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Kommentar Bundespräsidentensuche"Titanic" als Gegenmodell

Kommentar von Tom Strohschneider

Ausgerechnet ein Kabarettist soll der Gegenkandidat fürs Amt des Bundespräsidenten sein. Dass sonst niemand zu finden ist, ist kein Grund zum Lachen.

P olitik solle auch Spaß machen, heißt es oft. Aber muss sie deshalb witzig sein? Was dabei herauskommt, wenn sich Politiker auf die Bühne der Heiterkeit begeben, sorgt alljährlich am Aschermittwoch für bierdröhnende Stimmung. Höhepunkte schaffen es aus bayerischen Lokalen in die bundesweiten Nachrichten - und das hört sich dann etwa so an: „Das ist kein Tsunami, das ist nur eine Westerwelle.“

Mit dem Satz sorgte vor ein paar Jahren Horst Seehofer für Lacher zum politischen Fastenbeginn. Aber war das komisch? Zurzeit ist der Mann vertretungsweise Staatsoberhaupt - und während in Dingolfing, Vilshofen und Passau die Politik der Grenze zum Witz auf den Leib rückt, wollen andere, dass der professionelle Humor die Linie zur Politik überschreitet. Ausgerechnet das Amt der bedrohten Würde soll zum Hort gesellschaftskritischer Kleinkunst werden. Georg Schramm for President?

Nun, der letzte Bundespräsident war eine Lachnummer - da kann es eigentlich nur ein Fortschritt sein, wenn einmal jemand im Schloss Bellevue sitzt, der das komische Fach wirklich beherrscht. Aber es steckt mehr darin, ein Paradigmenwechsel: Was Politikern nicht mehr zugetraut wird, sollen immer öfter Kabarettisten richten.

privat
TOM STROHSCHNEIDER

ist Redakteur im Meinungsressort der taz.

Schramm würde im Trend liegen: Schon vor drei Jahren bot die Linkspartei gegen einen humorfreien Horst Köhler den Schauspieler Peter Sodann auf - auch der ein Mann des politischen Witzes. Kommissar Ehrlicher versprach „Ernstes mit Heiterem“ zu verbinden. Die Bewerbung geriet bisweilen tatsächlich zum „Klamauk“ (Focus), wirklich komisch war das aber nie.

Andere waren erfolgreicher: 2010 obsiegte der Komiker Jón Gnarr bei der Bürgermeisterwahl in der finanzkrisengeschüttelten Hauptstadt Islands. In Italien wurde der Spaßblogger Beppo Grillo zum Hoffnungsträger Zehntausender, die sich von ihrem korrupten System weder Bespaßung noch Interessenvertretung erwarten wollten. Und in den USA spielte unlängst der Entertainer Stephen Colbert öffentlich mit dem Gedanken einer Kandidatur ums Weiße Haus - die lachende Begeisterung darüber entsprach dem bitteren Ernst im Zweiparteien-Patt.

Was sagt das, wenn die Sehnsucht nach einer Politik wächst, die zwar nicht selbst schon Kabarett ist, aber von Kabarettisten besser repräsentiert wird? Offenbar sieht so die andere Seite der TINA-Medaille aus - da vom alteingesessenen Ensemble der Politik keine wirklichen Alternativen mehr zu erwarten sind, möge sich das Verdrossenheit spendende Politgeschäft wenigstens gekonnter den Eulenspiegel vorhalten. Und wer könnte das besser als Komiker mit politischem Programm. Krise, Klimawandel, Krieg - was zum Heulen ist, wird im Kopf durch bissigen Witz entspannt. Die Titanic als gesellschaftlicher Zustand, Motto: Wie es sinkt und lacht.

Die sich als ernste Opposition sehen, werden darüber nachdenken müssen, was es bedeutet, wenn der Rentner-Figur Lothar Dombrowski mehr Contra gegen den überparteilichen Block des kapitalistisch Erlaubten zugetraut wird als all den Namen, die jetzt niemandem einfallen. Irgendeine kritische Intellektuelle, die sich wirklich aufdrängt? Irgendein Leuchtturm der Zivilgesellschaft, der dem kollektiven Nein ein Gesicht geben könnte? Eben. Die Strahlkraft der Schramms, Colberts und Grillos ist wohl auch die Blässe von anderen. Politisch betrachtet - nicht gerade ein Grund zum Lachen.

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18 Kommentare

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  • J
    Jojas

    Erst groß "Titanic als Gegenmodell" rumtiteln und dann O.M. Schmitts Kandidatur für die Frankfurter OB-Wahlen unterschlagen! Tss, tss...

  • IB
    Ian Bellyn

    In der Diskussion um Schramm finde ich es immer wieder verwunderlich, dass das was er macht als "Klamauk" dargestellt wird. Eine völlige Fehleinschätzung; guck und hör doch einfach mal richtig hin Tom (auch wenn du jetzt zum taz-Schreiberling mutiert bist).

  • DS
    dieter schönrock

    Es sollten nur KabarettistInnen BundespräsidentIn werden. Hofnarren hatten, wenn sie gut waren, schon immer die Aufgabe, den jeweiligen Despoten einen Spiegel der sozialen Wirklichkeit ihres Reiches vorzuhalten.

  • BN
    Bruder Nr. 1

    Gute Beobachtung! Allerdings nicht ganz zu Ende gedacht: die "Blässe" der anderen wird durch systematisches Ignorieren der Mainstream-Medien produziert - es gibt jede Menge kritische Geister in unserem Land, nur werden die auch von linken Journalisten schon gar nicht mehr wahrgenommen, weil sie es nicht in die Schlagzeilen der "relevanten Medien" schaffen, warum auch immer - oder besser gefragt: warum eigentlich nicht?

  • C
    Corvin

    Wenn ein Schauspieler Präsident der USA werden konnte, könnte dann nicht auch ein Kabarettist Bundespräsident der Bundesrepublik werden?

  • B
    Bernd

    Was fuer ein guter, angenehmer, durchdachter und geistreicher Kommentar - gerade im Vergleich zur rechtsextremen Hetze von Daniel Bax oder den antisemitischen Hasstiraden von Deniz Yueksel oder wie der Nazi heisst.

     

    Bitte Daniel "Adolf" Bax und Deniz "Ich hasse alle Juden" Yueksel entlassen bzw. vor Gericht stellen und mehr Artikel von diesem guten Autor veroeffentlichen - offenbar hat es die taz geschafft, endlich auch mal einen Journalisten fuer sich zu gewinnen. Sorgt dafuer, dass der Mann auch bleibt und nich zur SZ oder so abwandert.

  • H
    Haarbob

    ... wobei hier zu erwähnen vergessen wurde, dass Schramm eine der ernstesten Gestalten dieser Kunstform ist, der seine nicht unbedingt verschwenderisch vielen Lacher in der Regel auch nicht aus einer besonders lustig dargestellten Tatsache zieht, sondern aus einer absurden Spiegelung an seiner Figur.

  • A
    Alexander

    Wobei man Georg Schramm unrecht tut, wenn man ihn in die Schublade Komik, Kabarett & Klamauk steckt. Wenn man mal seinen Beitrag zu Occupy Frankfurt, seine Bewerbung als Bundespräsident in "Neues aus der Anstalt" oder auch mal ein längeres Interview mit ihm (außerhalb seiner Dombrowski-Rolle) sieht: Der Mann hat sich viele Gedanken gemacht, er hat erkannt, was falsch läuft und er benennt auch die Schuldigen.

  • H
    herbert

    Schon die Kür von Joachim Gauck zum großen Konsenskandiaten war ganz großes politisches Schmierentheater und vor dem Einzug dieser Realsatire ins überflüssige Schloß, ist ein echter Satiriker wie Schramm doch die ideale Besetzung für einen Gegenkanditen, wobei die Sylvia der Titanic auch einen gewissen Reiz hätte.

  • M
    martin

    Den Humor Georg Schramms mit dem des Horst Seehofer

    zu vergleichen diskreditiert die Argumente des

    Autors schon im ersten Absatz. (gibt ja keine)

    Wie schön es aber wäre wenn viele unsererer Politiker(innen) ihre angestammten Resorts nie verlassen hätten, dass hat der Autor offenbar verstanden.

  • MI
    Muss ich widersprechen

    Mhm, Comedy, Blödelei, Kabarett und Satire sollte man schon voneinander unterscheiden. Blödelei ist in der dunklen Form sowas wie das Dschungelcamp, was dazu dient, niedere Gelüste und Häme zu befriedigen -Brot und Spiele für das Volk. Die Römer hatten die Arena, heute hat man das Fernsehen u.a. Medien...

     

    Comedy ist schon ein weinig anspruchsvoller. Hier greift man gerne Alltagsgeschichten und Klischees auf, die man überspitzt seinem Publikum serviert, das sich möglichst selbst in den Rollen finden soll um über sich selbst zu lachen - Blödelei wird bei Comedy miteinbezogen.Es dient hauptsächlich der Unterhaltung.

     

    Kabarett und politische Satire sind aber Fächer, die einem guten Kabarettisten und Satiriker einiges abverlangen. Er muss sich sehr wohl stets aktuell mit den politischen Themen auseinandersetzen, er muss aber auch auf einen Schatz (sog. Bildung) zurückgreifen können um in den Fächern Kabarett und Satire zu bestehen - als Ausrdrucksform bedient er sich natürlich komödiantischen Mitteln. Dabei ist die zu vermittelnde Botschaft häufig bierernst und kommt nur in einem lustigen Kleid daher. Und somit lässt sich auch erklären, warum viele Kabarettisten privat sehr ernste, teils sehr zurückhaltende, wortkarge Menschen waren und sind. Deswegen muss ich Ihnen widersprechen. Eine Tätigkeit als Kabarettist oder Satiriker mindert keinesfalls die Fähigkeit Bundespräsident zu werden. Unter Kabarettisten finden sich hochgebildete Menschen, die so manch einem Politiker ordentlich die Leviten lesen könnten.

  • AH
    Aus Haching

    Ich muss zugeben, Georg Schramm nur aus "Neues aus der Anstalt" zu kennen. In dieser Sendung bekommt das linksliberale, urbane Bürgertum gesagt, dass es moralisch und intelektuell allen anderen Weltanschauungen und sozialen Gruppen überlegen ist. Dementsprechend vorhersehbar, beschränkt und langweilig ist die Sendung auch.

     

    Wenn der Mensch Georg Schramm der Sendung entspricht, dann ist er denkbar ungeeignet für jedes politische Amt. Menschen, die glauben, im Besitz der politischen Wahrheit zu sein, gibt es gerade links der Mitte schon mehr als genug. Außerdem muss der Politiker - anders als der Künstler - Verantwortung für seine Worte übernehmen.

  • R
    Robert

    Natürlich haben Sie Recht. Aber die Strahlkraft der Einen ist immer auch(!) erst möglich durch die Blässe der Anderen. Anderenfalls würden wir z.B. keinen einzigen Stern am Himmel sehen.

     

    Tatsache ist, daß Joachim Gaucks Kandidatur in der Tradition genau der Pareienkungelei steht, die mittlerweile so viele ablehnen, aber durch eigene Passivität eben doch auch mittragen. Als hätte es all die (letzten) Bundespräsidenten mit ihren zu kritisierenden Wegen in das Amt nicht gegeben. Es wird einfach - gut, ein wenig anders diesmal (Die Zweiprozentpartei hat einen gewaltigen Sieg eingefahren.) - wie bisher weitergemacht.

     

    Gauck als Kandidat und ja doch sehr wahrscheinlicher BP ist eine Katastrophe. Schramm ist wenigstens der Versuch diese betonharten Verhältnisse zu lockern. Für die juristischen und fachlichen Anforderungen, die, so vermute ich mal, dieses Amt mit sich bringt, hat der BP einen großen Apparat. Das sollte nicht das Problem sein.

     

    Daß nicht Dombrowski, nicht Sanftleben, nicht August,... Präsident werden würde, müssen sich aber wahrscheinlich schon noch einige klar machen.

     

    Es gab mal einen Kandidaten, der für Deutschland extrem wichtig gewesen wäre. Jens Reich. Seine Wahl wäre ein Zeichen gewesen. Aber....

  • H
    Hiramas

    Sehr schöner Kommentar, so ist die Lage nun mal.

    Der Mangel an akzeptablen Alternativen als Gegenkandidaten ist erschreckend.

    Keinem kann mehr zugetraut werden das Volk wirklich zu vertreten. Und diejenigen, denen es zugetraut wird sagen ab.

    Künstler wie Schramm oder Pispers sagen, was wirklich Sache ist. Um letzteren mal zu zitieren: "Kabarettisten dürfen hier nur darum das Maul soweit aufreissen, weil sie nichts zu sagen haben"

    Dabei sind sie die letzten, die wirklich was sagen.

    Genauso Colbert in den USA, der vehement die erschreckenden Machenschaften bei der Politikfinanzierung aufdeckt.

    Die Frage ist nicht, ob ein Kabarettist tragbar wäre für das Amt (es werden auch Schauspieler zu US Präsidenten), es ist die Frage, wo die anderen Kandidaten sind?

    Es scheint, jeder der wirklich tauglich wäre, hat was besseres zu tun oder will sich dem lächerlichen Politikbetrieb nicht anschließen

  • L
    Laila

    Beachtenswert, dass mit Georg Schramm nicht nur irgendein Kabarettist vorgeschlagen wurde, sondern ein ganz bestimmter - nämlich Georg Schramm!

     

    Es wurden weder Klamauk-Komödianten wie Richling, Jürgen Becker, Herbert Knebel oder andere weitaus harmlosere Spaßmacher wie z.B. Priol, Roger oder Ottfried Fischer, Arnulf Rating vorgeschlagen.

     

    Aber - ausgerechnet Georg Schramm wurde vorgeschlagen, der ähnlich wie Wilfried Schmickler oder Volker Pispers die Peinlichkeiten der aktuellen Politbühne aufs Trefflichste erklärt und die Zusammenhänge auf den Punkt bringt.

     

    Es geht weder um Kabarett noch um Witz oder Klamauk, sondern wohl eher darum, wer die wahren Vorgänge aufdeckt und eine gewisse Glaubwürdigkeit verkörpert. Clowns wurden keine ernannt!

  • T
    Torben

    Nominiert sind nicht die pointierten Verkörperungen Oberst Sanftleben oder der Rentner Dombrowski, sondern der politische Mensch Georg Schramm.

     

    Schade, dass sich niemand mit seinen humanistischen Überzeugungen und Mahnungen auseinandersetzt, sind es doch gerade jene, die unserer politischen Landschaft nahezu restlos abhanden gekommen sind und damit der Republik als Ganzes.

  • L
    lounger

    Obwohl und weil ich ein Fan von Schramm als Künstler bin, halte ich ihn nicht für einen guten Präsidentschaftskandidaten.

    Aber nicht weil er blass ist oder aus Politik Klamauk machen würde, wie der Kommentar nahelegt. Er ist in meiner Wahrnehmung ein Intelektueller (zumindest kann er sachlich richtig mit Kant und Hegel argumentieren) und die Perspektive seines ehemaligen Brotberufs Psychologe würde unserer Gesellschaft sicherlich mehr helfen als noch nen Pfarrer/Politiker.

     

    Aber wir würden den besten Kabarettisten zum Schweigen verdonnern. ... Das ist der Präsidentenjob dann doch nicht wert.

  • H
    Herb

    für mich bleibt das ganze eine nonsensnummer bis georg schramm sich irgendwo irgendwie öffentlich zu der ganzen sache äußert.

     

     

    das ständig irgendwelche occupy-seiten bei facebook videos von ihm posten zeigt mir nur eins: gerorg schramm ist okkupiert, ob zu seiner freude oder last weiss nur er!

     

    herb

    network-99.com