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Archiv-Artikel

Unser 2010!

VON INES POHL

Machen Sie mit bei einem kleinen Gedankenspiel? Schließen Sie bitte kurz die Augen und denken an „Agenda 2010“. Gesprochen: Agenda zwanzigzehn. Was kommt Ihnen in den Sinn? Der Anfang vom Ende der SPD, vielleicht. Ganz bestimmt soziale Härte, Hartz IV, sittenwidrige Zumutbarkeiten und andere Grausamkeiten.

Als Kanzler Gerhard Schröder am 14. März 2003 in seiner Regierungserklärung zum ersten Male von der Agenda 2010 sprach, schien das Jahr, das morgen beginnt, noch ewig weit. Jene, für deren Wohlergehen die großen Reformen angeblich eingeleitet wurden, hatten sich gerade zu entscheiden, wie es nach den ersten Schuljahren mit ihnen weitergehen sollte. Realschule, Gymnasium, Gesamtschule, je nach Bundesland und/oder Elternhaus. Niemand dürfte damals erahnt haben, mit was diese vermeintlichen Profiteure der rot-grünen Politik im wirklichen Leben konfrontiert sein würden, wenn das Jahr 2010 beginnen würde: Schuldenberge unermesslichen Ausmaßes. Sie werden jener Agenda-2010-Generationen noch jahrzehntelang die politische Luft abschneiden.

Doch was erwarten sie selbst – die Entscheidungs- und Leistungsträger, denen die Agenda das Leben leichter machen sollte? Die Antwort ist so vielfältig wie unsere Autorinnen und Autoren. Und doch gibt es bei aller Unterschiedlichkeit ein Gemeinsames: Mit 18 ist man einfach unsterblich. Egal, welches Jahr der Kalender schreibt. Rente ist morgen. Leben jetzt.

Über die taz-Panter-Akademie haben wir Kontakt zu mittlerweile hunderten von jungen Männern und Frauen, die sich für Journalismus interessieren. Wir haben gefragt, wer Lust hat, sich an einer Sonderausgabe zum Wechsel ins neue Jahr zu beteiligen. Sie halten das Produkt in Ihren Händen.

Aus dem Arbeitsthema wurde schnell der gesetzte Titel: „Unsere Agenda 2010“. In dieser Ausgabe lesen Sie Interviews, Porträts, Persönliches und viel Reflexion. Offenkundig scheint: Die Agenda-2010-Generation interessiert sich so wenig für Rentenformeln wie die 18-Jährigen vor 30 Jahren. Was fühlbar wird, ist die Lust auf Leben. Anders als früher wird heute aber weniger gegen, vielmehr für etwas gekämpft – zum Beispiel für Entschleunigung. Neu mag auch die Suche sein nach Auswegen aus den Strukturen, die definitive Lebensentscheidungen früh abverlangen.

Wir laden Sie ein, sich auf dem Weg ins neue Jahr von unseren jungen KollegInnen begleiten zu lassen.

Wir wünschen Ihnen und uns ein gutes Jahr zwanzigzehn!

INES POHL, TAZ-CHEFREDAKTEURIN