Kommentar Berg-Karabach: "Volksdiplomaten" voran!

Weil der Gipfeldiplomatie kein Durchbruch gelingt, muss auf kleine Schritte gesetzt werden. Erfolg kann die "Volksdiplomatie" von Initiativen aus beiden Seiten bringen.

Wieder einmal sind Friedensverhandlungen auf höchster Ebene zwischen Armeniern und Aserbaidschanern gescheitert. Und wieder einmal ist der Euphorie über einen angeblich unmittelbar bevorstehenden, quasi unterschriftsreifen Friedensvertrag die Ernüchterung gefolgt.

Insbesondere an der Waffenstillstandslinie, an der sich armenische und aserbaidschanische Soldaten in Sichtweite gegenüberstehen, wird das zu neuen Spannungen führen. Die Schusswechsel kosten jetzt schon jedes Jahr 30 Menschen das Leben: Sie werden noch zahlreicher werden, der Rüstungswettlauf wird an Geschwindigkeit noch zulegen. Nach Kasan ist ein neuer Karabach-Krieg wahrscheinlicher geworden.

Dabei wissen alle, dass es in einem neuen Krieg, der noch verheerender wird als der Krieg Anfang der 90er Jahre, nur Verlierer geben wird. Nach Jahren rasanter Aufrüstung verfügen inzwischen beide Seiten über Waffen, die ganze Städte vernichten können.

Dieses Mal könnten auch Länder wie die Türkei, die in diesem Konflikt fest an der Seite Aserbaidschans steht, oder Armeniens Schutzmacht Russland in den Krieg hineingezogen werden.

BERNHARD CLASEN ist Autor der taz für Themen aus Russland und Weißrussland.

Und wenn in einem neuen Krieg die Stromversorgung des vor der armenischen Hauptstadt Eriwan gelegenen Atomkraftwerkes Mezamor mehrere Tage unterbrochen sein sollte, könnte dieses Kraftwerk zu einem kaukasischen Fukushima werden.

Zu einer Friedenspolitik der kleinen Schritte gehört es, die Ansiedlung von Armeniern in den von ihnen besetzten Gebieten zu stoppen, auf kriegerische Rhetorik und die Stationierung von schweren Waffen sowie die Abhaltung von Manövern nahe der Waffenstillstandslinie zu verzichten und direkte armenisch-aserbaidschanische Kontakte auf allen Ebenen zu fördern.

Denn gerade weil der Gipfeldiplomatie kein Durchbruch gelingt, gilt es, auf kleine Schritte zu setzen und die "Volksdiplomatie" von armenischen und aserbaidschanischen Initiativen zu unterstützen.

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Jahrgang 1957 Ukraine-Korrespondent von taz und nd. 1980-1986 Russisch-Studium an der Universität Heidelberg. Gute Ukrainisch-Kenntnisse. Schreibt seit 1993 für die taz.

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