Ivan Lendl coacht Andy Murray: Der Altmeister und sein Lehrling

Es ist selbst für den unberchenbaren Schotten Andy Murray ein erstaunlicher Coup: Ivan Lendl wird sein Trainer - und soll ihn endlich zum großen Erfolg führen.

Greift nur noch für die Show zum Racket: Ivan Lendl. Jetzt kommt er als Coach zurück in die Szene. Bild: dpa

Es war ein paar Stunden vor Mitternacht in Europa, da verkündete der stets unberechenbare Andy Murray, die Nummer 4 der Tennis-Weltrangliste, einen selbst für seine Verhältnisse erstaunlichen Coup: Mit sofortiger Wirkung, so teilte der junge Schotte im Internet mit, werde ihn der legendäre Altmeister Ivan Lendl als Vollzeittrainer betreuen.

Schon bei den Australian Open werde er "auf die gewaltige Erfahrung und das große Wissen" des US-Amerikaners mit tschechischen Wurzeln vertrauen, sagte Murray, "ich habe immer gesagt, dass ich nur einen Trainer verpflichten werde, der mich wirklich weiterbringt."

So imposant war dieser Silvesterkracher, dass es der Name "Ivan Lendl" beim Internet-Kurznachrichtendienst Twitter im Vereinigten Königreich in den auslaufenden Stunden des Jahres 2011 in die Top Ten der Botschaften schaffte. Verabredet hatten Murray und Lendl ihre Liasion in der Woche vor Weihnachten, als der 24-Jährige in Miami im Trainingslager weilte.

Schon einmal waren Gerüchte über eine Zusammenarbeit aufgekommen, doch im März 2011 hatte der Brite die Spekulationen noch zurückgewiesen. Anders als seinem Altersgenossen Novak Djokovic, dem überragenden Spieler des Jahres 2011, fehlte Murray bislang die mentale und spielerische Härte zum ganz großen Tenniscoup.

Hier kommt nun der Mann ins Spiel, der die Verantwortung für Murrays weiteren Werdegang übernimmt: Ivan Lendl, 51, der fitteste Spieler seiner Zeit, ein erster Prototyp des modernen Tennisprofis, ein zäher, verbissener, extrem methodischer und konsequenter Arbeiter. Aber auch einer, der die komplizierten psychologischen Muster in Murrays Karriere nachempfinden kann: Denn bevor Lendl auf fast allen bedeutenden Centre Courts der Welt seinen Siegeszug antrat, verlor er die ersten vier großen Finals und galt schon als abgeschrieben im Kampf um die Toptitel.

Lieber um fünf Töchter kümmern als um Tennis

Murray teilt das Schicksal seines neuen Übungsleiters - in den ersten drei Grand-Slam-Endspielen ging er ausnahmslos als Geschlagener vom Platz, zuletzt auf demütigende Weise im Australian-Open-Finale 2011 gegen Djokovic. Murrays letzten echten Topcoach, den Amerikaner Brad Gilbert, hatte der Schotte vor drei Jahren verstoßen. "Ivan wird mir jetzt neue Perspektiven eröffnen. Da bin ich ganz sicher", glaubt Murray, der in dieser Woche seinen Saisonauftakt im australischen Brisbane absolviert, "so viel vom Tennis wie er verstehen nur ganz wenige."

Bis vor drei Jahren wäre die nun verkündete Personalie allerdings ins Reich blühender Fantasie verwiesen worden, denn Lendl hatte sich nach seiner Karriere vollständig aus der Tourmaschinerie zurückgezogen. Der in Ostrava geborene Großmeister hatte alle Verbindungsstränge gekappt und kümmerte sich stattdessen lieber um seine fünf Töchter. Einen einzigen Tag im ganzen Tennisjahr zog es ihn ins alte Arbeitsrevier zurück. Inkognito besuchte er die US Open- und enthielt sich jeden Kommentars. Über viele Jahre lehnte er jede Interviewanfrage ab.

Erst 2008, die Töchter standen auf eigenen Beinen, erwachte wieder sein Interesse am Tennis. Und ehe man sich versah, war Lendl in die Karawane der Seniorentour eingeschwenkt. Auch in Deutschland spielte er Schaukämpfe mit alten Freunden und Rivalen, den Steebs, Lecontes oder Stichs. Was auffiel, war neben der neuen Leibesfülle vor allem die messerscharfe Beobachtungsgabe und der trockene Humor des Mannes, der einst so humorlos wirkte. Andy Murray wird das zu schätzen wissen.

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