Rechtsradikales Trainingslager in Ungarn: Verwirrung um Roma-Rettung

Wegen eines rechtsradikalen Trainingscamps wurden angeblich knapp 300 Roma vom ungarischen Roten Kreuz evakuiert. Regierung und Rotes Kreuz dementieren: Es war nur ein Ausflug.

Rettung oder Ausflug? Roma aus Gyöngyöspata am Freitag. Bild: dapd

BUDAPEST dpa | Die angebliche Rettung von knapp 300 Roma vor rechtsradikalen Umtrieben in Ungarn hat am Freitag für Verwirrung gesorgt. Vertreter der Minderheit erklärten, das Rote Kreuz habe sie aus dem zentralungarischen Dorf Gyöngyöspata in Sicherheit gebracht. Sie hätten sich an die Organisation aus Angst vor einem von der rechtsradikalen Gruppe Vederö geplanten paramilitärischen Trainingslager gewandt, sagten sie ungarischen Medien.

Ungarns Regierungssprecher Peter Szijjarto erklärte hingegen, die Evakuierungsaktion des Roten Kreuzes sei nicht aufgrund einer "Notsituation" durchgeführt worden. Es handle sich vielmehr um einen länger geplanten "Ausflug" über das Osterwochenende. Erik Selymes, geschäftsführender Direktor des Ungarischen Roten Kreuzes, bestätigte diese Darstellung auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa.

Die Roma in Gyöngyöspata hätten sich am vergangenen Dienstag an das Rote Kreuz mit der Bitte gewandt, dieses Ferienlager zu organisieren, erläuterte Selymes. Ein Zusammenhang mit der Präsenz von Rechtsradikalen im Ort habe nicht bestanden. Die Bitte sei nicht ungewöhnlich gewesen, zumal Ungarns Rotes Kreuz in den letzten 30 Jahren etwa 600 derartige Freizeitaktivitäten für bedürftige Ungarn organisiert habe, sagte Selymes weiter.

Polizei geht gegen Trainingslager vor

Unterdessen ging die Polizei gegen das Trainingslager vor. Viele Teilnehmer wurden nach einem Bericht des Nachrichtenportals index.hu wegen "Rowdytums" von den Beamten abgeführt, darunter zwei Anführer. Vederö-Vertreter erklärten dazu, die Polizei missachte die Tatsache, dass das Trainingslager auf einem Privatgrundstück stattfinde.

Die rechtsradikale Gruppe Vederö hatte die Teilnehmer des paramilitärischen Camps aufgerufen, in Uniformen und mit Gummigeschoss-Waffen zu erscheinen. Bereits im März hatte eine andere rechtsradikale Gruppierung den 2800-Einwohner-Ort fast drei Wochen lang mit Märschen terrorisiert.

In einigen Orten Ungarns hatten sich zuletzt Bürgerwehren gebildet, um gegen die angebliche Roma-Kriminalität vorzugehen. Unterstützt werden solche Aktivitäten durch rechtsextreme Gruppen. Ungarns Regierung hat mehrfach betont, es nicht zulassen zu wollen, dass das Gewaltmonopol des Staats von derartigen Gruppen übernommen wird. Innenminister Sandor Pinter hatte am Donnerstag mehr Befugnisse für die Polizei angekündigt, um die Aktivitäten extremistischer Bürgerwehren zu verhindern.

Das EU-Mitgliedsland Ungarn steht seit langem wegen seiner Verfassungsreform in der Kritik. Das Parlament in Budapest hatte Mitte April die umstrittene neue Verfassung gebilligt, die Kritikern zufolge die Macht der rechtsnationalen Regierungspartei Fidesz festigt und Nachfolgeregierungen handlungsunfähig machen kann.

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