Die Wahrheit: Der greise Gaul der Gossenpresse

Wenn sich Pferde in die Politik einmischen, verheißt das selten etwas Gutes. Man denke nur an Troja; oder an Wilhelm den Eroberer.

Wenn sich Pferde in die Politik einmischen, verheißt das selten etwas Gutes. Man denke nur an Troja; oder an Wilhelm den Eroberer, der alle Anschläge überlebte, bis sein Pferd ihn abwarf; oder an Richard III., dessen letzte Worte laut Shakespeare waren: „Ein Pferd, ein Pferd! Mein Königreich für ein Pferd!“

Offenbar interessiert sich der britische Premierminister David Cameron weder für Shakespeare, noch für Geschichte, sonst hätte er sich vor Pferden gehütet. Bei der Untersuchung über den Abhörskandal bei Rupert Murdochs News of the World kam nun heraus, dass Scotland Yard der ehemaligen Chefin des Blatts, Rebekah Brooks, ein ausgemustertes Polizeipferd geliehen hatte. Und auf dem 22 Jahre alten Gaul ist der Premierminister geritten, als er zu Gast bei Rebekah Brooks und ihrem Mann Charlie war.

Cameron bestritt zunächst noch jegliche Verbindung zu dem geriatrischen Tier. Drei Tage später erinnerte er sich dann doch. Pferde sehen ja irgendwie alle gleich aus, meinte er, und es sei sehr gut möglich, dass er Raisa geritten habe. Raisa? Wieso benennt Scotland Yard ein Pferd nach der Frau des ehemaligen sowjetischen Staatschefs? Jedenfalls musste Cameron während des EU-Krisengipfels in Brüssel vor die Kameras treten und zur Verwunderung der anderen Regierungschefs die Geschichte vom Pferd erzählen.

Er wolle Licht in die Sache bringen, sagte er: „Ich kenne Rebekahs Ehemann Charlie Brooks seit mehr als 30 Jahren. Sie haben eine Reihe von Pferden, und eins von ihnen war das ehemalige Polizeipferd Raisa, auf dem ich geritten bin.“ Damit waren Camerons Versuche gescheitert, möglichst viel Distanz zwischen sich und Brooks zu bringen, zumal die ehemalige Chefredakteurin vorige Woche schon wieder wegen der Abhöraffäre verhaftet wurde. Und sein Image als einfacher Junge aus der Mittelschicht ist durch seine Ausritte nach Gutsherrenart nun ebenfalls perdu.

Inzwischen ist das ehemalige Polizeipferd ein totes Pferd. Brooks gab den Gaul 2010 der Polizei zurück, die das Tier in einem Heim für pensionierte Pferde in Norfolk unterbrachte. Dort ist Raisa kurz darauf entschlafen. Das Pferd sei nach 13 Jahren im Dienst gegen Krawalle schwer traumatisiert gewesen, hieß es. Oder hat es Cameron auf seinem Rücken nicht verkraftet? „Es tut mir sehr leid, dass Raisa nicht mehr unter uns weilt“, sagte der.

Seit „Horsegate“, wie die Affäre zwischen Cameron und Raisa genannt wird, kann man keine englische Zeitung lesen, ohne in die Wortspielhölle zu geraten – zumal es auch unweigerlich die Schmuddelfantasie des Engländers anregt, wenn man von Reiten spricht. Cameron war freilich nicht der Erste, der Nähe gesucht hat – und zwar zu Pferden, sondern zu Murdochs Gossenpresse. Er sei aber nicht so weit gegangen wie Sarah Brown, die Gattin des früheren Labour-Premiers Gordon Brown, die eine Pyjamaparty für Rebekah Brooks im Amtssitz in der Downing Street ausgerichtet habe, ließ Camerons Sprecher verlauten und fügte hinzu: „Der Premierminister trägt keine Pyjamas, wenn er reitet.“

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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