ARD-Nummernrevue im besten Sinne: "Du musst gieriger werden!"

"Das Ende einer Maus ist der Anfang einer Katze" (20.15 Uhr, ARD) ist eine wunderbar nihilistische Vollstreckungskomödie und erinnert an einen Hitchcock-Film.

Für Erol Ozak (Hilmi Sözer) läuft es nicht gut. Bild: hr

Kein Hitchcock-Film ohne MacGuffin.Was es mit einem "MacGuffin" auf sich hat, hat Hitchcock einmal so erklärt: "Der Name erinnert an Schottland, und da kann man sich folgende Unterhaltung zwischen zwei Männern in der Eisenbahn vorstellen. Der eine sagt zum anderen: ,Was ist das für ein Paket, das Sie da ins Gepäcknetz gelegt haben?' Der andere: ,Ach das, das ist ein MacGuffin.' Darauf der erste: ,Und was ist das, ein MacGuffin?' Der andere: ,Oh, das ist ein Apparat, um in den Bergen von Adirondak Löwen zu fangen.' Der erste: ,Aber es gibt doch überhaupt keine Löwen in den Adirondaks.' Darauf der andere: ,Ach, na dann ist es auch kein MacGuffin.'"

Der heutige "FilmMittwoch"-Film ist nicht von Hitchcock, er atmet aber den nihilistischen Geist seiner Anekdote. Der erste Satz, der in dem "Heimatthriller" (ARD) mit dem merkwürdigen Titel "Das Ende einer Maus ist der Anfang einer Katze" gesprochen wird, geht in passender, der Fauna verhaftet bleibender Weise so: "Bringen wir die Kuh vom Eis, Erol." Erol (Hilmi Sözer) hat ein Problem, er ist der schlechteste Vollstreckungsbeamte des Landes. Er weiß selbst, woran es liegt: "Du bist zu gutmütig. Du musst gieriger werden. Viel, viel gieriger." Erst mal muss sich der Loser, der Held aber der Gier anderer erwehren. Auf vertrackte Weise ist er in den Besitz einer Tasche mit einer halben Million Euro gelangt, sie ist ihm sogleich wieder abhanden gekommen. Eine solche Summe kann natürlich nur Verbrechern gehören, auch die haben eine Vollstreckungsabteilung: "Wer bei anderen Geld beitreiben muss, macht sich nicht gerade beliebt. Aber das kennst du ja sicher von deinem Job." Die zwei Killer sind Wiedergänger des stilprägenden Anti-007-Duos Mr. Wint und Mr. Kidd ("Diamonds Are Forever") und haben wie diese Spaß an ihrer Arbeit.

Der Begriff steht meist in Verrissen, aber mit "Das Ende einer Maus …" hat Stefan Kornatz (Buch und Regie) eine Nummernrevue im besten Sinne auf die Beine gestellt. Eine absurde Szene, eine skurrile Gestalt folgt auf die andere. Sie heißen Hans Albers oder Ali Kaan. Klitzekleine Traumrollen für Schauspieler mit Sinn für dunkle Komik. Alexander Held spielt den maliziösen Killer ebenso lustvoll lässig wie Peter Jordan den Behördenchef mit begrenztem Verstand und Vokabular: "Ach du Scheiße! Eine riesengroße Scheiße ist das alles!" Viel mehr als diese ständig wiederholten zwei Sätze bringt der Beamte im höheren Dienst nicht zustande. Hans-Jochen Wagner gibt das Abziehbild eines Provinzpolitikers, dessen aus den billigsten rhetorischen Plattitüden zusammengesampelte und gleichwohl keineswegs wirklichkeitsfremde Wirtshaus-Wahlkampfrede zu den Nummern-Höhepunkten des Films zählt: "Man muss sich entscheiden, auf welcher Seite man steht. Denn, wie wir alle wissen: Nur, wer weiß, wo er steht, kennt den Weg zum Ziel!"

Ach so, falls die einleitend zitierte Geschichte nicht hinreichend deutlich gemacht hat, was ein MacGuffin ist - das Wesen des MacGuffin liegt in seiner Bedeutungslosigkeit. Der MacGuffin in diesem Film ist die halbe Million. Die Frage, wohin sie am Anfang verschwunden ist, interessiert bald nicht mehr. Wichtig ist allein das Katz-und-Maus-Spiel.

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