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Denkmalgeschütztes Gebäude verfälltSparen mit Abriss

Eine Baugenossenschaft lässt ein denkmalgeschütztes Gebäude in Altona verfallen. Ein Neubau, heißt es, ermögliche sozialverträglichere Mieten.

Verfällt vor sich hin: das Eckhaus Braunschweiger Straße 7. Bild: Maximilian Probst

Das Eckhaus in der Braunschweiger Straße zur Winterstraße, gleich hinter dem Altonaer Museum, ist eine kleine Augenweide. Ein Haus, 1901 erbaut, das sich genau in der Mitte ansiedelt zwischen dem später überladenen Jugendstil und der klassizistischen Strenge, die sich ringsum findet. Ein Haus auch, dass an Sommer, an Süden denken lässt. Wer weiß: Weil der Schweifgiebel, die Rundbögen der Fenster und der gelbe Anstrich dem Gebäude eine zitronenfalterhafte Beschwingtheit verleihen?

Gewichtiger ist allerdings jene Ungewissheit, die die Zukunft des Eckhauses betrifft. Seit mehreren Jahren steht es leer und verfällt. Dabei hat es das Denkmalschutzamt 2010 unter Schutz gestellt. Eigentümer des Gebäudes ist die Baugenossenschaft freier Gewerkschafter (BGFG), die es 2007 erwarb - auf Abriss, wie es aus Denkmalschutzkreisen heißt.

Peter Kay aus dem Vorstand des BGFG weist diesen Vorwurf zurück. Gekauft habe die BGFG das Haus mit der Idee, die alte Vermietung zehn bis 15 Jahre weiterlaufen zu lassen. Das sei aber nicht praktikabel gewesen, da erhebliche Mängel am Bau festgestellt wurden: undichter Dachstuhl, angefaulte Deckenbalken, Pilzbildung, Holzbock - das ganze Programm. Unter diesen Umständen sei dann ein sofortiger Abriss günstiger erschienen, sagt Kay.

Der ist durch den Denkmalschutz gebremst worden - aber nicht abgewendet. Zwar lässt sich im Geschäftsbericht 2009 der BGFG nachlesen, dass bereits fürs Jahr 2010 "der Beginn der Kernsanierung des Wohnhauses in der Braunschweiger Straße 7 vorgesehen" war und dass "die Gesamtkosten dieser Baumaßnahme mit rund 1,1 Millionen Euro veranschlagt" wurden.

Nur ist davon heute nicht mehr die Rede. Nun spricht Kay von einem Abwägungsprozess: "Wollen wir ein Kulturdenkmal erhalten, oder wollen wir mit einem Neubau sozialverträgliches Wohnen in Altona ermöglichen?"

Denn ein Abriss, sagt Kay, brächte mehr Fläche, zudem ließe sich auch bequem die Baulücke schließen, die sich zwischen dem Eckhaus und einem Bauriegel der BGFG Richtung Museumsstraße auftut. Eine denkmalgerechte Sanierung liefe hingegen auf "Mietwohnungen fürs Luxussegment" hinaus - allerdings ist eine Neubau-Miete mit 12 Euro Netto-Kalt beim BGFG auch nicht gerade günstig.

Mit dieser Argumentation ist nun der BGFG erneut in Verhandlungen mit dem Denkmalschutzamt gegangen. Durchs Dach regnet es derweil immer noch, die Schäden am Haus vergrößern sich, die Sanierung wird damit von Tag zu Tag teurer und das Argument der BGFG stichhaltiger.

Allerdings ließe sich fragen, ob nicht eine verantwortungsbewusste Genossenschaft beides unter einen Hut bekommen sollte: die Wahrung des öffentlichen Werts der Baugeschichte und sozialverträgliche Mieten für ihre Mitglieder. Klar, dafür müsste die BGFG in die Tasche greifen. Aber bei einem im Geschäftsbericht vermerkten Gesamtvermögen von 277,5 Millionen könnte das schon drin sein.

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3 Kommentare

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  • HH
    Hergen Hillen

    Ähnlich ist die Situation für die 33 Wohnungen in der Rothenbaumchaussee 101b-f, die seit etwa sechs Jahren teilweise und seit einem Jahr komplett leerstehen. Diese sogenannten Gesindewohnungen sind etwa 100 Jahre alt und in dieser Form in Hamburg kaum noch zu finden. Das Ensemble ist mindestens so erhaltenswert wie die hässlichen Hochhäuser neben der Esso-Tankstelle an der Reeperbahn. Vor einem Jahr wurden die Wohnungen vollkommen entkernt und damit unbewohnbar gemacht. Die Häuser bieten mittlerweile ein Bild der Verwahrlosung. Das Ganze erweckt den Eindruck, dass über die fortgesetzte Untätigkeit des Eigentümers Fakten geschaffen werden sollen, um die Häuser entweder irgendwann abzureißen oder Argumente für eine Luxussanierung zu erhalten. Im ebenfalls aufgewerteten Grindelviertel dürften Luxussanierungen das eigentliche Motiv sein. Die Baubehörde sieht dem Treiben scheinbar tatenlos zu. Schließlich ist das Verhalten des Eigentümers auch ein Lehrstück dafür, wie ökonomische Interessen von Spekulanten gewachsene soziale Beziehungen von vor allem alten Menschen zerstören.

  • B
    BZer

    Instandbesetzen!

  • G
    Genau

    Das muss drin sein. So ein Denkmal muss aufwändigst renoviert und instand gehalten werden, darf aber keinesfalls dann zum realen Preis vermietet werden. Stattdessen müssen überall die Mieten hoch, damit dort dann ein paar luxuriöse Wohnungen zu Plattenbaumieten vergeben werden können. Ist klar.