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Generalstreik in NigeriaAuftakt zum "afrikanischen Frühling"?

Gewerkschafter legen Lagos lahm. Die Massenproteste richten sich gegen höhere Benzinpreise: "Auf einem Pulverfass spielen wir mit dem Feuer", sagt die Opposition.

Protestierende Nigerianer legten am Montag Teile des Verkehrs lahm - wie hier in Lagos. Bild: ap

LAGOS dapd/afp/taz | Bei Sonnenaufgang sind die Straßen leer. Wo sich in der Metropole Lagos sonst der Verkehr staut, errichten Gewerkschafter Straßensperren, und Banden greifen die paar Autos an, die trotz des Streiks unterwegs sind. Mit einem unbefristeten landesweiten Ausstand protestieren die Nigerianer seit Montag gegen die Abschaffung der Benzinsubventionen. Es geht nicht nur um gestiegene Spritpreise; es geht auch um die Korruption der Oberschicht und ihre Bereicherung.

"Unsere Politiker sorgen sich nicht um die Nigerianer. Sie sorgen sich nur um sich selber", schimpft einer der tausenden Demonstranten. Auf Plakaten wird Präsident Goodluck Jonathan an der Zapfsäule mit Teufelshörnern und Fangzähnen dargestellt. Jonathan hatte zu Jahresbeginn die Subventionen für Kraftstoff gestrichen. Benzin kostete plötzlich mehr als doppelt so viel, als Folge wurden auch Lebensmittel und Verkehrsmittel teurer.

Für Bola Adejobi wie für viele andere ist der Streik ein Zeichen des Zorns darüber, dass auch nach 50 Jahren lukrativer Erdölförderung weite Teile der Bevölkerung arm sind. "Es ist höchste Zeit, dass wir Nigeria in die eigenen Hände nehmen", sagt die 53-Jährige. "Das ist in Ägypten geschehen. Das ist in Libyen geschehen." Ein anderer Demonstrant in Lagos hält sein Protestplakat verkehrt herum: "Unser Leben steht schon kopf", erklärt er.

Das Parlament sprach sich gegen die Wiedereinführung der Subvention aus

Eine Krisensitzung des Parlaments, das sich am Sonntag für eine Wiedereinführung der Subventionen aussprach, verhinderte den Streik nicht mehr, sondern machte vielmehr deutlich, dass sich auch die Politiker nicht einig sind: Mitglieder der Regierungspartei PDP (Demokratische Volkspartei) wandten sich gegen Jonathan. "Wir sitzen auf einem Pulverfass und wir spielen mit dem Feuer", warnte Oppositionspolitiker Pally Isumafe Obokhuaime Iriase. "Wenn wir nichts unternehmen, wird das der letzte Strohhalm sein, der dem Kamel das Rückgrat bricht."

Am Mittag wird gemeldet, dass in Lagos drei Demonstranten von der Polizei erschossen worden sind. In der größten nordnigerianischen Stadt Kano setzt die Polizei Schüsse und Tränengas ein, als tausende Demonstranten versuchten, das Haus von Zentralbankgouverneur Lamudi Sanusi anzuzünden. Mindestens 20 Menschen seien verletzt worden.

Die nigerianische Finanzministerin Ngozi Okonjo-Iweala sagte am Montag im Fernsehsender Channels TV, die bisherige Subventionierung sei über Kredite finanziert worden. "Griechenland ist dort, wo es jetzt ist, weil es über Jahre hinweg nicht das Richtige getan hat. Sie haben sich immer wieder Geld geliehen, um die Entwicklung zu finanzieren", sagte Okonjo-Iweala. "Wir können nicht weiterhin Kredite aufnehmen, um unsere Entwicklung zu finanzieren."

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4 Kommentare

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  • S
    sonja

    sarah:

     

    Die Situation in Nigeria kannst du nun wirklich nicht mit der Unsrigen vergleichen. Denn dort wird Öl gefördert (Worunter auch viele Menschen leiden, weil sie ihre Lebens-und Nahrungsgrundlagen verlieren und die Umwelt verschmutzt wird) Das dort geförderte Öl wird aber ausgeführt, woran vor allem die Ölmultis verdienen und einige wenige Nigerianer. Der größte Teil des nigerianischen Volkes hat vom Ölreichtum nur die Nachteile. Im Land selbst muss das Öl teuer eingeführt werden. Und teures Öl hat eben in Nigeria eine ganz andere Bedeutung als bei uns, weil es dort kein staatlich gefördertes öffentliches Transportsystem gibt, z.B.. Außerdem verteuert das teure Benzin auch die Nahrungsmittel, wei ja die Transportkosten aufgeschlagen werden müssen. Und da bedeutet für die Menschen in Nigeria ganz einfach Hunger.

     

    In den westlichen Industrieländern dagegen müsste das Öl teuerer werden, weil es nun mal ein knappes Gut ist und auch nicht mehr ewig reichen wird. Und weil es z.T. hohe Kosten verursacht durch Umwelstzersörung, wie z.B bei Katastrophen vor Mexico oder jetzt wieder vor Neuseeland. Oder auch in den Förderländern, wie z.B. Nigeria.

     

    Wir hier im Westen müssen sehen, dass wir vom Öl unabhängiger werden und etwas tun, damit die Konzerne, die ihr Geld damit verdienen, sich ihrer Verantwortung gegenüber Mensch und Umwelt bewusst werden.

  • B
    bla

    kann jedem empfehlen, der sich näher informieren will, das hashtag #occupynigeria bei twitter einzugeben. geht richtig ab da unten!

     

    @sahra:

    öl ist begrenzt und kann deshalb nur teurer werden. wenn du weiterhin am individualverkehr teilnehmen willst, kauf dir nen elektroauto.

    ich wär eher für kostenlosen öffentlichen nahverkehr, dann leben wir alle vielleicht ein bisschen länger.

  • S
    Sarah

    Wir EuropäerInnen sollten auch mal nach Nigeria gucken. Dort wird es richtig gemacht und gegen hohe Benzinpreise protestiert! Wir regen uns zwar auch über die hohen Benzinpreise auf, aber nur zu Hause. Wir müssen unsere Länder endlich auch mal lahmlegen! Es kann nicht sein das sich bald nur noch die Reichen Benzin leisten können, alle müssen am Individualverkehr teilnehmen dürfen. Autos und Benzin müssen von den Ländern endlich auch subventioniert werden, zumal die Autoindustrie dann auch davon profitieren würde!

  • D
    DaKaKo

    An sich ein interessanter Artikel, aber was soll diese Überschrift?! Sie scheint mir ziemlich aus der Luft gegriffen und selbst im Artikel wird nicht auf diese These eingegangen...