piwik no script img

Archiv-Artikel

Nicht mal Geld fürs Rasenmähen

PRENZLAUER BERG II Anwohner des Thälmannparks fürchten steigende Mieten. Dem Vorhaben von Grünen-Bezirksstadtrat Kirchner, sie an der Entwicklung des Viertels zu beteiligen, trauen sie nicht

Der grüne Stadtrat wolle, wie in anderen Kiezen, die Bevölkerung austauschen

Von Stadtplanung und Politik erwartet man in Prenzlauer Berg nichts Gutes mehr. Erst recht nicht, wenn diese sich eines Viertels annehmen möchten, an dem die Sanierungswelle der vergangenen Jahre bislang vorbeigezogen ist. „Ich fürchte, dass sich das gesamte Gebiet verändert, die Mieten steigen und die alten Mieter sich das nicht mehr leisten können“, rief eine ältere Dame bei einer Diskussionsveranstaltung über die Zukunft des Areals am Mittwochabend ins Mikrofon. Tosender Applaus bestätigte, dass sie aussprach, was alle dachten.

Die Dame ist Bewohnerin des Ernst-Thälmann-Parks, der in den 80er Jahren als sozialistische Vorzeigesiedlung auf dem Gelände eines ehemaligen Gaswerks entstanden ist. Der Park bildet das Zentrum eines größeren Quartiers zwischen Prenzlauer Allee, S-Bahn-Ring, Greifswalder und Danziger Straße, auf dem in den kommenden Jahren einige Veränderungen anstehen: Das dortige Krankenhaus wird abgewickelt, das Kulturareal um das Theater unterm Dach wechselt den Besitzer, das Bezirksamtsgelände soll umgestaltet werden, und darüber hinaus gibt es bereits Investoren mit Bauplänen für Freiflächen.

Um diesen Ereignissen nicht tatenlos zuzusehen, sondern aktiv Stadtentwicklung zu betreiben, hat das Pankower Bezirksamt nun eine Untersuchung in Auftrag gegeben. Bis Ende Oktober soll die Stadtentwicklungsgesellschaft Stattbau herausfinden, welche Entwicklungsmöglichkeiten sich auf dem Areal bieten – und was nicht geht. Berücksichtigt werden sollen dabei auch die Wünsche der Anwohner, Gewerbetreibenden und Eigentümer.

Dabei gaben sich die Veranstalter am Mittwochabend die größte Mühe, die Untersuchung den Bürgern als Chance zu verkaufen. „Die Menschen, nicht die Häuser machen die Stadt“, sagte Genia Krug von Stattbau. „Es geht darum, ihre Wünsche und Vorstellungen mit einfließen zu lassen“, erklärte Jens-Holger Kirchner (Grüne), Pankows Stadtrat für Stadtentwicklung.

Doch die Anwohner wollen dem Braten einfach nicht trauen. „An der Ella-Kay-Straße werden auf dem alten Gasag-Gelände bereits Bäume für ein neues Luxusprojekt gefällt“, sagte ein Diskussionsteilnehmer. „Da werden doch längst Tatsachen geschaffen!“ Ein jüngerer Mann bezweifelte den Gestaltungsspielraum des Bezirks: „Die Häuser des Thälmannparks gehören der Gewobag, andere Flächen bereits Investoren. Und nun erzählt mir ein Bezirk, dem das Geld fürs Rasenmähen in unserem Park fehlt, er könne hier noch gestalten.“

Zum Schluss wurde dem grünen Stadtrat noch unterstellt, er wolle nach den anderen Kiezen des Prenzlauer Bergs nun auch noch im Thälmannpark die Bevölkerung austauschen, um die Wählerschaft seiner Partei zu vergrößern. Kirchner ließ die Vorwürfe abprallen und wiederholte gebetsmühlenartig, es sei ein offenes Verfahren mit dem Sinn, alle vorgetragenen Bedenken zu berücksichtigen.

Richtig los geht es bei der Bürgerbeteiligung mit einer Fragebogenaktion im März. Für April/Mai ist eine erste öffentliche Werkstatt mit Rundgängen über das Gelände geplant, in der Prioritäten gesetzt werden sollen – Kitaplätze oder mehr Pflege für den Park? Im August/September folgt dann eine zweite Werkstatt, in der es um konkrete Maßnahmen und ein Leitbild für das Areal gehen soll. Um den gesamten Prozess transparent und nachvollziehbar zu machen, soll er im Internet dokumentiert werden.

JULIANE WIEDEMEIER