Reservisten-Verbandschef über Neonazis: "Wir haben die Gefahr unterschätzt"

Der Reservistenverband der Bundeswehr kämpft gegen Neonazis in den eigenen Reihen. Verbandschef Kiesewetter fordert nun auch Hilfe vom Verfassungsschutz.

Wollen jetzt ausmisten: Reservisten bei einer Gedenkfeier. Bild: dpa

taz: Herr Kiesewetter, Sie gehen derzeit gegen NPD-Mitglieder und Rechtsextreme in ihren eigenen Reihen vor und haben bereits einige verbannt. Wie funktioniert ihr Nazi-Scanner?

Roderich Kiesewetter: Wir haben keinen Nazi-Scanner. Aber wir haben nun einen Unvereinbarkeitsbeschluss getroffen, der sagt: Wer Mitglied in der NPD ist, der kann bei uns kein Mitglied sein.

Das überrascht. Als Anfang Oktober NPDler mit Waffen des Reservistenverbandes auf Ihren Übungsplätzen hantierten, hieß es bei Ihnen noch: "Solange die NPD nicht verboten ist, sind uns die Hände gebunden."

48, ist seit November Präsident des Deutschen Reservistenverbandes und abrüstungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag.

Ich habe mich schon lange dafür eingesetzt, dass wir hier rigoroser vorgehen. Aber ich bin auch erst seit vier Wochen Präsident des Verbandes. Nun will ich niemandem einen Vorwurf machen, doch ich hätte mir auch gewünscht, dass es hier früher mehr Sensibilität gegeben hätte. Wer rechtsextremes Gedankengut pflegt und die Verfassung missachtet, hat keinen Anspruch auf eine Ausbildung an der Waffe, wie wir sie ja auch durchführen. Deshalb habe ich erwirkt, dass wir solchen Mitgliedern nun rigoros die Mitgliedschaft kündigen.

Mit Erfolg?

Bei den zwölf uns bekannten Personen, denen ich die Mitgliedschaft gekündigt habe, gibt es erstaunlicherweise bisher keinen juristischen Gegenwind. Ich würde mir daher wünschen, dass auch andere Vereine den Weg einschlagen, über eine Kündigung rechtsextremer Mitglieder verstärkt nachzudenken.

Die Parteimitgliedschaft ist ein rein formales Kriterium. Das heißt, Neonazis, die keiner Partei angehören, dürfen bei Ihnen weiter Mitglied sein?

Das ist in der Tat ein Problem: Wie wollen sie als Vereinsvorsteher die Gesinnung ihrer Mitglieder prüfen, wenn sie sie nicht kennen? Wir müssen deshalb in unseren Schießsportgruppen eine andere Sensibilität entwickeln. Leider werden wir damit aber auch alleine gelassen.

Was meinen Sie damit?

Zu vielen rechtsextremen Organisationen liegen uns nicht hinreichend viele Kenntnisse vor, auf deren Basis wir tätig werden könnten. Mir liegen etwa vier Fälle von Personen vor, wo es zwar Verdachtsmomente gibt, aber nicht mehr. Hier bräuchte ich die Unterstützung des Verfassungsschutzes.

Wie soll das aussehen?

Ich fordere, dass wir eine Informationspflicht für den Verfassungsschutz einführen: Der Geheimdienst muss Organisationen, die staatliche Gemeinschaftsaufgaben übernehmen, warnen, wenn Verfassungsfeinde sich einschleichen. Es muss verbindlich geregelt werden, dass die Verfassungsschutzbehörden hier besser kooperieren.

Sie wollen eine öffentliche Naziliste des Verfassungsschutzes?

Natürlich keine, die an Sportvereine verschickt wird. Aber Verbände wie die Freiwillige Feuerwehr, das Rote Kreuz und der Reservistenverband sind Träger öffentlicher Aufgaben. Im Reservistenverband geht es auch um die Anträge zur Genehmigung von Waffenbesitzkarten und wir sind etwa zuständig für die Ausbildung und Förderung militärischer Fähigkeiten. Deshalb ist es nötig, dass der Staat uns hier auch hilft, damit wir nicht die Falschen ausbilden.

Gilt die Extremismusklausel Ihres Verbands auch für die Linkspartei?

Ich würde mich freuen, wenn Sie mir Mitglieder der Linkspartei nennen, die Mitglieder in Reservistenverband sind. Aber im ernst: Ich habe nicht das Gefühl, dass wir die Gefahr von Links in den letzten Jahren unterschätzt haben. Wir haben aber die Gefahr von Rechts unterschätzt. Durch die Wiedervereingung und die zwischen 1933 bis 1989 fehlende demokratische Kultur im Bereich des Beitrittsgebietes müssen wir heute besonders sensibel sein. Es reicht eben nicht, in der Schule mal vor Rechts zu warnen. Wir waren bei Rechts zu lange großzügig.

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