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Kommentar Folgen der Ehec-KriseErkennen, handeln, vorbeugen

Kommentar von Richard Rother

In der Ehec-Krise zeigt sich: Es ist nicht verantwortungslos, eine gut begründete Verzehrwarnung auszusprechen. Alles andere wäre ein Spiel mit Leben und Tod.

D ie Indizienkette wird dichter: Es waren die Sprossen aus einem Gartenbaubetrieb im niedersächsischen Bienenbüttel, die zur Ehec-Epidemie mit bislang 35 Toten und Hunderten schwer Erkrankten geführt hat. Seit Montag gibt es zudem Hinweise darauf, welche Sprossenart verkeimt war. Noch ist aber unklar, wie die Sprossen verseucht wurden.

Waren bereits die Sprossensamen belastet? Oder haben Beschäftigte oder Produkte von außen - etwa Brunnenwasser - den Keim in die Produktionskette gebracht? Erst wenn diese Fragen geklärt sind, lassen sich Rückschlüsse auf künftige Vorsorgemaßnahmen ziehen.

Im Moment spricht einiges dafür, dass bereits Sprossensamen verkeimt waren. Daher rät das Bundesinstitut für Risikobewertung den Verbrauchern, auch selbstgezogene Sprossen nicht zu verzehren. Zu Recht. Im Zweifel steht der Schutz von Leib und Leben über den wirtschaftlichen Interessen der Produzenten, etwa der von Sprossensamen. Sollten verseuchte Samen die Ursache sein, stellen sich weitere Fragen: Wo kommen die Samen, teilweise aus China importiert, genau her? Wie sieht die Produktion vor Ort aus, wie kann das Saatgut in Deutschland besser kontrolliert werden?

Dennoch wird es immer wieder Krankheitswellen geben, die durch verseuchte Lebensmittel ausgelöst werden. In diesem Fall ist es wichtig, dass die Behörden schnell und konsequent handeln - und die Bevölkerung ad hoc informieren. Letzteres hat der niedersächsische Landwirtschaftsminister Gert Lindemann (CDU) vor gut einer Woche getan, als er vor Sprossen aus Bienenbüttel warnte. Er wurde dafür als voreilig kritisiert.

Zu Unrecht, wie sich nun zeigt. Dabei hätten die Kritiker auch vorher wissen können: Nicht der Minister handelt verantwortungslos, der eine gut begründete Verzehrswarnung ausspricht, sondern derjenige, der einen ernsten Verdacht für sich behält, um weitere Proben abzuwarten. Denn Letzteres wäre ein Spiel mit Leben und Tod.

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Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Geboren 1969 in Ost-Berlin. Studium an der FU Berlin. Bei der taz seit 1999, zunächst im Berliner Lokalteil. Schwerpunkte sind Verkehrs- und Unternehmenspolitik.
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3 Kommentare

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  • D
    Dieter

    Natürlich muss frühzeitig gewarnt werden! Aber so präzis wie möglich und nicht in unqualifizierten Rundschlägen, wie geschehen. Von Anfang an wusste man, dass sich der Erreger sehr lokal/regional ausbreitet. Damit ist klar dass der Herd im Raum Hamburg zu suchen ist. Wenn man gesagt hätte, esst keine Gurken mehr, und später Tomaten, Sprossen usw., die im Hamburger Raum produziert oder verkauft werden, dann hätte man in Süddeutschland, restliches Europa, Russland usw. in Ruhe weiter Gemüse aus Spanien, Holland usw. essen können und nicht diesen unnötigen Schaden angerichtet. Im Hamburger Raum dagegen hätte man bei einer Warnung dieser Art erreicht, dass auch keine anderen Salatgemüse gegessen werden, statt unlogischerweise auf spanische Gurken zu starren, und damit die Ausbreitung der Krankheit wahrscheinlich effektiver verhindert. Es ist nicht die frühe Warnung, die kritisiert wird, sondern die fehlende Wissenschaftlichkeit und Koordination in der Öffentlichkeitsarbeit, die jetzt frech auch noch von den Verantwortlichen verteidigt wird.

  • V
    vantast

    Ist viel über EHEC geschrieben worden, was ich aber vermisse, ist der Hinweis auf die Schuld der Politiker, den Bauern das Verfüttern von Antibiotika strengstens zu verbieten. So sind bei Ehec, wie auch bei Ansteckungen in Krankenhäusern, sehr viele Menschen unnötigerweise gestorben und niemand schert sich drum, der Profit steht über allem.

  • A
    aida

    Naja, die zu unrecht verdächtigten Gurken und Tomatenbauer werden das wohl etwas differenzierter sehen.

     

    Im nach hinein sieht es wohl doch eher so aus, daß solange vor unterschiedlichen Gemüse/Salaten gewarnt wurde, bis (zufälligerweise?) ein Treffer dabei war.