piwik no script img

Mord an Zivilisten in AfghanistanEinzeltäter, aber kein Einzelfall

Der US-Soldat, der in Afghanistan 16 Zivilisten tötete, handelte offenbar allein. Er kam von einer US-Militärbasis, wo auch das so genannte „Kill Team“ stationiert gewesen war.

US-Soldaten in Afghanistan. Bild: dapd

WASHINGTON taz | Der US-Todesschütze in Afghanistan hat offenbar allein gehandelt. In seiner Armeebasis in den USA jedoch gibt es viele Fälle von Mord, Selbstmord und Gewalt. Bekanntester Fall sind die Greueltaten des „Killteams“, das 2010 drei afghanische Zivilisten ermordete und verstümmelte.

In seinen elf Jahren als US-Soldat war er bereits dreimal im Irak stationiert. Im Dezember wurde der zweifache Familienvater nach Afghanistan geschickt. Der 38-jährige Todesschütze entstammte nach Angaben von Militärs der Joint Base Lewis-McChord, einer der größten Armeebasen der USA, im Bundesstaat Washington. In Afghanistan war er als regulärer Soldat stationiert.

Er sollte Spezialeinheiten, so genannten „Grünen Baretten“, dabei helfen, Dörfer zu „stabilisieren“. Diese Einheiten versuchen, enge Bindungen zu Dorfältesten herzustellen und Polizeitruppen zu gründen, um Front gegen Taliban-Führer zu machen. Der Seargant soll nach Aussagen von Militärs auf eigene Faust gehandelt haben, als er durch zwei Dörfer zog, um dort zu morden.

In seiner Heimatbasis ist er nicht der erste US-Soldat, der Jagd auf wehrlose Zivilisten in Afghanistan gemacht hat. Von dort stammte auch die als „Kill Team“ bekannte Gruppe von Soldaten, die 2010 drei unbewaffnete Zivilisten bei Kandahar gezielt ermordet hat. Die Soldaten machten damals systematisch Jagd auf Dorfbewohner. Sie posierten neben ihren Opfern und verwendeten abgeschnittene Körperteile und Schädel als Trophäen. Ein Soldat, der die Verbrechen und den Drogenkonsum der Soldaten enthüllte, wurde zusammengeschlagen und mit dem Tod bedroht.

Höchste Selbstmordrate unter Kriegsrückkehrern

Die Militärzeitung Stars and Stripes nannte die Joint Base Lewis-McChord, vergangenes Jahr „die problematischste Basis der Armee“.

Immer wieder gab es auch gewalttätige Vorfälle in den USA selber mit Soldaten aus dem Komplex von dunkelroten Backsteingebäuden, Wäldern und Trainingsanlagen. Ein ehemaliger Soldat aus Lewis-McChord schoss 2010 einen Polizisten im US-Staat Utah an. Im Januar tötete ein 24 Jahre alter Veteran des Irakkriegs einen Parkwächter im Mount Rainier Nationalpark, bevor er selbst auf der Flucht ertrank. „Das ist ein nur weiterer Schlag für unsere Gemeinde hier“, sagte ein technischer Mitarbeiter in der Basis.

Die Anlage mit rund 100.000 Soldaten und Zivilangestelten südlich von Seattle ist seit den Terroranschlägen vom 11. September stetig gewachsen. Sie hält einen traurigen Rekord von Selbstmorden unter den Kriegsrückkehrern. Allein im vergangenen Jahr nahmen sich dort zwölf Soldaten das Leben, in den Vorjahren waren es nicht viel weniger. Die Basis etablierte als Konsequenz ein spezielles Zenrum zur Prävention von Selbstmord.

Ärzte der Basis stehen jedoch gleichzeitig unter Verdacht, aus Kostendruck die Rate der Diagnosen auf Posttraumatisches Stresssyndrom (PTSD) bewusst niedrig zu halten, um Versorgungsansprüche zu reduzieren. So seien in den vergangenen fünf Jahren die Diagnosen von 300 PTSD-Patienten der Joint Base revidiert worden.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • D
    Djibrila

    Bravo @Bernd Goldammer!

  • J
    jakob

    @peterschullz

    Achso ja einfach mal nach Hause fahren, was ist das denn fuer ein Mist...

    Hey Sgt, I'm done here with the deployment, I'm gonna go home right fast to relieve some pressure, wth?

    Freiwillig da drueben? Ich weiss nicht in welchem Zeitalter du lebst oder ob du jemals gedient hast, aber beim Militaer gibt es kein Ja ich gehe oder Nein ich will nicht in den Einsatz, man geht einfach, weil es ein Befehlt ist! Mein Gott! Ihr seid doch alles Gutdenker und Idealisten die keinen Sinn vom realen Leben haben, geschweige denn vom Militaer.

  • OA
    Olaf Ahrenbog

    an Demokratin

    Mit solchen Aussagen zeigen Sie eigentlich nur das Sie der US-Propaganda genauso erlegen sind, wie die US-Soldaten die gehirngewaschen mit Patriotismusparolen in Presse und Hollywood in die Kriegsregionen geschickt werden.Das passiert allerdings wenn man nicht über den Tellerrand hinaus schaut oder besser hinaus schauen will weil man sich für das demokratisch legetimierte "Land of the Free" hält. Was für eine Ironie.

    Die Einführung des "patriot act" und der Wunsch nach einem Krieg gegen den Terror, proklamiert durch die US-Administration zeigt mir jedenfalls das die USA in einen Faschismus des 21. Jahrhunderts abgleitet.Presse/Medien fast gleichgeschaltet und die Bevölkerung wird für dumm verkauft. Wir in Europa müssen mehr und mehr aufpassen das uns nicht auch das Gehirn gewaschen wird. Es lebe der kantsche Imperativ. ein Philanthrop

  • P
    peterschullz

    hallo nassauer, was den für ein spiess umdrehen?

    das ist wohl das idiodischste Bild der Woche.

    da erschiesst ein durch nichts legitimierter Besatzer Einheimische und Du entschuldigst dass durch irgendeinen Druck dem der Täter ausgesetzt ist?

    Ich denk mal, dass der Täter in jedem Fall freiwilliger zu diesem Konflikt gelangt ist als die Opfer. Und im Gegensatz zu diesen hätte er die Möglichkeit auch anders diesem Druck auszuweichen.

    Z.B. nach Hause fahren, wo er nicht unter der Androhung steht durch Besatzer seinerseits erschossen zu werden.

  • J
    Jürgen

    Was tummelt sich denn so unter den "Freiwilligenpolitikern"?

    "We have heard that a half million children have died." (im Irak unter US Sanktionen) "I mean, that's more children than died in Hiroshima. And, you know, is the price worth it?" Aussenministerin Madeleine Albright: "... we think the price is worth it."

     

    Also die Soldaten passen zu solchen Politikern, und zuerst sollte man diese Politiker wegsperren.

  • D
    Demokratin

    @ Bernd Goldammer

     

    Ohne das US-Militär würde Mitteleuropa seit Jahrzehnten von der sozialistischen Sowjetunion versklavt sein.

     

    Der einzige Grund nicht unter dieser sozialisitschen Diktatur zu leiden, wäre der, ähnlich von einer nationalsozialisitschen Dikatur unterdrück zu werden.

     

    Die USA haben Mitteleuropa von Hitler befreit und vor Stalin und weiteren Verbrechern beschützt.

     

    Jetzt wissen Sie, was das US-Militär alles kann. Ohne die USA dürften Sie Ihre verwirrten Gedanken denken, aber nicht äußern.

     

    Die eigentliche Bedrohung für die freie Welt sind Gutmenschen-Träumer, wie Sie einer sind.

  • S
    Stefan

    Genau, das ist das Abweichen von der Norm. Die Norm der Taliban ist der Mord an Zivilisten. Gut, dass wir mal wieder über den moralisch verkommenen Westen gesprochen haben.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Danke für den guten Artikel. Da stellt man sich doch glatt die Frage: Was bitteschön kann das US-Militär? Nichts, außer im Namen der Freiheit gigantische Verbrechen gegen Frauen und Kinder und gegen die eigenen Leute zu begehen. Sie haben die Menschenwürde längst entweiht, indem sie Menschen zu Kampfmaschinen abrichten. Mein Fazit: US- Militärs und ihr Militärisch- Industrieller Komplex sind die eigentliche Bedrohung für die Welt!

  • K
    KlausK

    Was sich in Freiwilligenarmeen so tummelt, ist schon sehr bedenklich. Sind unter den Soldaten nicht überproprtional viele gesellschaftliche Verlierer, die als Ausweg mal eben zur Army sind?

     

    Geht die Ausbildung auf solche sozialen Probleme ein?

    Bleibt zu hoffen, dass solche Vorfälle nicht zur Regel werden, sonst kommt die Bundeswehr überhaupt nicht mehr raus aus Afghanistan.

  • S
    Schramm

    Es sind häufig die sozial Ärmsten, die für die Geopolitik, Wirtschafts-, Rüstungs- und Rohstoff-Interessen der jeweils herrschenden Finanz- und Monopolbourgeoisie - und deren Vorstände in den Konzernen und Aktiengesellschaften - ihren Kopf hinhalten; modifiziert gilt dies auch für die SoldatInnen der so genannten bundesdeutschen und deren europäischen (A)"Sozialen Marktwirtschaft", bei ihren mörderischen Einsatz gegen die Bevölkerung in Afghanistan und in anderen Eroberungs-Regionen der kapitalistisch-imperialistischen Welt !

  • T
    tazkotz

    kein einzeltäter! inkl. medien