Ostdeutsche Wirtschaftsforschung: Ministerin drängt auf Reformen
Nach Kritik soll das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH) internationaler werden: Präsident und Geschäftsführer gehen - nicht ganz freiwillig.
DRESDEN taz | Für Eingeweihte kamen die Rücktrittsangebote der Führungsspitze des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) nicht überraschend. Rechtzeitig vor der gemeinsamen Wissenschaftsministerkonferenz von Bund und Ländern und der Sitzung des IWH-Vorstandsrates im Oktober resignierten jetzt Präsident Ulrich Blum und Geschäftsführer Frowin Gensch.
Bei einer vorgezogenen Prüfung im Juli hatten externe Gutachter der Leibniz-Gemeinschaft bereits die Forschungsleistung und die mangelnde Zahl internationaler Publikationen gerügt. Aus den gleichen Gründen war 2007 die Förderung statt der üblichen sieben auf zunächst drei Jahre begrenzt worden.
Neben mehreren Außenstellen anderer Institute ist das IWH das größte und renommierteste Wirtschaftsforschungsinstitut in den ostdeutschen Ländern. Als eines von vier Instituten ist es am jährlich im Frühjahr und im Herbst vorgelegten Konjunkturbericht beteiligt.
Politikern und Journalisten galt es insbesondere in Fragen des wirtschaftlichen Aufholprozesses Ostdeutschlands als wichtige Auskunftsadresse. Vom Bund und dem Land Sachsen-Anhalt wird das IWH mit insgesamt etwa fünf Millionen Euro gefördert und beschäftigt 50 wissenschaftliche Mitarbeiter.
Präsident Ulrich Blum soll nun offenbar auf Drängen von Sachsen-Anhalts Wissenschaftsministerin Birgitta Wolff (CDU) die Verantwortung dafür übernehmen, dass das Institut nur noch eine dreijährige Förder-Gnadenfrist bekam. 2014 müssen Reformergebnisse vorliegen. "Ich glaube nicht, dass die Leibniz-Gemeinschaft eine notwendige Weiterentwicklung des IWH mit dem gleichen Personal akzeptiert", sagte Wolff in Magdeburg.
Langjährige Profilierungsprobleme des Instituts
Blum wiederum geht nicht ganz freiwillig. Bevor er 2004 an das IWH wechselte, genoss der heute 58-Jährige in Dresden einen guten Ruf als Forscher und Hochschullehrer. Auf die bemängelte internationale Vernetzung angesprochen, antwortete er im Sommer in einem Interview mit dem Deutschlandfunk: "Man muss nur hinsehen und wollen, und wenn man nicht hinsehen will, dann kann man es nicht entdecken."
Ein ehemaliger IWH-Mitarbeiter bestätigt die langjährigen Profilierungsprobleme des Instituts. Die Wissenschaftseinrichtung befinde sich dabei allerdings auch in einer Zwickmühle: Einerseits solle es nach Meinung der Leibniz-Gutachter einen Forschungsschwerpunkt auf die Transformationsökonomik in den ehemaligen sozialistischen Staaten legen. Andererseits könne man mit dieser Thematik in den internationalen Spitzenjournalen nicht besonders viel Beachtung erlangen.
Im Gespräch ist nun eine bessere Vernetzung mit den beiden Universitäten in Sachsen-Anhalt. Allerdings haben bislang die Universitäten auch nicht gerade auf Kooperationen mit dem IWH gedrängt. Blums Stelle wird nun erst einmal international ausgeschrieben, ein Nachfolger soll in einem halben Jahr gefunden sein.
Leser*innenkommentare
guntherkummerlande
Gast
Ich finde die Sachlage nicht so eindeutig.
Erstens ist es hoch bedenklich,wenn sehr
wenige Fachzeitschriften durch deren Gnade
des Publikationsabdrucks die Themenausrichtung,
die Forschungskarrieren und die politisch
relevanten Meinungsmacher krönen oder schmähen
können.
Bei zig Millionen Wissenschaftlern auf der Welt
werden selbst sehr gute Wissenschaftler
nicht immer durchdringen können.
Es wäre aber falsch deshalb die Unterstützung für
das eigene Personal aufzukündigen.
Stellen Sie sich vor sie haben international
500.000 Wunderkinder als Instrumentalmusiker.
Deutschland besäße von diesen 10.000 .
Es gäbe nur 3 Festivals mit jeweils 1000
Auftritten unterschiedlicher Wunderkinder.
Dann wären 497.000 Wunderkinder und ihre unzähligen
Musikstunden völlig umsonst.
Wenn dann nur 200 deutsche Talente aufträten,
wären 9800 deutsche SupermusikerInnen zu Beginn ihrer Karriere
bereits beruflich aus der Premiumleague ausgeschieden
ohne eigenes Verschulden.
Ähnlich sehe ich das bei den Wissenschaftlern.
Lasst Sie einfach mal machen und gebt ihnen
eine kleine Erprobungsregion für ihre wirtschaftlichen Thesen, weil die Praxis bedeutender
ist als die Wirtschaftssimulation.
Mecklenburg-Vorpommern könnte eine Sonderwirtschaftszone durchaus gebrauchen.
Mehrere Male müssen sich die Chefs dieses Institutes
mit der Politik angelegt haben und politisch
ungewollte Kommentare zum Kinderkriegen und
zum Euro verfaßt haben.
Es muss ausgeschlossen werden, dass die Freiheit
der Wissenschaft durch die Politik gängelbar wird
durch sogenannte "externe Prüfer", welche nur
ungeliebte "Netzbeschmutzer" oder "Querulanten"
aussieben wollen.
Die Wissenschaft muß immun gegenüber
staatlicher Korrumpierung sein.
In der Wissenschaft gibt es genug Fälle,
in denen Wissenschaftler plagiiert haben,
Zahlenwerke frisierten oder anderer Leute Ideen
schamlos als die eigenen verkauften oder gewagte
Thesen durch gefälschte Berichte untermauerten.
Die Gutenberg-plaque und Co. ist
dabei nur die Spitze des Eisberges.
Authentizität und wissenschaftliche Unabhängigkeit,
Orginalität und Streitbarkeit müssen in
der Gesamtbewertung der Forscherqualitäten mit
gebührend berücksichtigt werden.
Die Wirtschaftswissenschaftler müssen exakt
die spezifischen Probleme in Ostdeutschland analysieren. Die sind sicherlich für viele andere
Regionen bedeutungslos und damit wenig
nachgefragt.
Zuletzt sei noch angemerkt, dass
die Oberkrösuse der BWL-Zunft nicht selten
auch die größte wirtschaftliberale
Scharlatanerie einführten,
Leerverkäufe(gedeckt und ungedeckt),
Hedgefonds,
die Black-Scholes-Gleichung(Wirtschaftsnobelpreis),
die Gleichberechtigung von Softwareprogrammen
mit menschlichen Brokern und den Millisekundentransaktionshandel bei dem Menschen
sogar völlig ausgeschlossen werden und die
Handelsmacht von der Übertragungsgeschwindigkeit
und dem Standort der Rechner innerhalb der Börse
abhängig ist.
Diejenigen "Koryphäen", die solche Wirtschaftsverbrechen zuließen,
hätten viel berechtigter Angst um Amtsenthebung
haben müssen, wenn diese Welt halbwegs gerecht
wäre.