einem seit 2008 erarbeiteten Regionalen Entwicklungskonzept (REK) vorgeschlagen werden. Die Skizze mit dem friesischen Namen "De uurs Lun - iip Weeter" (zu Deutsch: "Das andere Land - auf dem Wasser") sieht vor allem die Nutzung für Ferien und Freizeit vor, die private Investoren auf dem aus öffentlichen Kassen finanzierten Neuland errichten würden. Helgoland nähme aus dem Verkauf von Grundstücken und dem Tourismus Geld ein.

Seit über zwei Jahren haben Planungsbüros im Auftrag der Gemeinde Helgoland, des Kreises Pinneberg und des Landes Schleswig-Holstein intensiv am Zukunftskonzept gebastelt. Denn die Zahl der Touristen ist von 800.000 vor 40 Jahren auf 300.000 gesunken, die Einwohnerzahl von 2.700 Menschen Anfang der 80er Jahre auf gut die Hälfte.

Das Konzept, das am Mittwoch öffentlich vorgestellt wurde, beschreibt nun auf über 200 Seiten Dutzende Projekte und Handlungsempfehlungen für alle Aspekte des Insellebens. Erreichbarkeit, Nachhaltigkeit, Naturschutz, Marketing, Kunst und Kultur, E-Learning zur besseren Qualifizierung der SchülerInnen der Ganztagsschule und auch die Umstellung auf erneuerbare Energien sind die wesentlichen Themen, welche die Flächenvergrößerung flankieren.

Bürgermeister Singer und andere Verantwortliche sehen die Mehrzahl der Insulaner hinter sich, auf der Versammlung überwogen in dreistündiger Diskussion die zustimmenden Beiträge aus dem Publikum. Man müsse jetzt "was Großes tun, um nicht zum Museumsdorf zu werden", Helgoland brauche "ein neues Erscheinungsbild, ein neues Image" ist die Position der Optimisten.

Einige Skeptiker hingegen warnten vor Hotelburgen. Die Lösung der Probleme sei es nicht, "in drei Monaten Sommer noch mehr Touristen heranzukarren", sondern "attraktive Angebote für Urlauber über das ganze Jahr" zu entwickeln.

Hinzu kommt die Hoffnung auf die Windkraft. Als Wartungsbasis für Offshore-Windparks in der Nordsee sei die zentrale Lage der Insel Gold wert, sagt Peter Singer, der mit dem Bürgermeister nicht verwandte Geschäftsführer der kommunalen Hafengesellschaft: "Diesen Standortvorteil müssen wir nutzen." Er plant für rund 25 Millionen Euro die Sanierung von Hafenbecken, Kaianlagen und Landflächen, Mindestens 30.000 Quadratmeter hofft er, im Sommer 2012 an die Investoren übergeben zu können. Die verheißen 100 bis 120 neue Arbeitsplätze - zurzeit hat die Insel gut 600 meist nur saisonal Beschäftigte. "Das ist eine Riesenchance für Helgoland", sagt Peter Singer: "Öko-Industrie und Naturtourismus - perfekt."

Jetzt muss nur noch die Mehrheit der HelgoländerInnen das auch so sehen.

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