Versöhnung zwischen Hamas und Fatah: "Beide Seiten werden vorsichtig sein"

Die Veränderungen in den arabischen Ländern setzen auch bei den Palästinenserorganisationen Fatah und Hamas etwas in Bewegung, sagt der Politologe Abdel Sattar Kassem.

"Es war unser Fehler von Anfang an, dass wir unsere Freiheit verkauft haben", sagt Abdel Sattar Kassem. Bild: reuters

taz: Herr Kassem, die Einigung zwischen Fatah und Hamas hat fast vier Jahre gedauert. Wieso passiert sie gerade jetzt?

Abdel Sattar Kassem: Das liegt mit daran, dass sich die Lage in den arabischen Ländern verändert. Beide Seiten, Fatah und Hamas, haben erkannt, dass sie nicht einfach stehenbleiben können, während rings um sie herum alles in Bewegung gerät. Ein weiterer Grund ist, dass die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) in Ramallah einsehen musste, dass sie von Israel in Hinsicht auf die grundlegenden Rechte der Palästinenser nichts zu erwarten hat.

Halten Sie es für möglich, dass Syrien Druck auf die Hamas ausgeübt hat?

Die syrische Führung hat genug mit sich selbst zu tun. Wer in der Vergangenheit Druck auf beide Seiten ausgeübt hat, ist Ägyptens Expräsident Husni Mubarak. Er drängte die PLO zu den Abkommen mit Israel und auch die Hamas zur Einigung mit der Fatah.

Die Grundlage für das Abkommen ist ein Kompromisspapier, das die Ägypter im Oktober 2009 vorgelegt haben und von der Fatah sofort unterzeichnet wurde. Welche Veränderungen wurden daran vorgenommen, damit die Hamas einlenkt?

Das wissen wir vorläufig nicht. Die Hamas sagt, dass es eine Verständigung gab. Das deutet darauf hin, dass Abänderungen vorgenommen worden sind.

geboren 1948, lehrt Politikwissenschaft an der Al-Nadschah-Universität Nablus. Er gilt als Kandidat für einen Ministerposten in der Übergangsgangsregierung.

Es scheint bereits erste Probleme zu geben zwischen beiden Fraktionen. Die Fatah will die Sicherheitskooperation mit Israel aufrechterhalten, die Hamas ist strikt dagegen. Sehen Sie einen Kompromiss?

Wenn die Kooperation bleibt, wird das zwischen Fatah und Hamas getroffene Abkommen niemals zur Umsetzung kommen.

Im März 2007 versuchten es die beiden Parteien schon einmal mit einer Einheitspartei und scheiterten. Wird es diesmal besser klappen?

Ich bin damals darum gebeten worden, einen Ministerposten zu übernehmen und habe das abgelehnt. Es war von Anfang an abzusehen, dass das Bündnis nicht lange halten würde. Heute ist die Situation eine andere, weil sich die gesamte arabische Welt verändert.

Wer könnte Salam Fajjad als Minsterpräsident ablösen?

Vielleicht [der parteilose Unternehmer] Munir Masri als Kandidat der Fatah. Die Nominierung meiner Person könnte von der Hamas kommen, für den Posten des Regierungschefs. Ich gehöre der Hamas nicht an, habe aber die bisherigen Abkommen mit Israel abgelehnt. Ich lehne auch Verhandlungen ab, solange Israel die Rückführung der Flüchtlinge ausschließt.

Die israelische Regierung hat angekündigt, die Beziehungen zur Autonomiebehörde abzubrechen, sobald es in Ramallah eine Regierung unter Beteiligung der Hamas geben wird. Israel will dann die Steuerzahlungen einstellen. Werden die internationalen Hilfszahlungen ebenfalls zurückgehen?

Ohne Zweifel. Es war unser Fehler von Anfang an, dass wir unsere Freiheit verkauft haben. Wir hätten längst auf das westliche Geld verzichten müssen. Schon heute kommt über die Hälfte der Spenden aus arabischen Ländern. Die USA wollen mehr Geld zahlen für Sicherheit und Nachrichtendienste, die wir ohnehin nicht brauchen, denn es ging dabei immer nur um die israelische Sicherheit, nicht um die palästinensische.

Werden die beiden Fraktionen im Gazastreifen nicht sehr darauf achten, jeweils militärisch der Stärkere zu sein?

Beide werden sehr vorsichtig sein. Die Fatah ist verunsichert. Sie weiß nicht, was die Hamas in den letzten Jahren gemacht hat.

Was meinen Sie damit?

Die Hamas wird vermutlich ein Untergrundnetz aufbauen. Wenn die Entwicklungen in den umliegenden arabischen Staaten so weitergehen, wäre das ein guter Zeitpunkt für die Hamas, die Macht über das Westjordanland zu übernehmen. Das wäre auch längst passiert, wenn es nicht die Besatzung gäbe. Die Autonomiebehörde steht unter dem Schutz der israelischen Besatzungsmacht.

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