Menschenrechtsverletzungen in Libyen: Dokumente der Gewalt

Internationale Organisationen erheben schwere Vorwürfe gegen Gaddafi - aber auch gegen die Rebellen. Gefordert wird, dass die in Libyen lebenden Afrikaner geschützt werden.

Spurensuche im berüchtigten Abu-Salim-Gefängnis von Tripolis. Bild: dapd

BERLIN taz | Internationale Organisationen haben zu Wochenbeginn mehrere Berichte über Menschenrechtsverletzungen in Libyen vorgelegt. In diesen geht es vor allem um mutmaßliche Verbrechen des Gaddafi-Regimes, aber auch um Besuche von Gefangenen sowie um das Schicksal von Afrikanern aus Ländern südlich der Sahara.

Amnesty International (AI) etwa fordert den Nationalen Übergangsrat auf, Unterlagen aus den Gefängnissen als Indizien für Verbrechen aus der Gaddafi-Ära sicherzustellen. "Haftstrafenregister und andere materielle Beweismittel können entscheidend für Verfahren über Verbrechen sein, die unter der Herrschaft von Oberst Muammar al-Gaddafi verübt worden sind", erklärte Claudio Cordone von AI am Montag.

"Zusätzlich könnten sie dazu betragen, das Schicksal zahlreicher Gefangener aufzuklären, die in den vergangenen Jahrzehnten in libyschen Gefängnissen ,verschwunden' sind, einschließlich mehrerer Tausend, die von Pro-Gaddafi-Kräften seit Beginn des Aufstands festgenommen wurden."

Als Beispiel beschreibt AI einen Besuch des Abu-Salim-Gefängnisses am 28. August. Dort seien Unterlagen auf dem Hof verstreut gewesen und andere in Taschen in mindestens zwei Räumen aufbewahrt worden.

Besucher hätten Dokumente durchgesehen oder als Souvenirs mitgenommen, ungeachtet der Proteste von Angehörigen getöteter Häftlinge.

Die Rebellen haben ihrerseits seit Beginn des Aufstands mehrere hundert Personen gefangen genommen. Unter ihnen seien auch viele, die zumeist aus Subsahara-Afrika stammen, wie ein Sprecher des Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) gegenüber der Nachrichtenagentur AFP sagte.

Gefangenenbesuche

Es seien "konstruktive Gespräche" mit den Rebellen im Gange, um die Zahl der Besuche auszuweiten. Laut einer Erklärung des IRKR konnten deren Vertreter Ende August 135 Häftlinge in Tripolis sowie etwa 300 neue Gefangene in Misurata und Zintan besuchen.

Der für Justizfragen zuständige Vertreter des Nationalen Übergangsrates, Mohammed al-Allagi, sagte laut AFP, die Gefangenen würden "gut behandelt. Amnesty International und Human Rights Watch können kommen und sich davon überzeugen." Wer keine Verbrechen begangen habe, werde nach einem Verhör freigelassen. "Die anderen werden verurteilt."

Die "Gesellschaft für bedrohte Völker" (GfbV) forderte indes den Übergangsrat auf, im Lande lebende Afrikaner vor Übergriffen zu schützen.

"Schwarzafrikanische Migranten sowie Angehörige der im Landesinnern ansässigen Toubou und Tuareg dürfen nicht pauschal als Handlanger des Gaddafi-Regimes abgestempelt und als ,Freiwild' behandelt werden", sagte GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Dienstag in Göttingen. Gaddafi-Gegner hätten Dutzende Afrikaner festgenommen, weil sie fälschlicherweise für Söldner des alten Regimes gehalten worden seien.

Hinrichtungen und Vergewaltigungen

Die US-Organisation "Ärzte für Menschenrechte" (PHR) schließlich widmet sich in einem am Dienstag vorgestellten 46-seitigen Bericht "Zeuge von Kriegsverbrechen - Beweise aus Misurata, Libyen" der Lage in der lange belagerten und umkämpften Küstenstadt. Ein PHR-Team hielt sich zwischen dem 5. und 12. Juni, kurz nach der Vertreibung der Gaddafi-Truppen, in Misurata auf und führte zahlreiche Interviews.

Die Liste der Vorwürfe umfasst zahlreiche Hinweise auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Darunter fallen der Einsatz von Zivilisten als "menschliche Schutzschilde", summarische Hinrichtungen, Vergewaltigungen - gelegentlich mit der darauf folgenden Ermordung der betroffenen Mädchen und Frauen durch Angehörige -, sowie die Zweckentfremdung von Moscheen, Schulen und Marktplätzen als Waffenlager.

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