Aldi spart an Anzeigen: Billiger geht immer

Aldi verzichtet in einigen Regionen auf Anzeigen in Tageszeitungen. Ein herber Verlust für die Printbranche – der Discounter ist einer ihrer größten Werbekunden.

Aldi wirbt nun mit Handzetteln statt Zeitungsanzeigen. Bild: ap

HAMBURG taz | Der Lebensmitteldiscounter Netto sorgt sich um seine Jünger. Wer in einer unbekannten Gegend Sehnsucht nach der Ware des Billigheimers verspürt, muss nicht leiden. Das Unternehmen bietet eine Smartphone-App mit "integriertem Filialfinder" an.

Die Werbemethoden der Discounter sind jenseits der Lebensmittelbranche ein Thema geworden – vor allem, weil Aldi Süd in Teilen Baden-Württembergs und im Rhein-Main-Gebiet keine Anzeigen mehr in Tageszeitungen schaltet. Bis zum Jahresende will man dieses Experiment durchziehen. Betroffen sind 13 Blätter, darunter die Stuttgarter Zeitung und die Frankfurter Rundschau. Kürzlich zog Aldi Nord in einigen Gebieten nach.

Der Trend begann bereits 2010, unter anderem in einigen Regionen Bayerns. Für die Verlagsbranche ist das auf den ersten Blick ein Schlag ins Kontor, denn 2010 gaben die unabhängig voneinander operierenden Gesellschaften Aldi Nord und Aldi Süd 380 Millionen Euro für Werbung aus – überwiegend für Anzeigen in Zeitungen. Markus Ruppe wundert sich darüber, dass das Thema an Bedeutung gewonnen hat. Er ist Geschäftsführer der Zeitungs Marketing Gesellschaft (ZMG), einer Tochter des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), die die Zeitungshäuser in Marketingfragen berät und sogenannte Werbebegleitforschung betreibt.

"Wir beobachten solche Entwicklungen schon seit Jahren. Es kommt immer wieder vor, dass jemand kurzfristig seine Budgets umschichtet, um etwas Neues auszuprobieren", sagt der ZMG-Chef. Kurz bevor Aldi Süd im Stuttgarter Raum mit der Zeitungswerbung aussetzte, stieg dort der Konkurrent Lidl wieder ein. Außerdem, sagt Ruppe, habe Netto – App-Affinität hin oder her – 2010 und Anfang 2011 viel in Zeitungswerbung investiert.

Millionenverluste

Welche Strategie die Märkte verfolgen, ist schwer erkennbar, weil etwa Aldi Süd aus 31 Regionalgesellschaften besteht, deren Geschäftsführer autonom entscheiden. Aldis Entschluss, zeitweilig auf Prospekte zu setzen, basiert auf der Einschätzung, dass man in bestimmten Gebieten mit Printanzeigen weniger Leute erreicht als gewünscht.

"Der Erfolg kommt aber immer noch hauptsächlich über die klassischen Medien", sagt Ruppe. Die Tageszeitungen erreichen 73,4 Prozent der Bevölkerung; ihre Online-Ableger kommen auf 36,8 Prozent. Bei Prospekten ist dagegen ungewiss, wie viele Bürger die Reklame sofort entsorgen.

Die Verleger und ihre Interessenvertreter gehen unterschiedlich mit Aldis zeitweiliger Print-Abstinenz um: Einige scheinen bestrebt zu sein, die Situation zu dramatisieren, um in den schon seit Monaten laufenden Tarifverhandlungen mit den Journalistengewerkschaften auf die Tränendrüse drücken zu können, andere halten es für taktisch klüger, das Thema nicht zu heiß zu kochen.

Definitiv unerfreulich ist die Lage für einige Blätter in den neuen Bundesländern, um die es ohnehin wirtschaftlich schlechter bestellt ist als um die Zeitungen im Süden. Der Branchendienst Kontakter beziffert den durch ausbleibende Aldi-Anzeigen entstehenden Verlust bei der Leipziger Volkszeitung auf mehr als 1 Million Euro, auch der Nordkurier und die Lausitzer Rundschau in Brandenburg sind betroffen. Wie stark sich die Strategien des Konzerns unterscheiden, zeigt die Tatsache, dass in Berlin weiterhin Aldi-Anzeigen erscheinen.

Trotz aller Bestrebungen der Discounter, "bei neuen Entwicklungen in der Werbung dabei zu sein", ist ZMG-Mann Ruppe optimistisch, dass Aldi und Co auch langfristig auf Bewährtes setzen. Ständig im Blick zu haben, welche Werbeform man ausprobieren sollte und welche neue Website sich für Werbung anbietet, sei in der Lebensmittelbranche nämlich schwieriger als anderswo: "Die Händler müssen die Ware ja schnell vom Hof kriegen."

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