Chefinnen für die Bremer Grünen: Viel Amt, viel Ehr, kein Geld

Händeringend suchte die Grünen-Führung seit Juli nach Bewerberinnen fürs Ehrenamt der Landesvorstands-Sprecherin. Jetzt hat sie zwei kluge Kandidatinnen

Henrike Müller (links) tritt gegen Daniela Herden an Bild: dpa

BREMEN taz | Fast wärs zur Farce geworden - und jetzt gibt es doch zwei Kandidatinnen: Heute wählt die Landesmitgliederversammlung von Bündnis 90/ Die Grünen einen neuen Landesvorstand. Und seit kurz vor der Sommerpause durchgesickert war, dass Susann Mittrenga nach acht Jahren nicht erneut als Landesvorstands-Sprecherin zur Verfügung stehen würde, hatte die Partei händeringend nach BewerberInnen gesucht. Denn auch Karin Mathes hatte, als neue Ortsamtsleiterin von Schwachhausen/Vahr, im Juli ihren Vorstandsposten räumen müssen.

Während sich Hermann Kuhn, finanzpolitischer Sprecher der Bürgerschaftsfraktion, Anfang Oktober für diesen auch Männern zugänglichen zweiten Platz gemeldet hatte, bewarb sich niemand auf die Mittrenga-Nachfolge. Bis Freitag vergangener Woche: Da konnte der Landesgeschäftsführer endlich verkünden, dass zwei Kandidatinnen sich gemeldet hatten: Die Gemeindereferentin Daniela Herden und die promovierte Politologin Henrike Müller - beide noch weitgehend unbekannt in Bremen.

Dass es schwer fiel, jemanden zu finden, ist nachvollziehbar: Einerseits hatte man sich an Ella-Mittrenga natürlich bestens gewöhnt. Volle acht Jahre, so lang wie niemand bisher, hat sie die Partei geführt - ohne vom Hof gejagt zu werden. "Ich bin fröhlich in die Politik gegangen - und gehe auch wieder fröhlich raus", sagt sie. In ihrer Amtszeit hat sich die Mitgliederzahl auf 730 verdoppelt. Sie hat zwei Koalitionsverträge mit ausgehandelt, den aktuellen nennt sie ihr "politisches Meisterstück". Und die CDU haben die Bremer Grünen als zweite politische Kraft abgelöst. Das muss die Nachfolgerin verstetigen. Das bedeutet viel Arbeit, bringt nicht nur Freunde, eventuell viel Ehr - aber kein Geld. "Die Partei wird sich fragen müssen", sagt Ella-Mittrenga, "ob sie das so beibehält." Spätestens die beschwerliche Suche nach einer Nachfolgerin zwinge, darüber nachzudenken. Denn dass der - äußerst gut bezahlte - Chef der Bürgerschaftsfraktion auch die Parteiführung übernimmt, "eine solche Verknäuelung wird es bei den Grünen nicht geben".

Es könnte "sogar ein Vorteil sein, dass der Posten unbezahlt ist", sagt Henrike Müller. Die Augenhöhe mit dem top-verdienenden Fraktions-Vorsitzenden jedenfalls sieht sie dadurch nicht in Gefahr. "Gerade weil jeder weiß, dass es unfassbar viel, aber auch ehrenamtliche Arbeit ist, wird dem Parteivorstand großer Respekt entgegengebracht." Zentrale Frage der kommenden zwei Jahre ist für sie, "wie die Bremer Grünen in die Bundestagswahl gehen".

Klar, Schließlich will man schwarz-gelb im Bund nicht durch eine großen Koalition abgelöst sehen. Die 36-jährige Müller, erst seit zwei Jahren Parteimitglied, geht leicht favorisiert in die Wahl: Kurz nach Maueröffnung ist sie mit ihren Eltern von Dessau nach Bremen gezogen. Sie hat hier Abi gemacht und studiert. Seit Sommer ist sie Mitglied im Beirat Mitte - Listenplatz zwei und 492 persönliche Stimmen, ein klasse Ergebnis für eine Newcomerin. Sie arbeitet an der Uni: Dort gehört sie zum Vorstand des Zentrums für Gender Studies (ZGS).

Außerdem ist sie Geschäftsführerin des Bremer Landesverbands der Europa Union, wo sie eng mit dessen Vorsitzenden zusammenarbeitet. Der heißt Hermann Kuhn. Und das muss kein Vorteil sein. Denn bei den Bremer Grünen gibt es auch erklärte Anti-Kuhnianer. Und zwei aus demselben Lager als Vorstands-Sprecherinnen, das könnte als Problem empfunden werden. Weiß Müller auch: "Hermann Kuhn und ich, wir sind schon sehr unterschiedlich", sagt sie. "Wahrscheinlich können wir deshalb gut zusammenarbeiten."

Daniela Herden lebt erst seit August in Bremen. Sie ist Mutter dreier Kinder, geschieden, hat ein Examen als katholische Gemeindereferentin, hat in der Offenen Jugendarbeit und als Sterbebegleiterin im Hospiz gearbeitet - und derzeit keinen Job. "Ja, ich weiß", sagt sie, "wir Alleinerziehenden sind eine Randgruppe." Aber das will die 32-Jährige ändern, auch durch ihre Kandidatur. "Wir gehören in die Mitte der Gesellschaft."

Sie ist "eigentlich schon immer eine Grüne", und sie hat kommunalpolitische Erfahrungen da gesammelt, wo es am härtesten ist. In Papenburg im Emsland nämlich, im wilden Westen der Republik, wo die Männer noch Männer sein müssen. Sogar die grünen. Das bringt Verwerfungen mit sich, wenigstens, wenn frau sich nicht als kleines Mädchen vorführen lassen will: Anderthalb Jahre bildete sie zusammen mit dem Landwirt Nikolaus Schütte zur Wick die grüne Stadtratsfraktion. Für Nicht-Emsländer: Schütte zur Wick hat ziemlich dieselbe Frisur wie der ehemalige grüne Bausenator Ralf Fücks, aber ein viel ausgeprägteres Ego. Dass Herden 2007 die Fraktion sprengte und zur CDU wechselte, ist in diesem Kontext lesen - nicht als grün-schwarze Tendenz. "Das war Kommunalpolitik", sagt sie, "das hat vor allem damit zu tun, mit wem man zusammen arbeiten kann."

Ihre Inhalte hat sie der neuen Fraktion nicht angepasst: Gegen die Union lehnte sie das Dörpener Kohlekraftwerk ab. Und als die CDU eine von den Eltern dringend gewünschte Integrierte Gesamtschule torpedieren wollte, zog sich Herden ganz aus dem Rat zurück - wodurch die Mehrheitsverhältnisse im Verwaltungsausschuss kippten. "Mir geht es um Sachpolitik", sagt sie.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.