Comic über die Logik: Philosophie als Slogan

"Logicomix" sonnt sich im Licht der Philosophie und macht sie gleichzeitig runter. Aus der Wahrheitssuche von Bertrand Russell wird eine Geschichte des Scheiterns.

Warum logisch denken? Bild: dpa

BERLIN taz | Warum ist eins plus eins gleich zwei? Selbst in Philosophenkreisen kommt man schnell überein, dass sich bloß Supernerds mit solchen Fragen beschäftigen. In "Logicomix" erteilt Apostolos Doxiadis eine philosophiegeschichtliche Lektion in Comicform: Was geht uns eine akademische Spezialistendisziplin wie die Logik an?

Um uns das zu demonstrieren, erzählt der britische Philosoph, Mathematiker und Logiker Bertrand Russell aus seinem Leben. Russell war ein Universalgelehrter, dessen Wirkung sich nicht auf seine Fachgebiete beschränkte. Er war ein Aktivist für Frieden und Abrüstung. 1955 veröffentlichte er das Russell-Einstein-Manifest, in dem er vor den Folgen eines Nuklearkriegs warnte.

Logicomix erzählt eine "Geschichte der Logik" als Abfolge biografischer Anekdoten, die der Comic in zwei weitere Erzählebenen verschachtelt. Russell berichtet als Redner über "Die Rolle der Logik im menschlichen Verhalten" selbst aus seinem Leben. Er hält den Vortrag an einer US-amerikanischen Universität, als der Zweite Weltkrieg soeben begonnen hat.

Unter seinen Zuhörern befinden sich demonstrierende Isolationisten, die gegen einen Kriegseintritt der USA sind. Ihnen will Russell erklären, warum er als bekennender Pazifist einen Krieg gegen die Nazis befürwortet. Ein Mann, der sein Leben der Suche nach gesicherter Wahrheit gewidmet hat, sagt uns also, warum der Einsatz der Alliierten richtig war.

In der Rahmenhandlung wird dem Leser gleich zu Beginn aufs Auge gedrückt, welch waghalsiges Unternehmen er doch gerade betrachten würde: ein Comic über Philosophie! Apostolos Doxiadis durchbricht die Wahrheitssuche Russells immer wieder, um zu zeigen, was bei der Arbeit am Comic so alles passierte.

Dazu kommt der Informatiker Christos Papadimitrou, der als "Experte für mathematische Logik" als wissenschaftliches Feigenblatt dient: In den dargestellten Gesprächen bügelt ihn Doxiadis einige Male ab, wenn er versucht, dem Leser wirklich einmal etwas über Logik zu erzählen. Als er zu einer Definition ansetzt, wendet sich der Zeichner Doxiadis desinteressiert ab und zeigt uns ein süßes Hundebild. Für ihn bestimmt der Charakter die philosophischen Ideen. Damit scheint der Zusammenhang zwischen den Erzählebenen geklärt: Bertrand Russell erzählt mit seinem Leben Ideengeschichte.

Grenzen gesicherter Erkenntnis

Als lauterer und ganz im allzu menschlichen Leben verankerter Denker ist Russell da, damit wir uns erst mit der Vernunft identifizieren, für die er spricht. Natürlich wird Philosophie greifbarer, wenn sie ein Gesicht bekommt. Aber Russell ist hier schlicht ein Gescheiterter, der immerhin ein Gefühl dafür hatte, versagt zu haben. Wenn er das ausspricht, blickt uns Doxiadis als Vertreter des Common Sense überlegen an, während der Informatiker schmollt, für den Russell Einzigartiges geleistet hat.

Vergebens wartet Papadimitrou im Comic darauf, uns zu sagen, was eigentlich die ganz eigene Leistung von Russells Überlegungen gewesen ist. Russell selbst schlussfolgert aus seinem Leben, dass es keinen Königsweg zur Wahrheit gibt und fährt noch andere relativierende Gemeinplätze auf. Die Aktualität, die seine Frage ununterbrochen umweht, bleibt die des Kriegsbeginns. Die letzte Seite illustriert ein "Wir alle sind gefragt"-Szenario, bei dem wir uns fragen: Wobei eigentlich?

Es sieht so aus, als ob die Menschen, die Logik betreiben, metaphysische Spinner auf der Suche nach der absoluten Wahrheit sind. Doxiadis setzt visuell das resolute Statement "Bild dir deine Meinung!" dagegen und reduziert Vernunftgebrauch auf jedermanns Gewissensentscheidung: Ethik im Sloganformat.

Aber auch die Isolationisten handeln nach ihrer Überzeugung. Russell und Alfred N. Whitehead brauchten in der Principia Mathematica Hunderte Seiten, um die Wahrheit der Rechnung 1 plus 1 gleich 2 zu begründen. Sie suchten nach den Grenzen gesicherter Erkenntnis, innerhalb derer dies erst eine richtige Schlussfolgerung ist. Doxiadis scheint das nicht zu wissen. Wir Leser hätten uns einen besseren Vermittler philosophischer Ideen gewünscht.

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