Neonazi-Morde: Kassel sperrt sich gegen „Halit“-Straße
Der Vater eines der Neonazi-Opfer hofft, dass die Holländische Straße in Kassel zum Gedenken an Halit Yozgat umbenannt wird. CDU, SPD, Linke und Grüne winken ab.
FRANKFURT/MAIN taz | Kassel, Holländische Straße 82, im April 2006: Halit Yozgat wird in seinem Internetcafé von Terroristen des rechtsextremen Nationalsozialistischen Untergrunds, NSU, erschossen, weil er Türke ist. Der 21-Jährige stirbt in den Armen seines Vaters Ismail Yozgat.
Geht es nach Ismail Yozgat, soll die vierspurige Ausfallstraße bald den Namen seines Sohnes tragen: „Wir als Familie möchten die Holländische Straße gerne in Halit-Straße benennen lassen“, sagte er auf der zentralen Gedenkfeier für die NSU-Opfer Ende Februar in Berlin. Doch damit stößt er in Kassel jetzt auf Widerstand.
Unterstützt wird Yozgat zwar von der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU). In einem Brief an Kassels SPD-Oberbürgermeister Bertram Hilgen schreibt sie: „Die Umbenennung der Straße wäre ein deutliches Zeichen des Gedenkens an Halit Yozgat als Bürger der Stadt Kassel.“
Ablehnend äußern sich aber Böhmers Parteikollegen aus Kassel. „Die Umbenennung einer so großen Straße macht keinen Sinn“, sagte Norbert Wett, Chef der CDU-Fraktion im Stadtparlament. Wett fürchtet, so erklärte er, dass die Prozedur der Umbenennung „unwürdig“ werden könne. Das wolle die CDU verhindern.
Wetts Argumentation: Da es sich bei der Umbenennung einer Straße um einen Verwaltungsakt handelt, haben alle Anwohner, auf die dann auch Kosten zukämen, das Recht, Einspruch gegen eine Namensänderung zu erheben. Im konkreten Fall wären das fast 2.500 Einwohner sowie zahlreiche Gewerbebetriebe. Wett sagt: „Das kann zu einem langen und unwürdigen Verfahren führen.“
Ähnlich argumentieren auch die anderen Kasseler Parteien. Die Linke findet die Umbenennung der Holländischen Straße „ungeschickt“, auch manche Grüne teilen die Bedenken der CDU, auch wenn sie das nicht öffentlich zugeben möchten.
Auch die Stadt ist zurückhaltend
Zurückhaltend äußert sich ebenso die Stadt Kassel. Bürgermeister Jürgen Kaiser (SPD) könne den Wunsch der Eltern zwar „gut nachvollziehen“, aber „eine Entscheidung, wie ein Ort des Andenkens aussehen kann und wo er sein wird, muss auf einer breiten gesellschaftlichen Basis beruhen.“
Die Stadt will nun mehrere Optionen prüfen, um „in würdiger Form an das Opfer zu erinnern“. Sie will gemeinsam mit den anderen sechs von der Mordserie betroffenen Städten – Dortmund, Hamburg, Heilbronn, München, Nürnberg und Rostock – eine Form des Gedenkens finden. Im Gespräch sind etwa eine Gedenktafel sowie ein Denkmal. Außerdem wird in Kassel die Umbenennung des Henner-Piffendeckel-Platzes diskutiert, der nur gut 100 Meter vom Tatort entfernt liegt.
Die Optionen will die Stadt nun „sorgfältig abwägen“ und „zeitnah“ eine Entscheidung treffen. Hierüber, so eine Sprecherin der Stadt, würde Ismail Yozgat dann vor der Öffentlichkeit informiert werden.
Yozgat ist empört: „Es ist eine Schande, dass noch darüber diskutiert wird, ob die Straße umbenannt werden sollte oder nicht. Hätten die Herrschaften weiter diskutiert, wenn ihr Sohn in dieser Straße in ihren Armen gestorben wäre?“
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