Gutachten der Ethikkommission: Die große Chance Atomausstieg

Die Ethikkommission empfiehlt einen raschen Ausstieg aus der Atomkraft innerhalb von zehn Jahren. Die Energiewende sei auch ohne ausländischen Atomstrom möglich.

Im Sinne der Antiatom-Bewegung: die Ethikkommission. Bild: dpa

Die Deutschen sind beim Thema Atomausstieg viel weiter als ihre Regierung. Das denkt zumindest die Ethikkommission in ihrem aktuellen Bericht: "Deutschland ist in der ganzen Breite der Gesellschaft längst auf dem Weg in eine Zukunft, die die Nutzung der Kernenergie verzichtbar macht." Es gehe nicht um die Frage "ja oder nein zum Ausstieg", sondern um die Frage "früher oder später". Und in dieser Frage legt sich die Kommission nicht fest: innerhalb eines Jahrzehnts, vielleicht schneller.

Der Ausstieg sei "nötig und wird empfohlen, um Risiken, die von der Kernkraft in Deutschland ausgehen, in Zukunft auszuschließen", heißt es in dem 49-seitigen Bericht, der der taz vorliegt und heute offiziell vorgestellt wird. "Er ist möglich, weil es risikoärmere Alternativen gibt", dürfe aber die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie und des Wirtschaftsstandorts nicht gefährden.

Und so soll der Ausstieg nach Meinung der 17 Mitglieder aussehen: Die bereits abgeschalteten sieben alten AKWs bleiben dauerhaft vom Netz - das hatten auch die Umweltminister der Länder und des Bundes bereits am Freitag beschlossen. Gleichzeitig richtet der Bundestag die Stelle eines Parlamentarischen Beauftragten für die Energiewende ein und schafft ein "Nationales Forum Energiewende", das alle Beteiligten an einen Tisch bringt.

Der Ausfall von etwa 20 Gigawatt (GW) Leistung bis 2021 bei einem vollständigen Ausstieg sei zu ersetzen durch zwölf GW aus extrem effizienten Kraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung, 2,5 GW aus der Biomasse und sieben GW aus "konventionellen Kraftwerksneubauten" - gemeint sind vor allem Gaskraftwerke. 2,5 bis 4 GW soll Energiesparen einbringen.

Jährliches Monitoring

Und all das, so macht die Kommission klar, ohne den massiven und langfristigen Zukauf von Atomstrom aus dem Ausland und unter Wahrung der deutschen Klimaziele. Den Fortschritt soll ein jährliches "Monitoring" nachzeichnen.

Diese Forderung hatte die Atomindustrie erhoben, um im Zweifel das Tempo des Ausstiegs zu drosseln. Der Bericht allerdings spricht nur davon, die Überprüfung solle "auf gegebenenfalls auftretende Verzögerungen des Ausstiegs aufmerksam machen und ergänzende Maßnahmen benennen".

Auch die Kosten sind für die Experten überschaubar. Sie zitieren Studien, wonach "preissteigernde und preissenkende Wirkungen in etwa gleich" seien. Und die Kommission macht noch eine andere Rechnung auf: Die Kosten für den Ausstieg müsse man vergleichen mit den gesamtgesellschaftlichen Kosten "einer nuklearen Havarie, wie sie derzeit in Japan anfallen: Diese Kosten würden alle für die Energiewende in Deutschland anfallenden Kosten übersteigen."

Menschen wollen ihr Haus warm halten

Im Einzelnen fordert die Kommission eine Abkehr von der Angebots- hin zur Nachfragepolitik in der Energieversorgung: Die Menschen wollten nicht Energie versorgen, sondern ihr Haus warm halten. Riesige Einsparpotenziale bei Haushalten und in der öffentlichen Verwaltung müssten erschlossen werden. Es müsse mehr Geld für die Sanierung von Altbauten und den Neubau effizienter Häuser geben.

Die Erneuerbaren müssten weiter ausgebaut werden, und über ein allgemeines Energie- und Klimaschutzgesetz solle das Parlament nachdenken. Allerdings sollen auch weiterhin Gelder in die umstrittenen Forschungsgebiete von unterirdischer CO2-Lagerung (CCS) bis Kernfusion fließen.

Für die Kommission ist der Ausstieg aber "nicht nur eine außerordentliche Herausforderung für alle Beteiligten", sondern auch eine Chance "für das Mitwirken der Bürger bei dezentralen Entscheidungen".

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