Kommentar Hungerhilfe für Somalia: Wie Somalia wirklich zu helfen ist

Somalia ist ein Lebensmittelexporteur. Die Verelendung ist nicht mit Gratislieferungen aus dem Ausland zu stoppen, sondern die produktiven Kräfte müssen unterstützt werden.

Ist es eine PR-Aktion oder der Start einer entschlossenen Hilfsoperation, wenn die UNO ein Flugzeug voller Spezialnahrung nach Somalia fliegt? Es gehört zu den Widersprüchen der gegenwärtigen Hungerkatastrophen am Horn von Afrika, dass beide Antworten richtig sind.

Natürlich gibt es in Somalia jede Menge Kinder im Endstadium der Unterernährung, für die jede Minute kostbar ist: Sie brauchen dringend die UN-Sondernahrung. Und natürlich ist es zugleich blanke PR, wenn das UN-Welternährungsprogramm WFP einen Frachtflug auf einen normalen, kommerziell genutzten Flughafen mit dem hochtrabenden Begriff "Luftbrücke" belegt - zumal die UNO ohnehin Somalias Luftraum überwacht und die Logistik der internationalen Somaliahilfe sowieso beim WFP liegt; womit sich die Frage aufdrängt, warum die angelieferte Spezialnahrung nicht längst vor Ort vorhanden ist und warum sie teuer aus Frankreich importiert wird, obwohl sie auch in Somalias Nachbarland Äthiopien hergestellt wird.

Somalia, das wird angesichts der täglichen Hungerbilder in internationalen Medien derzeit oft vergessen, ist eigentlich Lebensmittelexporteur. Über vier Millionen Stück Vieh wurden letztes Jahr aus Somalia in den arabischen Raum verkauft, und noch heute liefert der hungrige Süden Zucker und Reis in die Nachbarländer. Zugleich hat das Land seit Jahrzehnten eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt, weil die Landbevölkerung mangels Sicherheit und Investitionen kein Kapital und keine Reserven für magere Zeiten hat.

Wenn dürrebedingt das Zuchtvieh an Gewicht und Wert verliert und wenn so die Exporteinnahmen einbrechen, sinken die Erlöse der Hirten, während die Händler weniger Geld zum Lebensmittelimport zur Verfügung haben und das wenige, was sie doch importieren, auf den Märkten teurer verkaufen als sonst.

So setzt sich eine unheilvolle Spirale der Verelendung in Gang. Die lässt sich nicht durch massive Gratislieferungen von Nahrung aus dem Ausland umkehren - im Gegenteil. Ziel der internationalen Hungerhilfe muss sein, die produktiven Kräfte Somalias freizusetzen. Groß angelegte internationale Hilfsaktionen mit Flugzeugen und spektakulären Verteilungsaktionen hingegen führen in die Irre.

Die internationale Aufmerksamkeit konzentriert sich derzeit auf diejenigen unter den Hungernden, die als Flüchtlinge ihre Heimat verlassen haben und komplett auf Versorgung von außen angewiesen sind, in teils überfüllten Flüchtlingslagern in Äthiopien und Kenia oder mittellos in den Straßen der somalischen Hauptstadt Mogadischu. Ihnen zu helfen ist eine Selbstverständlichkeit und eine erhebliche logistische Herausforderung.

Aber sie stellen kaum mehr als 5 Prozent der Gesamtzahl der von der Hungerkrise Betroffenen dar. Die anderen sind einfach normale Menschen, denen das Geld fehlt, sich zu den hohen Lebensmittelpreisen selbst zu versorgen. Wer diesen Menschen helfen will, sollte ihnen nicht erst zu essen geben, wenn sie in ein Lager ziehen, sondern ihnen schon vorher finanziell unter die Arme greifen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.