Kolumne Nebensachen aus Moskau: Krieg gegen das Ungeziefer

Chemiekeulen aus dem Westen sind der letzte Ausweg gegen Kakerlaken. Doch was ist mit den Mäusen?

Sie sind in den besten Familien und gediegensten Häusern zu Hause. Zwar gehören sie nicht zum engeren Kreis der Familie, aber man hat sich an die stillen Mitbewohner mit den Jahren gewöhnt. Nur Toleranz hilft noch, wenn alle Versuche fehlgeschlagen sind, die treuen Begleiter aus den vier Wänden zu vertreiben.

Die Rede ist mal wieder von den Kakerlaken, die einem russischen Sprichwort zufolge, "schon vor dem Besitzer in die neue Hütte umziehen". So war es auch in meinem Fall. Diesmal handelte es sich aber nicht um die landesübliche Spezies von mittlerem roten Wuchs. Stattdessen hatten die Prussaki (Preußen) ihr Lager in Ritzen und Leisten aufgeschlagen. Warum sie Preußen heißen, die ja eher ob ihrer obsessiven Sekundärtugenden verschrien sind, blieb mir lange Zeit verschlossen.

Der letzte Großangriff könnte etwas Aufschluss über die Etymologie geben. Der Prussak ist nicht nur ein widerstandsfähiger Gegner, seine unerhörten Körpermaße mit gewaltiger Kopfpartie und langen Fühlern erinnern an die Pickelhauben preußischer Ordnungshüter. Fritz und (H)Gans nannten russische Gäste die beiden Exemplare, denen sie auf dem Weg zur Toilette begegneten. Sie haben mit ihnen Frieden geschlossen.

Auch die heimische Industrie entwickelt keine chemische Waffe mehr. Man ist auf Importware aus Deutschland angewiesen. Moderne Kriegsführung ohne Feindberührung ist wegen der Größe der "Langen Kerls" jedoch nicht möglich. In die Öffnungen gewöhnlicher Kakerlakenfallen passen die Fritze nicht hinein. Erst eine dicke, braune Paste, die auf dem Boden alle drei Wochen verstrichen werden muss, vertrieb die Untermieter. Vorerst.

ist Russlandkorrespondent der taz.

Kaum waren die Prussaki besiegt, huschte beim Lichteinschalten abends wieder etwas über den Küchentisch. Zunächst hielt ich es für eine Einbildung. Die Fata Morgana wiederholte sich und nicht nur auf dem Tisch. Eine genauere Inspektion ergab auch Spuren von Elementen, die nicht in die Küche gehören. Eine größere Sippe Mäuse hatte sich in den Hohlräumen der Heizung niedergelassen. Die russische Mausefalle war solide.

Die Mäuse besorgten sich den Käse unterdessen auf landesüblichem Seitenweg, ohne zuschnappende Falle. Erst die Leichtausführung "Super Cat" aus westeuropäischer Produktion legte den Viechern das Handwerk. Es war kein schöner Anblick, den die superleichte Hightechfalle, scharf wie eine Guillotine, hinterließ. Russische Freunde hielten das für überflüssige, westlich seelenlose Brutalität.

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Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.

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